Angelika Urbach
· 27.04.2014
Schuld an Missempfindungen in den Zehen oder im Vorfuß sind meist falsche Schuhe oder Pedale. Ein Check-up des Materials ist der erste Schritt im Kampf gegen Kribbeln und Schmerzen in den Füßen.
Unsere Füße sind perfekte Laufwerkzeuge: Mit ihren 26 Knochen, den vielen kleinen Muskeln und ihrem robusten Bindegewebe an der Sohle dämpfen sie den Aufprall bei jedem Schritt und drücken sich gleich danach kräftig vom Boden ab. Wie eine Feder. Diese großartige Flexibilität ist beim Radfahren jedoch nicht gefragt. Auf den Pedalen müssen die Füße einen konstanten Druck aushalten. Ihre Beweglichkeit behindert sie dabei mehr als sie nützt. „Sogar Füße mit einer starken Muskulatur leiden auf langen Strecken unter der statischen Belastung“, sagt der Bad Tölzer Sportwissenschaftler Matthias Laar.
Menschen in modernen Gesellschaften büßen die Grundbelastbarkeit ihrer Füße ein, weil diese im Alltag selten (sitzende Tätigkeit) oder falsch (in engen oder hochhackigen Schuhen) genutzt werden. Die gute Nachricht: „Gerade solche schwachen Füße machen beim Radfahren deutlich weniger Probleme als beim Laufen“, betont der Orthopäde und Sportmediziner Dr. Maximilian Meichsner. Die typischen Fußbeschwerden beim Radfahren seien überdies kein Grund zu ernstlicher Sorge, so der Mediziner: „Auf lange Sicht haben sie keine nachteiligen Konsequenzen für die Gesundheit.“
Viele Radfahrer beklagen ein spezifisches Kribbeln oder Schmerzen zwischen den Zehen. „Die Ursache dafür ist eine Kompression der Plantarnerven zwischen den Köpfchen der Mittelfußknochen“, erklärt Matthias Laar. Die Lösung klingt simpel: ein Schuh, dessen Breite zum Fuß passt. Enge Schuhe drücken die knöchernen Längsstrahlen des Fußgewölbes zusammen, diese wiederum pressen die Köpfchen der Mittelfußknochen aneinander. Dadurch wird der Platz für die dazwischen verlaufenden Nerven knapp. Die Suche nach einem breiteren Schuh zahlt sich aus: Hat der Vorfuß Platz, verschwindet das Kribbeln von selbst.
Besonders auf langen Strecken knickt das Fußgewölbe unter dem ungewohnten Druck des Pedals förmlich ein. Wenn die kleinen Ballenmuskeln und Zehenbeuger ermüden, sackt das Quergewölbe in sich zusammen und der Vorfuß wird flach. „Dadurch kommt beim Treten viel Druck auf die Mittelfußköpfchen, die für diese Belastung nicht gerüstet sind“, sagt Matthias Laar. Schmerzen können Radfahrer vorbeugen, indem sie ein Fußbett bzw. Einlagen mit einer Pelotte tragen. So bezeichnen Orthopädietechniker ballenförmige Ausbuchtungen im Bereich des Mittelfußes, die das Quergewölbe von unten stützen und dadurch das Einsacken verhindern. „Eine andere Möglichkeit, das Quergewölbe zu stützen, sind Tapeverbände“, rät der Sportwissenschaftler. Den Verband kann jeder Radfahrer selbst anlegen, lesen Sie dazu die Beschreibung auf der folgenden Seite.
Radfahrer mit Problemen an der Achillessehne kennen morgendliche Anlaufschmerzen am Tag nach der Tour. „Ein vernünftiges Fußbett oder Einlagen leisten hier gute Dienste“, betont Dr. Meichsner. Sie stützen den Fuß und verhindern den „Scheibenwischer-Effekt“. Davon sprechen Ärzte, wenn die Archillessehne bei jeder Umdrehung am Fersenbein reibt. Tipp: Spezielle Einlagen für Radsportler bauen im Schuh weniger hoch auf als herkömmliche Modelle. Gute Beratung bieten fahrradkompetente Orthopädieschuhmacher. Am besten den Radschuh zur Anpassung der Einlagen mitbringen!
Klickpedal-Fahrer mit Beschwerden an den Achillessehnen oder Mittelfußköpfchen sollten ihre Cleats ein kleines Stück nach hinten versetzen, rät Matthias Laar. Radfahrer, die klassische Pedale bevorzugen, wählen Schuhe mit einer steifen Sohle, die den Druck des Pedals großflächig auf den gesamten Fuß umlenkt. Gut, wenn das Pedal eine große und rutschfeste Fläche besitzt. Flache Mountainbike-Pedale mit einer breiten Auflagefläche eignen sich gut für klassische Radtouren, z.B. das Shimano PD-MX80 mit winzigen Pins, die ein Abrutschen verhindern.
Grundsätzlich gilt: Gesunde Füße beginnen im Alltag und nicht auf dem Rad. „Umhüllt von Schuhen bleibt ein Großteil unserer differenzierten Fuß- und Wadenmuskulatur komplett ungenutzt“, mahnt Matthias Laar. Der Königsweg für die Füße bestehe darin, barfuß auf unebenem Untergrund zu laufen.
Probieren Sie’s aus: Kein Schritt gleicht dabei dem anderen, die Unebenheiten zwingen die Füße zu Ausgleichsbewegungen und fördern das Zusammenspiel von Muskeln und Drucksensoren, die tausendfach auf den Fußsohlen sitzen. Also: anhalten, absteigen, Schuhe und Socken ausziehen, und den Boden unter den Füßen fühlen. Vielleicht wird diese Erfahrung das beste Erlebnis Ihrer nächsten Tour.
Den Artikel aus Ausgabe 2/2014 in voller Länge erhalten Sie als gratis PDF-Download.