Angelika Urbach
, Alicia Zeller
· 10.01.2018
Eine schlechte Sitzhaltung erzeugt Schmerzen. Wir zeigen, wie Sie bei typischen Beschwerden unterwegs richtig reagieren – und welche Maßnahmen am Bike auf lange Sicht sinnvoll sind.
Beschwerden an Nacken und Schultern sind weit verbreitet und können vielerlei Ursachen haben. Zu den häufigsten zählen: durchgedrückte Ellbogen oder ein sehr kleiner Oberkörper-Oberarm-Winkel, die den Trapezmuskel belasten. Schuld kann auch eine nach unten geneigte Sattelnase sein, die mehr Stützarbeit von Armen und Schultern fordert.
Quick-Tipps: Hat sich der Schmerz im Nacken eingenistet, ist eine Pause angebracht. Bewegen Sie Ihren Kopf vorsichtig und lockern Sie die verspannten Muskeln.
Für die Weiterfahrt: Dämpfen Sie Erschütterungen bevor diese im Nacken ankommen. Winkeln Sie dazu die Arme bewusst leicht an und nutzen deren Federungsfunktion. Falls möglich, bringen Sie den Lenker um 1-2 cm nach oben für eine aufrechtere Sitzposition und verschieben Sie gleichzeitig den Sattel etwas nach hinten; dadurch wird der Oberkörper-Oberarm-Winkel nicht kleiner.
Tuning-Tipps: Überprüfen Sie die Breite Ihres Lenkers. Beim Tourenrad sind 63 cmein gutes Maß – die häufig empfohlene Schulterbreite gilt nur für Rennlenker! Bei zu schmalen Lenkern klappen die Schultern ein und die Leitfähigkeit der Nerven in Richtung Nacken wird eingeschränkt; zu breite Lenker strapazieren die Rückenmuskulatur auf der Höhe der Schulterblätter.
Die Anschaffung eines werkzeuglos höhenverstellbaren Vorbaus empfiehlt sich bei wiederkehrenden Beschwerden, um die Sitzhaltung bei Bedarf korrigieren zu können. Auch gefederte Sattelstützen und Federgabeln dämpfen Erschütterungen.
Je weiter sich der Oberkörper nach vorne neigt, umso mehr arbeitet der untere Rücken, um die natürliche S-Form der Wirbelsäule beizubehalten. Schwache Muskeln werden dabei überlastet. Neben einer sportlichen Sitzhaltung kann auch ein falscher Sattel Schmerzen fördern. Dieser bewirkt Fehlhaltungen des Beckens, die sich auf den Rücken übertragen.
Quick-Tipps: Gönnen Sie sich eine Radpause mit Haltungswechsel und/oder fahren Sie kürzere Abschnitte im Stehen. Falls möglich, bringen Sie den Lenker zur Weiterfahrt um 1-2 cm nach oben.
Tuning-Tipps: Checken Sie mit Hilfe des Rumpf-Kraft-Tests, ob Ihre Oberkörperneigung auf dem Rad dem aktuellen Trainingszustand Ihres Rückens entspricht. Überprüfen Sie auch die Position Ihres Sattels: Möglicherweise zeigt dessen Nase nach unten? Oder er ist zu hoch eingestellt, sodass Ihr Becken beim Pedalieren leicht nach links und rechts kippt? Können Sie diese beiden Ursachen ausschließen, passt möglicherweise die Form des Sattels nicht zur Anatomie Ihres Beckens.
Schmerzen oder Taubheitsgefühle entstehen, wenn Nerven und Blutgefäße abgedrückt werden bzw. der Anpressdruck auf Scham- oder Sitzbein zu stark ist.
Quick-Tipps: Fahren im Stehen bringt eine kurzfristige Linderung. Bei anhaltenden Beschwerden kann es helfen, die Sattelnase leicht nach unten zu neigen oder die Sattelhöhe um ein bis zwei Zentimeter zu verringern, um eine andere Druckverteilung zu erreichen.
Tuning-Tipps: Überprüfen Sie Höhe, Neigung und Passform Ihres Sattels. Serviceorientierte Radhändler halten verschiedene Modelle für Probefahrten vor. Wichtig ist dabei nicht, ob es sich um einen Damen- oder Herrensattel handelt. Vielmehr muss die Form zur individuellen Anatomie passen. Das zeigt sich während einer ausgedehnten Probefahrt.
Taubheitsgefühle oder Kribbeln in den Fingern entstehen durch das Abwinkeln des Handgelenks und/oder eine hohe Stützlast auf den Händen. Der Medianusnerv an der Unterseite des Handgelenks wird dabei eingeengt oder gequetscht.
Quick-Tipps: Umgreifen, Pause machen, mobilisieren. Beachten Sie bei der Weiterfahrt, dass Handrücken und Unterarm beim Greifen möglichst eine Linie bilden.
Tuning-Tipps: Checken Sie Ihre Sitzposition: Je aufrechter Sie sitzen, umso weniger Stützlast müssen die Hände tragen. Prüfen Sie auch, ob die Lenkerhöhe zur Höhe des Sattels passt. Hohe Lenker provozieren, dass die Schultern permanent nach oben gezogen werden. Diese Spannung wiederum kann Nerven irritieren und Fingerkribbeln verursachen.
Hilfreiche Teile: Ergonomische Flügelgriffe erleichtern die lineare Haltung des Handgelenks. Gepolsterte Handschuhe schonen den Mediannerv. Lenkerhörnchen oder Lenker zum Umgreifen ermöglichen mehrfache Wechsel der Griffpositionen unterwegs.
Eine hohe Sitzposition, ein falscher Sattel, aber auch zu schmale oder zu weiche Schuhe können die Ursache von Kribbeln und Taubheitsgefühlen in den Zehen sein.
Quick-Tipps: Machen Sie eine Pause oder fahren Sie eine Weile im Stehen, damit sich gereizte Nerven erholen.
Tuning-Tipps: Überprüfen Sie Ihre Sitzhöhe: Hohe Sitzpositionen verstärken den Druck im Bereich des Beckenbodens, was Zehenkribbeln und -schmerzen verursachen kann. Checken Sie die horizontale Ausrichtung des Sattels: Möglicherweise zeigt seine Nase nach oben? Als nächstes können Sie Ihren Sattel auf der Längsachse minimal nach hinten schieben, um eine neue Druckverteilung zu erreichen. Bisweilen ist eine breite Nase Ursache des Übels: Fahren Sie ein anderes Modell Probe.
Falls Sie Ihre Schuhe als Problemverursacher verdächtigen: Neue Treter mit genügend Platz für den Vorfuß und einer harten Sohle schonen Füße und Fußnerven. Einlagen mit Pelotten verhindern, dass das Fußgewölbe einsinkt.
Schuld an Knieschmerzen ist oft ein hoher Anpressdruck auf die Kniescheibe, der entweder durch eine verkürzte Oberschenkelmuskulatur oder durch spitze Kniewinkel beim Treten entsteht.
Quick-Tipps: Unterwegs bietet es sich an, einen Gang zurück zu schalten: Niedrige Gänge entlasten das Knie. Parallel kann es sich lohnen, den Sattel um ein paar Millimeter höher zu stellen, um den Kniewinkel beim Treten zu vergrößern.
Tuning-Tipps: Regelmäßiges Dehnen der Oberschenkelmuskulatur ist meist sinnvoller als ein Tuning am Bike! Trotzdem gilt: Wird der Sattel nach hinten verschoben, ändert sich das Knielot, sodass die Kniescheibe entlastet wird. Radfahrer, die kleiner als 1,75 m sind und unter Kniebeschwerden leiden, sollten den Umstieg auf eine 170er- bzw. 172,5er-Kurbel erwägen, um den Kniewinkel zu verbessern. Investieren Sie außerdem in eine lange Radhose: Diese verhindert, dass die Gelenke auskühlen und sich die Schmerzen verschlimmern.