Essen beim Radfahren! Gut versorgt auf Radreisen

Anja Reiter

 · 12.08.2022

Essen beim Radfahren! Gut versorgt auf RadreisenFoto: www.fahrrad-abenteuer-reisen.de

Die Radreise ist geplant, die Klamotten gepackt, doch welcher Proviant soll in die Fahrradtaschen wandern? Vier Radblogger erzählen, wie sie sich unterwegs versorgen – und welche Menüs besonders viel Energie spenden. Zudem gibt Ernährungsexpertin Caroline Rauscher hilfreiche Tipps zum Thema Essen beim Radfahren.

“Auf Radreisen selbst zu kochen gehört für uns zum Gesamterlebnis dazu“, erzählt Angelika Hinteregger. „Abends vor dem Zelt, wenn man hungrig und müde von einem langen Fahrradtag ist, schmeckt es einfach am besten.“ Zum unverzichtbaren Küchen-Equipment der beiden Radblogger aus Österreich gehören Kochtöpfe, die sie auch als Aufbewahrungsboxen für Reste verwenden können, und ein Benzinkocher – denn Sprit sei überall auf der Welt unkompliziert erhältlich. Neben Reis, Nudeln und Kartoffeln landen in den Kochtöpfen der beiden auch häufig landestypische Zutaten. Manchmal fallen ihnen diese auch im wörtlichen Sinne vor die Fahrradreifen – wie etwa in China: „Während der Süßkartoffelernte haben die Bauern ihre Anhänger so voll beladen, dass ständig Süßkartoffeln von der Ladefläche fielen. Wir haben immer wieder ein paar davon vom Straßenrand aufgehoben und abends gekocht.“

Hier wird auf einer öffentlichen Feuerstelle gekocht.Foto: Saddlestories
Hier wird auf einer öffentlichen Feuerstelle gekocht.

Geheimtipp: Erdnussbutter

Wer? Angelika Hinter­egger, 31 Jahre, und Reinhard Maxbauer, 35 Jahre

Ort: Salzburg

Die beiden österreichischen Radblogger von Saddlestories.at erzählen Geschichten aus dem Fahrrad­sattel, die Lust auf die Welt machen. Vor der Coronakrise sind sie in 20 Monaten 19.200 Kilometer durch 24 Länder bis nach Malaysia geradelt. Aktuell durchqueren sie Groß­britannien mit dem Rad.

Einen Geheimtipp für ein besonders nahrhaftes, leckeres Unterwegs-Gericht haben die beiden auch: „Hundertprozentige Erdnussbutter ist nicht nur hochkalorisch, sondern schmeckt auch richtig gut zusammen mit Bananen oder auf einer Scheibe Brot. Einfach nur himmlisch!“

Mit Knoblauch, Zwiebeln, Salz und Gewürzen wird jedes Gericht zum Erfolg.Foto: Saddlestories
Mit Knoblauch, Zwiebeln, Salz und Gewürzen wird jedes Gericht zum Erfolg.

Selbstkochen? Nicht mit mir!

Wer? Thomas Neuendorf, 65 Jahre

Wo? Berlin

“Ich bin auf meinen Touren kein Selbstkocher“, erzählt Thomas Neuendorf, „ich genieße es, nach einer anstrengenden Tour bekocht zu werden.“ Für die Pause zwischendurch hat der Berliner Pensionär aber immer etwas Proviant dabei: am liebsten Nussmischungen oder Studentenfutter, notfalls, wenn die Muskeln schlappmachen, auch mal einen Energieriegel. „In Frankreich musste ich öfters auf das Zuckerzeug zurückgreifen, da auf meiner Strecke zwischen 13 und 18 Uhr praktisch alle Restaurants geschlossen hatten.“ Viel lieber als den industriellen Zucker, der zwischen den Zähnen klebt, hat er aber frisches Obst – am liebsten direkt vom Bauernhof am Straßenrand. Bei einem Nachmittags-Stopp im Eiscafé darf es dann auch mal ein Erdbeer­becher oder ein Cappuccino sein – als Belohnung für die gefahrene Strecke und als Push für die letzten Kilometer. Neuendorfs liebstes Getränk: eine Mischung aus wenig Apfelsaft mit viel Leitungswasser oder stillem Mineralwasser. „Davon lässt sich ohne Rülpser mehr wegtrinken als mit Kohlensäure.“

Lecker! Belohnung muss sein: Nach der Anstrengung gibt ein Eisbecher wieder Energie.Foto: grad60.com
Lecker! Belohnung muss sein: Nach der Anstrengung gibt ein Eisbecher wieder Energie.

Thomas Neuendorf war Pressesprecher der Polizei Berlin, heute genießt er als Pensionär das Leben. Gemeinsam mit Martin Manthee betreibt er den Blog Grad60.com – über Reisen, Sport und Genuss.

Regionale Angebote nutzen und Neues probieren

Wer? Annett, 60 Jahre, und Raimund Berens, 59 Jahre

Wo? Velbert in Nordrhein-Westfalen

Wir sind kulinarisch nicht sehr wählerisch, sondern orientieren uns immer am Angebot vor Ort“, erzählen die Fahrrad-Weltreisenden Annett und Raimund Berens. Ob Insekten in Südostasien oder Kaleh Pacheh – gekochte Schafsköpfe und -füße im Iran: Die beiden Radreisenden sind stets zu Experimenten bereit. Ansonsten setzt das Ehepaar bei größeren Radreisen auf dehydrierte Lebensmittel wie Haferflocken, Nudeln, Reis, Couscous, Quinoa und Hirse. „Diese Grundnahrungsmittel erfordern nicht viel Stauraum in den Packtaschen, sind ergiebig, relativ leichtgewichtig und lange haltbar.“ Ein weiterer Vorteil: Zur Zubereitung ist nur Wasser notwendig, das man in der Regel überall vor Ort findet. Falls das Wasser aus zweifelhaften Quellen kommt, führen sie stets einen Wasserfilter mit im Gepäck. „Ansonsten schwören wir seit 20 Jahren auf unseren Spirituskocher. Er ist sehr stand­sicher und funktioniert immer zuverlässig, ob bei Sturm und Regen oder bei frostigen Temperaturen in Höhen über 4.000 Metern.“ All die Vorbereitung hilft freilich nicht, wenn ungebetene Gäste frisch gekochte Mahlzeiten vernaschen: In ihrer Abwesenheit machten sich in Norddeutschland Bauernhof-Hunde über die Spaghetti Bolognese her. „Als wir zurückkamen, waren die Teller blitzeblank ausgeleckt.“

Proteinreich - Insekten-Salate.Foto: www.fahrrad-abenteuer-reisen.de
Proteinreich - Insekten-Salate.

Seit über 20 Jahren sind Annett und Raimund Berens mit ihren Fahrrädern in der Welt unterwegs. Von ihren Outdoor-Abenteuern berichten sie in ihrem Blog.

Annett und Raimund BerensFoto: www.fahrrad-abenteuer-reisen.de
Annett und Raimund Berens

Mittags gibt’s eine Brotzeit

Wer? André-S. Niedzielski, 70+ Jahre

Wo? Irsee/Allgäu

Im wunderschönen Allgäu unternimmt André-S. Niedzielski die meisten seiner Radtouren, in seinem deutsch-französischen Internetblog erzählt er davon. Als Doktor der Medizin und Autor des Buches „Gesunde Senioren – der Sport macht’s“ legt Niedzielski Wert auf eine gesunde Verpflegung. Um tagsüber möglichst viel Zeit auf dem Fahrrad verbringen zu können, verzichtet er zu Mittag auf ausgiebige Restaurantbesuche. Stattdessen setzt er auf eine klassische vegetarische Brotzeit, bestehend aus einem Ziegenkäse-Vollkornbrot, einem Apfel und einem Stück Schokolade. „Ziegenkäse hat einen geringeren Fettanteil als Kuhmilchkäse“, erklärt Niedzielski. Abends lässt es sich der Pensionist dann in einem Gasthaus gut gehen. „Ich bestelle vorrangig leichtes Essen, bestehend aus Suppe, Fisch, Gemüse und einem Nachtisch“, erzählt er. „Alkoholische Getränke vermeide ich, weil sich diese am nächsten Tag bemerkbar machen.“ Sein Geheimtipp für unterwegs: „Landbäckereien mit lokalen Spezialitäten, etwa saurer Käse im Allgäu oder Chäschüchli in der Schweiz.“

Foto: privat

André-S. Niedzielski ist begeisterter Alltagssportler und Radfahrer. Auf seinem deutsch-französischen Blog https://meine-velotouren.de stellt er „Radtouren eines Senioren“ vor, meistens entlang gut ausgebauter Radwege und Landstraßen.

André-S. NiedzielskiFoto: privat
André-S. Niedzielski

Proviant auf Radreisen - Was sollte ich essen?

Wie sieht eine ausgewogene Verpflegung auf Radreisen aus? Die Ernährungsexpertin Caroline Rauscher weiß, welche Lebensmittel der beste Treibstoff für lange Radtage sind.

Ernährungsexpertin Caroline RauscherFoto: privat
Ernährungsexpertin Caroline Rauscher

Mit welchen Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln bereitet man seinen Körper optimal auf eine Radreise vor?

Aus präventiv-medizinischer Sicht ist es sinnvoll, beim Arzt einige Wochen oder Monate vor der Tour ein Blutbild zu machen, um den Versorgungsstatus mit Mikronährstoffen wie z.  B. Magnesium oder Vitamin D zu checken. Hat man Defizite, kann man diese mit einem individualisierten Mikronährstoffplan ausgleichen. Sind die Etappen anspruchsvoll, sollte man in den Tagen vor dem Tourstart außerdem besonders kohlenhydratreich essen, um die Energiespeicher zu füllen: Nudeln, Kartoffeln, Reis und Hirse dürfen nun vermehrt auf dem Speiseplan stehen. Außerdem ausreichend trinken, um gut hydriert in die Tour zu starten.

Welchen Proviant braucht der Körper unterwegs bei mehrtägigen Radreisen?

Während der Belastung sind vor allem Kohlenhydrate nötig. Je intensiver die Belastung, desto leichter verdaulich sollten diese sein. Vor der Überquerung eines Alpenpasses sollte man beim Hotelfrühstück lieber zum weißen Brötchen greifen als zum Vollkornmüsli. Wer eine tiefenentspannte Etappe plant, darf vollwertiger frühstücken: Müsli, Vollkornbrot, Joghurt, Eier, Käse. Das Gleiche gilt für unterwegs: Wer locker radelt, darf sich mit einer mitgebrachten Brotzeit versorgen. Wer leistungsorientiert unterwegs ist, muss in Kauf nehmen, dass der Proviant vom Genussmittel immer mehr zum Treibstoff wird. Flüssige Kohlenhydrate – in Form von Gels oder Pulver – sind für besonders ambitionierte Radler eine Möglichkeit der Energieversorgung.

Was hilft bei der Regeneration zwischen den Etappen?

Am Ende jedes Fahrrad-Tages sollte man ein Eiweißgetränk oder ein proteinreiches Lebensmittel zu sich nehmen – zum Beispiel Kakao, Buttermilch, Milchreis oder Joghurt. Eiweiß ist wichtig für die muskuläre Regeneration. Proteine und Kohlenhydrate sollten auch beim Abendessen im Vordergrund stehen: Um die Energiespeicher zu füllen, ist abends ein schönes Pastagericht zielführender als ein Steak mit Salat. Wenn es ein mageres Fleischgericht sein soll, sollte man zusätzlich auch Kartoffeln oder Reis zu sich nehmen.

Ob Genussradler oder sportlicher Rad­reisender: Was tun, wenn der Hunger­ast kommt?

Grundsätzlich sollte man nicht warten, bis man vollkommen erschöpft vom Fahrrad fällt. Wenn man merkt, dass der Blutzuckerspiegel sinkt, sollte man frühzeitig etwas zu sich nehmen. Ein kohlenhydratreicher Müsliriegel – ohne Süßstoffe! – liefert Zucker. Auch ein Tütchen mit Dörrobst wie Datteln ist eine gute Möglichkeit. Als Notfallmittel kann man Traubenzucker zu sich nehmen. Danach sollte man aber schnell mit komplexen Kohlenhy­draten nachlegen, weil die Unterzuckerung ansonsten noch schlimmer wird.

„Während der Belastung sind vor allem Kohlenhydrate nötig. Je intensiver die Belastung, desto leichter verdaulich sollten diese sein. Vor der Überquerung eines Alpenpasses sollte man lieber nicht zum Vollkornmüsli greifen.“

Womit sollte man seinen Durst stillen?

Mit Wasser oder Saftschorlen. Beiden Getränken sollte man eine kleine Prise Salz zusetzen. Natrium hilft dem Körper dabei, Flüssigkeit und Kohlenhydrate im Darm gut aufzunehmen. Von alkoholischen Getränken unterwegs würde ich Abstand nehmen. Alkohol dehy­driert zusätzlich. Außerdem vermindert Alkohol die Reaktionsfähigkeit und die Koordination, was zu einem erhöhten Unfallrisiko führt. Auch abends ist ein Bier oder ein Glas Wein nicht optimal, weil Alkohol die Regenerationsfähigkeit des Körpers verschlechtert. Ein alkoholfreies Bier darf hingegen sein.

Wie kann ich mich unterwegs als Selbstversorger ausgewogen verpflegen?

Wer sich mit dem Campingkocher selbst versorgt, sollte auf kohlenhydratreiche Produkte setzen, die einfach zuzubereiten sind: Hirse, Pasta, Reis oder Couscous. Zum Abendessen würde ich zu Vollkorn-Varianten raten, weil die komplexen Kohlenhydrate den Blutzuckerspiegel konstanter halten. Zur Proteinversorgung sind Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen oder Erbsen empfehlenswert; anders als bei Milch- und Fleischprodukten muss man bei Hülsenfrüchten nicht auf die Kühlkette achten. Oder man bereitet sich ein Rührei mit Trockeneipulver zu.

Eisbecher, Kuchen und Schokoriegel: Wie viel Süßes darf es unterwegs sein?

Man überschätzt schnell, wie viel Energie man beim Fahrradfahren verbraucht. Wer eher übergewichtig ist und mit dem E-Bike radelt, sollte Süßigkeiten im Sinne der Gesundheit lieber weglassen oder reduzieren. Sonst hat man am Ende der Radreise mehr Gewicht auf den Hüften als davor. Wer ambitioniert viele Höhenmeter radelt, darf sich aber ruhig ein Stück Kuchen gönnen.

Wie sollte ich meine Ernährung nach der Radtour gestalten?

Nach der Tour sollte man aufpassen, dass man seine Ernährungsweise wieder an den Alltagsmodus anpasst, der meist weniger sportliche Betätigung mit sich bringt als bei der Radreise. Als Faustregel gilt: Weniger Belastung heißt weniger Kohlenhydrate und auch weniger Energie. Abends sollte man nicht wie unterwegs Nudeln und Pizza favorisieren, sondern lieber eine Eiweiß-Quelle mit Salat und Gemüse.