Jörg Spaniol
· 18.11.2021
Welche Radfirmen meinen es ernst mit dem grünen Daumen? Alles über Stoffkreisläufe, grünes Blendwerk – und die Frage, wessen Job die Rettung der Welt ist.
Für die Rettung der Welt vor dem Öko-Kollaps haben Aktivisten eine Art „5R-Regel“ aufgestellt: Refuse, Reduce, Reuse, Repair, Recycle. Gefühlt steht hinter jedem der englischen Begriffe ein Ausrufezeichen. Wer sich weltverträglich verhalten möchte, sollte also – in absteigender Reihenfolge der Wirksamkeit – sich dem Konsum verweigern (Refuse), ihn verringern (Reduce), Gebrauchtes verwenden (Reuse), es reparieren oder wenigstens recyceln. Ungünstigerweise sind die meisten von uns so gepolt, dass der Kauf und der Besitz neuer Dinge Glücksgefühle auslösen. Und als Angehörige einer Wohlstandsgesellschaft können wir uns die auch leisten. Die ersten drei „R“ funktionieren deshalb bei den meisten Radlern nur eingeschränkt, denn ein neues Rad kauft man sich, weil man sich davon – nicht zuletzt dank des technischen Fortschritts – einen höheren Lustgewinn verspricht.
Freilich ist auch das neue Bike irgendwann technisch und emotional verschlissen. Sinnigerweise würde man dann versuchen, es zu verkaufen – so bleibt es möglichst lange im Kreislauf. Oder man repariert das Sportbike und setzt es als schnödes Transportmittel ein. Es auf die Deponie zu schubsen ist dagegen keine Option: Der Begriff „Müll“ hat auch in der Politik weitgehend ausgedient. Das aktuelle „Kreislaufwirtschaftsgesetz“ sieht das nicht vor. Müll, der einfach verscharrt oder verbrannt wird, soll es eigentlich grundsätzlich keinen mehr geben. Jeder Stoff landet nach seiner Nutzung in einem Produkt wieder als Rohstoff in einem anderen Produkt.
Aus der Erdnussdose wird ein Fahrrad, aus dem Fahrrad ein Kochtopf, aus dem Kochtopf ein Maschinengehäuse
Eine Art Perpetuum mobile der Nachhaltigkeit, bei dem – selbstverständlich saubere – Energie den Weg von einer Nutzung zur nächsten ebnet und etwaige Reste als Kompost Gutes tun.
Leider klingt das zu gut, um in absehbarer Zeit wahr zu werden. Mit weißer Öko-Weste ist derzeit weder unser Leben noch unser Sport zu bestreiten. Doch dass unsere Sport- und Transportgeräte mit längerer Nutzung und hochwertiger Wiederverwertung immer nachhaltiger werden, steht außer Frage. Erste Lösungsansätze deuten sich an. Sowohl in der Konstruktion als auch bei der Materialwahl denken immer mehr Hersteller bereits weiter als bis zum Müllcontainer.
RECYCLING? Beim Recycling geht es um die stoffliche Wiederverwertung eines Werkstoffes. Die Verwendung eines Fahrradhelms als Blumentopf ist kein Recycling. Könnte man ihn aber einschmelzen und sein Material zu einer neuen Blumenvase verarbeiten, fiele das unter den Begriff. Aus dem Primärrohstoff der Helmschale (etwa Polycarbonat) wird dabei ein Sekundärrohstoff – im besten Fall mit gleich guten technischen Eigenschaften.
DOWNCYCLING? Damit wird Recycling mit deutlichen Qualitätsverlusten bezeichnet: Der entstehende Sekundärrohstoff hat bei Weitem nicht die technische Qualität des Primärrohstoffs. Der Begriff wird zwar argumentativ verwendet, bleibt aber etwas unscharf, denn eine klare Grenze zwischen Recycling und Downcycling ist schwer zu ziehen.
BIOLOGISCH ABBAUBAR? Die DIN EN 16575 spricht von einem „Abbau durch biologische Aktivität, z. B. enzymatische Wirkung, die zu einer signifikanten Änderung der chemischen Struktur führt.“ Heißt: Aus einer organischen Verbindung entsteht am Ende eine mineralische Substanz. Um die Umweltverträglichkeit des Stoffes zu beurteilen, müssten noch andere Eigenschaften, wie etwa die Giftigkeit, berücksichtigt werden. Die ist aber im Begriff „biologisch abbaubar“ nicht enthalten. Das Umweltbundesamt bestreitet die biologische Abbaubarkeit von entsprechend beworbenen Kunststoffen ohnehin: „Nach heutigen Bewertungsverfahren (...) sind alle Kunst- stoffe als biologisch nicht abbaubar zu bewerten.“
BIO-KUNSTSTOFF? Biobasierte Kunststoffe werden auf Basis nachwachsender Rohstoffe (anstelle von Erdöl) hergestellt. Sie können biologisch abbaubar sein, sind es oft aber nicht. Und biologisch abbaubare Kunststoffe sind wiederum nicht zwingend biobasiert.