Der Fahrradboom bleibt – Fördermittel nutzen

MYBIKE Online

 · 18.03.2021

Der Fahrradboom bleibt – Fördermittel nutzenFoto: adfc / Reimold
Der Fahrradboom bleibt – Fördermittel nutzen

"Die Erwartungen der Radfahrenden in über 1.000 Städten wurden enttäuscht. Die Zufriedenheit der liegt erneut nur bei Note 3,9."

Die Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020 kommentiert die Vizebundesvorsitzende des Fahrradclubs ADFC, Rebecca Peters, wie folgt:

Fangen wir mit dem Positiven an: In Frankfurt, Berlin, München und Düsseldorf nehmen die Radfahrerinnen und Radfahrer seit der Corona-Pandemie handfeste Signale für mehr Fahrradfreundlichkeit wahr. Das sehen auch wir so: Einige Großstädte haben sich ernsthaft auf den Weg gemacht, mehr Platz fürs Rad und durchgängige Radwegenetze zu schaffen - und dafür auch Konflikte mit Interessensvertretern des Autoverkehrs einzugehen.

Auch Karlsruhe, Wiesbaden und Kiel haben in den letzten zwei Jahren beharrlich an ihrer Fahrradfreundlichkeit gearbeitet. Gut, dass diese Städte beweisen, dass der Ausbau der Radwege nicht Jahrzehnte dauern muss, sondern auch schnell gehen kann. Auch wenn das Fahrrad-Feeling in keiner dieser Städte schon perfekt ist – die Menschen nehmen schon graduelle Verbesserungen dankbar auf. Bitte machen Sie weiter so! Schöpfen Sie Mut aus den positiven Rückmeldungen der Radfahrenden – und schöpfen Sie Fördermittel aus dem Sonderprogramm Stadt und Land des Bundes.

  Fahrradstraßen sind relativ schnell errichtet und wirkungsvoll, wenn gleichzeitig Maßnahmen gegen den Durchgangsverkehr getroffen werden.Foto: Christoph Mischke Stadt Göttingen/ adfc
Fahrradstraßen sind relativ schnell errichtet und wirkungsvoll, wenn gleichzeitig Maßnahmen gegen den Durchgangsverkehr getroffen werden.

„Leider enden hier schon die guten Botschaften, denn die Erwartungen der Radfahrerinnen und Radfahrer in über 1.000 weiteren Städten wurden enttäuscht. Die Zufriedenheit der Radfahrenden liegt erneut nur bei Note 3,9. Das ist bitter. Erschreckende 69 Prozent der Befragten fühlen sich nicht sicher beim Radfahren. 75 Prozent kritisieren zugeparkte Radwege. Und ganze 80 Prozent sagen: Die Radwege sind zu schmal. Das kann uns nicht ruhen lassen.

Chancen der Pandemie verpasst

Richtig frustriert sind die meisten Befragten von den fehlenden Verbesserungen seit der Corona-Pandemie: Quer durch alle Größenklassen vergeben sie hier die vernichtende Note 5,0. Die meisten deutschen Städte haben also den Fahrradboom nicht als Chance genutzt, die Transformation der Straßen zu beschleunigen, so wie es an vielen anderen Orten der Welt geschehen ist.“

„Immer mehr Menschen erwarten sehnlichst bessere Bedingungen zum Radfahren. Bei jedem ADFC-Fahrradklima-Test steigen die Teilnehmerzahlen, immer mehr Städte kommen ins Ranking. Und dennoch kommt der Ausbau der Radwegenetze kaum voran. So hart das klingt: Corona hat zwar eine Welle der Berichterstattung über das Radfahren gebracht – und enorme Umsatzsteigerungen für den Fahrradhandel. Aber reale Verbesserungen auf der Straße erleben die Radfahrenden weiterhin nicht, von ganz wenigen Lichtblicken abgesehen.

Liebe Städte und Gemeinden: Der Fahrradboom wird bleiben – wir brauchen dringend mehr Tempo beim Radnetzausbau, mehr Mut zu schnell wirksamen Lösungen und mehr Lust an der Veränderung!“
  Mit dem Förderprogramm "Stadt und Land" stehen bis 2023 rund 1,46 Mrd. Euro für den Radverkehr zur Verfügung.Foto: BMVI
Mit dem Förderprogramm "Stadt und Land" stehen bis 2023 rund 1,46 Mrd. Euro für den Radverkehr zur Verfügung.

Fahrradfreundlich(er) in kurzer Zeit

„Wie kann meine Stadt in kurzer Zeit fahrradfreundlicher werden? Das werden wir häufig gefragt. Wichtig ist natürlich ein klarer politischer Wille, das Rad stärker zu priorisieren. Dann kann es auch zügig gehen: Es gibt viele erprobte Schnellbau-Maßnahmen, um relativ unkompliziert mehr Platz und Schutz zum Radfahren schaffen.

  • Dazu gehören sogenannte Protected Bikelanes, also geschützte Radfahrstreifen, die auf Hauptstraßen eingerichtet werden. Wenn es ganz schnell gehen muss, kann man sie als Pop-up-Version vorbereiten, wie Berlin und München es letztes Jahr getan haben.
  • Aber auch Fahrradstraßen sind relativ schnell errichtet und wirkungsvoll, wenn gleichzeitig Maßnahmen gegen den Durchgangsverkehr getroffen werden.
  • Wohnstraßen können unkompliziert mit Blumenkübeln (sogenannten „Modalen Filtern“) verkehrsberuhigt werden.
  • Fahrradstellplätze sind immer ein Engpass. Mit mietbaren Fahrradboxen kann eine Stadt hier schnell Abhilfe schaffen.
  • Auch ein städtisches Leihradsystem bringt mehr Menschen aufs Rad.
  • Eine Fahrradstaffel der Polizei und eine konsequente Ahndung von Falschparkern auf Radwegen wirken Wunder.
  • Und nicht zuletzt können Anreizsysteme helfen: Fördermittel für Lastenräder oder ein Prämiensystem für geradelte Kilometer.
  • Wenn die Verkehrsverwaltung noch kein Konzept für ein zusammen-hängendes Radwegenetz hat, kann man einen ADFC-Mapathon anschieben. Da skizzieren die Radfahrerinnen und Radfahrer ihr Wunschradwegenetz selbst. Smarte Ideen gibt es genug – man muss es nur wollen!

Kommunen in der Verantwortung

Aber die Verantwortung für ein fahrradfreundliches Deutschland liegt nicht allein in den Kommunen. Bund und Länder müssen ebenfalls kräftig in die Pedale treten. Der Bund muss die Fördermittel auf hohem Niveau verstetigen und Verkehrsrecht und technischen Regelwerke grundlegend reformieren. Sie sind bisher völlig einseitig auf die Anforderungen des Autoverkehrs ausgerichtet und verhindern guten Radverkehr. Auf Länderebene brauchen wir moderne Mobilitätsgesetze wie in Berlin.

Kommunale Radwege müssen über Stadtgrenzen hinweg zu flächendeckenden Radwegenetzen zusammengebunden werden. Und die Länder müssen Treiber und Transmissionsriemen sein, um die Fördergelder des Bundes aus dem Klimapaket zügig und zielgerichtet in kommunale Qualitätsradwege umzusetzen. Hessen zeigt mit Beratungsstellen und Musterlösungen vorbildlich, wie es geht.