Bei einem Unfall zwischen Radfahrer und Fußgänger auf einem gemeinsamen Rad-/Gehweg ist die rechtliche Situation nicht eindeutig. Der MYBIKE-Rechtstipp.
Die meisten Radfahrer kennen die folgende Situation. Auf einem Weg, der von Fußgängern und Radfahrern gleichermaßen benutzt werden darf, wird man schnell mal ausgebremst. Gefährlich wird es, wenn Radfahrer und Fußgänger wenig bis keine Rücksicht aufeinander nehmen. Doch wie ist rechtlich zu entscheiden, wenn es zu einem Unfall zwischen den beiden Verkehrsteilnehmern kommt?
Auf einem sogenannten Sonderweg für Fußgänger und Radfahrer, wie der gemeinsame Rad-/Gehweg in der Straßenverkehrsordnung heißt, haben Radfahrer auf Fußgänger besondere Rücksicht zu nehmen. Im entschiedenen Fall war ein Radfahrer auf einem – auch für Radfahrer freigegebenen – Gehweg mit einem 13-jährigen Jungen kollidiert und gestürzt. Das Gericht hielt dem Kind vor, blindlings auf den Gehweg gelaufen zu sein und dadurch dort andere Nutzer gefährdet zu haben. Dass der Junge mit einem anderen Kind gespielt habe, entlaste ihn nicht. Weil aber der Radfahrer den Unfall und seine Verletzungen überwiegend selbst verursacht habe, müsse ein mögliches Verschulden des Kindes vollständig zurücktreten, befand das Gericht. Deshalb bekam der Radfahrer seinen Schaden nicht ersetzt. Er habe auf der „gemischten“ Verkehrsfläche die Belange von Fußgängern besonders berücksichtigen müssen.
Das Zusatzschild „Radfahrer frei“ eröffne nur ein Benutzungsrecht. Die Belange der Fußgänger auf dem Gehweg seien vorrangig. Insbesondere bei unklarer Verkehrslage müsse der Radfahrer gegebenenfalls per Blickkontakt eine Verständigung mit dem Fußgänger suchen und – soweit erforderlich – Schrittgeschwindigkeit fahren, um sofort anhalten zu können. Diesen Anforderungen sei der Radler nicht gerecht geworden. Seine Angabe gegenüber der Polizei, sich mit dem Rad überschlagen zu haben, spreche gegen eine geringe Geschwindigkeit. Er habe die spielenden Kinder rechtzeitig wahrgenommen, aber nicht auf ein bestimmtes „vernünftiges“ Verhalten vertrauen dürfen, zumal die Kinder auf sein Klingeln nicht reagiert hätten (OLG Celle vom 19.08.2019 – 14 U 141/19, BeckRS 2019, 22173).