Sicher RadfahrenTipps für eine bessere Fahrtechnik auf dem E-Bike

Anja Reiter

 · 10.03.2023

Sicher Radfahren: Tipps für eine bessere Fahrtechnik auf dem E-BikeFoto: www.pd-f.de/Luka Gorjup

Pedelecs machen Ausfahrten bequemer, schneller und abwechslungsreicher. Wir zeigen, wie Sie Ihre Fahrtechnik perfektionieren, um die Fahrt voll zu genießen.

Eine Fahrt mit dem Pedelec kann beflügeln, schließlich ist der Rückenwind immer mit dabei. Doch besagten Wind sollte man auch beherrschen können. Viele Pedelec-Einsteiger müssen sich an die Kraft des E-Motors erst gewöhnen. Die ersten Ausfahrten mit dem nigelnagelneuen E-Bike werden nicht selten zur Wackelpartie – und halten für Einsteiger und Umsteiger so manche Überraschung parat. Das höhere Gewicht, der längere Radstand und der veränderte Schwerpunkt des E-Bikes sind für viele Fahrer gewöhnungsbedürftig, genauso wie die enorme Power moderner Scheibenbremsen. Damit E-Biker sicher unterwegs sind, müssen sie an ihrer Fahrtechnik arbeiten.

Denn nur wer sein Rad gut kennt, eine saubere Fahrtechnik beherrscht und vorausschauend fährt, vermeidet Unfälle, schont den Akku und die teure Technik. Wir zeigen Ihnen die wichtigsten Tipps und Tricks zur Fahrtechnik und Verkehrssicherheit auf dem Pedelec, damit Sie künftig im Alltag und in Ihrer Freizeit das Fahrgefühl Ihres Flitzers genießen können. Also in den Sattel, fertig, los!

Aller Anfang ist langsam …

Beim Kauf Ihres E-Bikes haben Sie sich professionell beraten lassen und eine technische Einweisung erhalten. Bevor Sie sich nun in den Verkehr oder ins Gelände wagen, sollten Sie dennoch ein ausführliches Trockentraining absolvieren. „Nutzen Sie dazu am besten den leeren Kundenparkplatz eines Supermarkts oder eine absolut verkehrsberuhigte Nebenstraße“, rät Frank Neubauer von Fit4ebike, einem Pedelec-Kursanbieter in Baden-Württemberg.

„Die ersten Runden drehen Sie komplett ohne Unterstützung des E-Motors, um das Fahrrad kennenzulernen. Danach können Sie Schritt für Schritt das Anfahren mit den verschiedenen Unterstützungsstufen testen.“ Nur wer sich langsam an den Turbo-Modus herantastet, werde nicht von der Zugkraft des Motors überrascht. Danach ist Übung angesagt: Kurven fahren, einarmig fahren, Hindernisse umfahren. Auch mit den Bremsen sollte man sich vertraut machen. Einen möglichst kurzen Bremsweg erreicht man, wenn man Vorder- und Hinterradbremse gleichzeitig betätigt. Aber Achtung: Bei falscher Dosierung wird man dabei schnell aus dem Sattel geworfen. Im Idealfall überträgt die Vorderradbremse zwei Drittel der gesamten Bremskraft. „An die optimale Dosierung tastet man sich am besten durch Üben heran.“ Sie werden sehen: In brenzligen Verkehrssituationen wird sich Ihr Trockentraining bezahlt machen.

Bevor Sie sich mit Ihrem neuen E-Bike in den Verkehr stürzen, sollten Sie “Trockenübungen” machen, um ihr Bike kennenzulernen. Empfehlenswert kann auch ein Fahrtechnik-Training sein.Foto: www.pd-f.de/Luka Gorjup
Bevor Sie sich mit Ihrem neuen E-Bike in den Verkehr stürzen, sollten Sie “Trockenübungen” machen, um ihr Bike kennenzulernen. Empfehlenswert kann auch ein Fahrtechnik-Training sein.

Das Schalten gehört zur Fahrtechnik

Hand aufs Herz: Das Fahren auf dem E-Bike verleitet dazu, das Schalten der Gänge zu vergessen. Das kann auch Frank Neubauer aus seinen Pedelec-Kursen bestätigen. „80 bis 90 Prozent meiner Teilnehmer vernachlässigen das Schalten der Gänge.“ Auf dem normalen Fahrrad seien sie bei Steigungen zum Runterschalten gezwungen. „Auf dem E-Bike behelfen sie sich stattdessen mit der Motorunterstützung.“ Das Resultat: zu große Gänge, kombiniert mit zu hoher Motorunterstützung. Das ist jedoch weder knie- noch materialschonend.

Besser für Mensch und Maschine sei es, gleichmäßig rund zu pedalieren – und dazu eine möglichst niedrige Unterstützungsstufe zu wählen. Die Kunst sei es, die Harmonie zwischen Übersetzung und Unterstützungsstufe zu finden. Die perfekte Trittfrequenz ist dabei einerseits persönliche Vorliebe, andererseits hat auch jeder E-Motor einen Drehzahlbereich, in dem er effizient arbeitet. „Um die Teilnehmenden wieder für das Schalten zu sensibilisieren, fahren wir stets ein paar Runden in leicht welligem Gelände – mit ausgeschaltetem Motor. So können die Teilnehmer das Schalten üben.“

Achtung vor Selbstüberschätzung!

Der Radspaß aus Jugendzeiten ist noch in lebhafter Erinnerung, 20 oder 30 Jahre später möchte man die wilden Zweirad-Tage mithilfe des E-Motors wiederauferstehen lassen. Nach jahrelanger Fahrrad-Abstinenz überschätzen Pedelec-Einsteiger jedoch nicht selten ihre Fahrskills. Sie wählen Strecken im Gelände, die technisch zu anspruchsvoll sind, oder stürzen sich im Seniorenalter in den wuseligen Straßenverkehr, der sie mental überfordert. Um Unfälle zu vermeiden und neues Terrain zu erobern, kann ein Fahrsicherheits-Training, unter anderem für eine verbesserte Fahrtechnik, sinnvoll sein. René Kloeters, 39 Jahre alt, wohnt im Einzugsgebiet von Heilbronn. 2018 kaufte er sich sein erstes E-Trekkingbike, um mit seiner Partnerin die Weinberge in der Region zu erkunden. 2021 folgte der Kauf eines E-Mountainbikes. „Damit wollte ich mich vermehrt an Schotterwege herantasten.“

Seit einem Fahrradunfall in der Kindheit mit Gehirnerschütterung weiß Kloeters, wie wichtig Sicherheit auf dem Fahrrad ist. Unter anderem deshalb entschied er sich dazu, ein Fahrtechnik-Training für E-Mountainbiker zu besuchen. „Dort haben wir gelernt, wie man richtig auf dem Mountainbike steht und leichte Trails fährt.“ Seither fühlt sich Kloeters auch im herausfordernden Terrain sicher. Dennoch bevorzugt er Strecken, auf denen er sich wohlfühlt – und das stets mit Helm. Fahrtechnik-Kurse, etwa vom Alpenverein, dem ADFC oder auch privaten Anbietern, kann er jedem empfehlen. „Es hat richtig Spaß gemacht!“

Seit einem Fahrradunfall in der Kindheit weiß René Kloeters (39 Jahre), wie wichtig Sicherheit ist. Nach dem Kauf seines ersten E-Mountainbikes besuchte er einen Fahrtechnik-Kurs.Foto: Privat
Seit einem Fahrradunfall in der Kindheit weiß René Kloeters (39 Jahre), wie wichtig Sicherheit ist. Nach dem Kauf seines ersten E-Mountainbikes besuchte er einen Fahrtechnik-Kurs.

Bergab fahren im Gelände

Hüttenwirte und Bergretter in den Alpen können ein Lied davon singen: Rauf kommen die meisten E-Biker irgendwie. Geht ihnen die Puste aus, springt eben der Turbo-Modus ein. Aber runter? Für viele Pedelec-Fahrer liegt die Tücke im steilen Rückweg. Das hohe Gewicht des Rades führt zu schneller Beschleunigung. Wenn dann die notwendige Fahrtechnik beim Bremsen fehlt, wird es gefährlich. Wie fährt man kontrolliert über kurvige Forststraßen oder mäßig steile bis steile Schotterpisten? Pedelec-Trainer Frank Neubauer empfiehlt, abwechselnd mit der Vorder- und Hinterradbremse zu bremsen – quasi im fließenden Wechsel.

„Während ich die Vorderradbremse loslasse, übernimmt die Hinterradbremse.“ Das führe dazu, dass die Scheibenbremsen nicht so schnell überhitzen. Von einer beidseitigen, starken Bremsung, wie es auf Asphalt empfohlen wird, hält er auf sandigem oder schotterigem Untergrund wenig. „Hier besteht die Gefahr, dass ein Rad ausbricht.“ Insbesondere auf glattem oder rutschigem Untergrund sollte man die Vorderradbremse ohnehin möglichst behutsam und vorsichtig dosieren. Außerdem: Gebremst wird jeweils nur mit zwei Fingern an den Bremsen. Die restliche Hand umschließt den Lenkergriff, um die Richtung zu halten.

Frank Neubauer, Pedelec-Trainer: „Ich empfehle allen, die sich unsicher auf dem E-Bike fühlen, ein Fahrsicherheits-Training. Die technische Einweisung beim Fahrradhändler reicht in der Regel nicht aus. Ein Training ist sinnvoll, noch bevor es zu einem Unfall kommt.“

Vorausschauend durch den Straßenverkehr

Die Polizistin Jutta Möhring und die Regierungsbeschäftigte Pia Coulthard arbeiten im Bereich Verkehrsunfallprävention für die Kreispolizeibehörde Gütersloh. Für alle Altersgruppen – vom Kindergarten bis zum Seniorenalter – führen sie regelmäßig Aktionstage und Schulungen durch, um Unfälle im Straßenverkehr zu vermeiden. Seit einigen Jahren beobachten die beiden, dass immer mehr E-Biker in Verkehrsunfälle verwickelt sind, vor allem in der Altersgruppe 65+. Das liege einerseits an der steigenden Beliebtheit von Pedelecs, aber auch an der Unbedarftheit der Verkehrsteilnehmer. „In Kooperation mit den Volkshochschulen bieten wir Verkehrssicherheits-Trainings für Seniorinnen und Senioren an, die mehr Sicherheit auf dem Pedelec oder E-Bike erlangen wollen“, erzählt Pia Coulthard.

Oft werden Vorfahrtsregeln missachtet

Am häufigsten passierten Unfälle auf Kreuzungen, weil Autofahrer oder E-Biker die Vorfahrtsregeln missachten. Unfälle, die auf Fahrfehler der E-Biker zurückzuführen sind, liegen dicht dahinter an zweiter Stelle. In ihren Schulungen geben die beiden Präventionsexpertinnen wichtige Tipps für mehr Sicherheit auf dem Rad. Vieles davon ist naheliegend: sich an die Verkehrsregeln halten, nicht als Geisterfahrer auf Radwegen unterwegs sein. „Gerade Senioren empfehlen wir außerdem, ihre Seh- und Hörfähigkeit zu testen und Fitness und Motorik zu schulen.“ Einhändig fahren, Handzeichen geben, Balance halten.

Pia Coulthard (links) und Jutta Möhring (rechts) arbeiten als Verkehrssicherheitsberaterinnen im Kreis Gütersloh. Sie vermitteln, wie sich Unfälle vermeiden lassen.Foto: Polizei Gütersloh
Pia Coulthard (links) und Jutta Möhring (rechts) arbeiten als Verkehrssicherheitsberaterinnen im Kreis Gütersloh. Sie vermitteln, wie sich Unfälle vermeiden lassen.

Auch das vorausschauende Fahren sei im Straßenverkehr extrem wichtig. Wer parkende Autos am Straßenrand im Blick behält, habe höhere Chancen, einem sogenannten Dooring-Unfall zu entgehen, bei dem ein Radfahrer von einer geöffneten Autotür erfasst wird. Gerade im Kreuzungsbereich sollten E-Biker für andere Verkehrsteilnehmer mitdenken. „Autofahrer assoziieren mit dem Anblick eines Radlers häufig keine hohen Geschwindigkeiten“, warnt Jutta Möhring. Viele seien überrascht, wie schnell die Seniorin auf dem Zweirad davonflitze, sobald die Ampel auf Grün schalte. „Bei modernen Fahrrädern ist es für andere Verkehrsteilnehmer oftmals schwer zu erkennen, ob es sich um ein normales Fahrrad oder ein Pedelec handelt.“

Trainieren Sie Ihre Balance!

Besonders im Stadtverkehr gehören langsame Fahrten für E-Biker zur Tagesordnung – und werden nicht selten zur Wackelpartie. Spurtreues Fahren bei niedrigen Geschwindigkeiten lässt sich aber üben: Verringern Sie auf einem leicht abschüssigen Weg Ihre Geschwindigkeit immer mehr. Drohen Sie zu kippen, stabilisieren Sie das Rad mit einem leichten Tritt ins Pedal. Am besten gehen Sie dabei aus dem Sattel und verlagern Ihren Körperschwerpunkt Richtung Vorbau. Wer im Alltag öfter mit Gepäck unterwegs ist, sollte die Balanceübung auch mit vollgeladenen Gepäckträgertaschen oder einem Rucksack wiederholen. Sie werden sehen: Bald klappt die morgendliche Bürofahrt im Stop-and-Go-Verkehr ohne Wackeln, selbst mit Aktenordnern im Gepäck.

Jutta Möhring: “Gerade im Kreuzungsbereich sollten E-Biker für andere Verkehrsteilnehmer mitdenken. Autofahrer assoziieren mit dem Anblick eines Radlers häufig keine hohen Geschwindigkeiten.”