Deutschland wird Fahrradland

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 · 29.04.2021

Deutschland wird FahrradlandFoto: Dirk Michael Deckbar Event Consult
Deutschland wird Fahrradland

Seit 2002 wird der NRVP regelmäßig neu aufgelegt. Die neue Version sieht eine Förderung der Radinfrastruktur bis 2023 mit 1,46 Milliarden Euro vor.

Wie wird Deutschland zum Fahrradland? Mit dieser Frage beschäftigten sich rund 2.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 7. Nationalen Radverkehrskongresses (NRVK) in Hamburg. Im Zuge dessen stellte Bundesminister Andreas Scheuer der Fahrradcommunity den neuen Nationalen Radverkehrsplan 3.0 vor - die Radverkehrsstrategie des Bundes bis 2030.

„Das Rad boomt und Geld dafür ist da: Bis 2023 fördert allein das Verkehrsministerium bessere und sichere Radinfrastruktur mit der Rekordsumme von 1,46 Milliarden Euro. Jetzt müssen diese Mittel abgerufen und vor Ort eingesetzt werden.
Erstmals haben wir für den Nationalen Radverkehrsplan 3.0 auch die Bürgerinnen und Bürger befragt. So eine umfassende Strategie für ein sicheres und gutes Miteinander gab es noch nie. Ich fordere alle auf, den NRVP 3.0 mit Leben zu füllen und die Maßnahmen umzusetzen. Ich freue mich, wenn der NRVK genutzt wird, um voneinander zu lernen, sich auszutauschen, Ideen mit nach Hause zu nehmen und sie dort schnell auch anzupacken.“
  „Das Rad boomt und Geld dafür ist da", betont Bundesminister Andreas Scheuer.
„Das Rad boomt und Geld dafür ist da", betont Bundesminister Andreas Scheuer.

Der NRVP 3.0 im Detail

Der NRVP 3.0 ist die Strategie für die Radverkehrsförderung in ganz Deutschland und Leitlinie für Bund, Länder, Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft bis 2030. Die Förderung des Radverkehrs ist eine gemeinschaftliche Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Das Anliegen: mehr, besserer und sicherer Radverkehr – in der Stadt und auf dem Land.

Der NRVP 3.0 ist ein Bürgerplan: Beim Nationalen Radverkehrskongress 2019 hat Bundesminister Scheuer den Startschuss für den NRVP 3.0 gegeben und erstmals Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich in die Erarbeitung einzubringen. Ihre wichtigsten Anliegen: lückenlose Radverkehrsnetze und mehr Verkehrssicherheit. Darauf aufbauend wurden die Inhalte und Themen gemeinsam mit Vertretern von Ländern, Kommunen und Verbänden wie ADFC, VCD, ADAC, Changing Cities, Deutsche Bahn, VDV, Zweirad-Industrie-Verband e.V. und Deutsches Institut für Urbanistik diskutiert. Vergangene Woche wurde der NRVP 3.0 vom Bundeskabinett beschlossen.

Der NRVP beinhaltet konkrete Vorschläge und Handlungsempfehlungen, zum Beispiel

Förderung einer sicheren und lückenlosen Radinfrastruktur:

• Beim Neu-/ Ausbau von Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen sollen grundsätzlich begleitende Radwege eingerichtet werden.

• Bund, Länder und Kommunen finanzieren und bauen Radvorrangrouten und Radschnellverbindungen – insbesondere in allen Metropolregionen.

• Infrastruktur für Rad und Kfz werden möglichst getrennt. Für Mischverkehre soll es klare Einsatzgrenzen bezogen auf Kfz-Verkehrsstärke, Schwerverkehrsanteil und zulässiger Kfz-Geschwindigkeit geben.

• Kommunen setzen auf geschützte Radfahrstreifen (Protected Bike Lanes), sichere Knotenpunkte, Langsamfahrspuren und Fahrradstraßen, um Rad und Kfz im Straßenverkehr sicher zu trennen.

• Kommunen schaffen im öffentlichen Raum schrittweise Platz für den Radverkehr – auch durch die Umwandlung von Kfz-Stellplätzen. Das begleiten sie mit dem erforderlichen Parkraummanagement und Konzepten für den Lade- und Lieferverkehr. Kfz-Stellplätze werden in Quartiersgaragen konzentriert.

Foto: BMVI

Fahrradparkplätze:

• Der Bund erarbeitet ein Programm Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen und stattet es mit Finanzierungsmöglichkeiten aus. Er weitet mit der DB AG die Bike&Ride-Offensive zum Bau sicherer Fahrradparksysteme aus.

• Die Städte und Gemeinden schaffen Fahrradparksysteme an den Bahnhöfen und Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs.

• Bund, Länder und Kommunen bauen an allen öffentlichen Einrichtungen in ausreichender Zahl Fahrradabstellanlagen. An hoch frequentierten Orten bauen die Kommunen v.a. Fahrradparkhäuser.

• Der Bund unterstützt Wohnungsbaugesellschaften, Wohneigentümergemeinschaften, Arbeitgeber und den Einzelhandel finanziell dabei, in und an Bestandsgebäuden Fahrradparksysteme zu bauen.

• Ein Neubau muss immer auch gut zugängliche Fahrradabstellmöglichkeiten bieten. Bund und Länder passen dafür die Vorgaben in der Musterbauordnung und den Landesbauordnungen an.

Verkehrssicherheit:

• Bund, Länder und Kommunen fördern einen Kulturwandel beim Umgang zwischen den Verkehrsteilnehmenden.

• Die Einhaltung der Verkehrsregeln muss konsequent kontrolliert und Vergehen müssen geahndet werden. Die Länder unterstützen Polizei und Kommunen bei der Durchsetzung.

Förderung von Dienstfahrten:

• Die Unternehmen führen – unterstützt von Bund, Ländern und Kommunen – Mobilitätsbudgets ein und fördern so auch die Fahrradnutzung. Die Unternehmen weiten ihre Dienstradleasing-Angebote aus.

• Behörden und öffentliche Unternehmen fördern die Nutzung des Fahrrads für Dienstfahrten, schaffen Dienstradflotten an und nutzen verstärkt Lastenrad-Sharing-Angebote.

Foto: BMVI

Verwaltung, (Aus-)Bildung und Fahrradkultur:

• Der Radverkehr wird auf allen Verwaltungsebenen zur Querschnittsaufgabe. Bund, Länder und Kommunen schaffen Verwaltungsstrukturen, Personalstellen und feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Aufgaben der Radverkehrsförderung. Sie qualifizieren Führungs- und Fachkräfte kontinuierlich weiter.

• Der Bund baut eine Straßenverkehrsakademie mit einem Fortbildungsangebot auf, das sich neben dem Radverkehr auch anderen Themen einer nachhaltigen Mobilität widmet. Das Angebot richtet sich an das Personal im öffentlichen Dienst, in Planungsbüros und Beratungsunternehmen.

Verknüpfung von Verkehrsträgern:

• Der Bund setzt sich dafür ein, Fahrradmitnahmemöglichkeiten im Fernverkehr auszubauen.

• Die Länder fördern insbesondere in ländlichen Räumen Möglichkeiten zum Fahrradtransport an bzw. in Bussen.

• Die Deutsche Bahn unterstützt die Fahrradmitnahme in Zügen – auch von Spezialrädern. Dafür baut sie Bahnhöfe barrierefrei aus, insbesondere mit Rampen und Aufzügen.

Logistik und Lastenräder:

• Behörden und öffentliche Unternehmen schreiben Transportfahrten nach Möglichkeit vermehrt als Lasten-/Fahrradfahrten aus.

• Bund und Länder ändern das Baurecht wo erforderlich und fördern Mikrodepots.

• Die Kommunen erleichtern die Einrichtung von Logistikflächen im öffentlichen Raum. Sie gestalten gemeinsam mit KEP-Diensten urbane Logistikkonzepte, wie Mikrodepots oder City-Hubs.

• Der Bund und die Verbände setzen sich dafür ein, europäisch einheitliche Normen für Lastenräder zu schaffen, z. B. für Wechselcontainer, digitale Schnittstellen und Softwarelösungen.

Weiterführende Informationen zum NRVP 3.0 gibt es hier.

"Nie zuvor hat der Bund ein so großes Maßnahmenpaket erlassen." (O-Ton Video)

Zur Radverkehrsoffensive des BMVI

Der NRVP 3.0 und der Nationale Radverkehrskongress sind Teil der Radverkehrsoffensive des BMVI. Das Ziel: ein möglichst flächendeckendes Radverkehrsnetz, sichere Wege, eine Entflechtung der Verkehre und eine Vernetzung der Verkehrsträger. Dafür stehen bis 2023 Rekordmittel in Höhe von rund 1,46 Mrd. Euro zur Verfügung, die vor Ort den Radverkehr verbessern sollen, u.a.:

• Zur Unterstützung der Länder und Gemeinden bei Planung und Bau von Radschnellwegen stellt der Bund seit 2017 pro Jahr Finanzhilfen in Höhe von 25 Mio. Euro bereit. Im Rahmen des Klimapaketes wurde diese Förderung für den Zeitraum von 2021 bis 2023 auf 50 Mio. Euro jährlich verdoppelt. 29 Anträge wurden bereits bewilligt. Radschnellwege sind insbesondere für urbane Räume und Metropolregionen interessant und können eine echte Alternative insbesondere für Pendler sein.

Für innovative Modellprojekte stellt das BMVI bis 2023 insgesamt 127 Millionen Euro zur Verfügung. Damit werden zum Beispiel der fahrradfreundliche Umbau des Ballindamms in Hamburg und die Planung der Warnowbrücke in Rostock gefördert.

• Mit dem Sonderprogramm „Stadt und Land“ fördert das BMVI erstmals Infrastrukturprojekte der Länder und Kommunen für einen besseren Radverkehr vor Ort. Rund 660 Millionen Euro stehen u.a. für neue und sichere Radwege, Fahrradparkplätze oder Fahrradbrücken und Unterführungen zur Verfügung. 144 Maßnahmen wurden bereits bewilligt.

• Mit 46 Millionen Euro fördert das BMVI zudem den Ausbau und die Erweiterung des „Radnetzes Deutschland“. Das Radnetz Deutschland besteht aus dem Radweg Deutsche Einheit, dem Iron Curtain Trail und den zwölf D-Routen – ein breites Netz an Radfernwegen, die durch ganz Deutschland führen.

• Mit einem Volumen von 8,3 Millionen Euro fördert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erstmals Radverkehrs-Professuren und die Einrichtung von Masterstudiengängen Radverkehr an sieben Hochschulen. Mit den Stiftungsprofessuren sollen neue Radexperten ausgebildet werden – auch bei den dringend benötigten Verkehrsplanern.

Das BMVI hat außerdem eine fahrradfreundliche Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung vorgelegt. Darin enthalten sind z.B.: Mindestüberholabstand für Kfz, Schrittgeschwindigkeit für rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge über 3,5 t innerorts, Grünpfeil ausschließlich für Radfahrer, generelles Haltverbot auf Schutzstreifen, erleichterte Einrichtung von Fahrradzonen, Verkehrszeichen Lastenräder, Überholverbot an Engstellen.