Tückische SchrammenErste Hilfe bei einer Schürfwunde

Sina Horsthemke

 · 17.05.2023

Tückische Schrammen: Erste Hilfe bei einer SchürfwundeFoto: imageBROKER/Gerhard Zwerger-Schoner

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Schürfwunde am Unterarm

Glück, wenn man beim Sturz mit einer Schürfwunde davonkommt. Doch auch die kann sich entzünden. Wie Erste Hilfe richtig geht und sich Narben vermeiden lassen.

Ein bisschen Sand auf der Straße, eine Pfütze in der Kurve, ein Bremsfehler auf der Abfahrt, schon ist es passiert: Das Hinterrad rutscht weg, Sie verlieren die Kontrolle und schlittern samt Rad über den grauen Asphalt. Aua! Gut, wenn so ein Unfall nur Schürfwunden nach sich zieht. Aber auch die sind nicht zu unterschätzen. Nur optimal versorgt heilen sie ohne Komplikationen und narbenfrei ab. Meist ist nur die oberste Hautschicht abgeschürft, die sogenannte Epidermis oder Oberhaut. In der darunterliegenden Dermis, der „Lederhaut“, sind oft kleinere Blutgefäße verletzt, weshalb punktförmige Blutungen in der Wunde zu sehen sind.

Schürfwunden

Weil nach dem Abrieb der Epidermis Nervenenden in der Dermis frei liegen, brennt die Wunde schmerzhaft. Eine oberflächliche Schürfwunde nennen Hautärzte „Erosion“. Ist neben der Oberhaut auch die Lederhaut verletzt, sprechen sie von „Exkoriation“. Eine tiefe Schürfwunde mit Ablederung der Unterhaut (Subcutis) heißt in der Fachsprache „Avulsion“. Es gilt: Je härter und rauer die Oberfläche, an der die Haut bei einem Sturz entlangschleift, desto größer der Abrieb und desto tiefer die Wunde. „Nach Radstürzen sehen wir Schürfwunden vor allem an den Beinen, aber auch am Gesäß, an Armen, Ellbogen und Schultern“, sagt Sebastian Zimatschek. Der Facharzt für Anästhesiologie leitet seit 2003 das Rescue-Team der TOUR-Transalp, bei der jedes Jahr rund 1000 Teilnehmer in sieben Etappen auf dem Rennrad die Alpen überqueren. Die Rettungsmannschaft eilt Gestürzten auf Motorrädern oder mit dem Rettungswagen zu Hilfe und versorgt sie auch im Start- und Zielbereich.

„Bodycheck“ nach dem Sturz

Grundsätzlich ist ein aktueller Tetanusschutz wichtig. Zimatschek appelliert deshalb an alle Radfahrerinnen und Radfahrer, diesen zu überprüfen: „Alle zehn Jahre muss die Impfung aufgefrischt werden, sonst kann schon eine kleine Schürfwunde tödlich enden.“ Nach einem Sturz – ob beim Sport oder bei einer Genuss-Tour – sollte man zuerst an die Sicherheit denken. Zimatschek: „Oft sind Betroffene erst mal geschockt und denken nicht daran, dass es gefährlich ist, zu lange auf der Straße zu bleiben. Doch wenn es die Verletzungen zulassen, sollte man sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen.“ Jedem Gestürzten empfiehlt der Arzt dann einen kurzen „Bodycheck“, wie er das nennt: „Schürfwunden fallen zwar oft als Erstes ins Auge, aber man sollte sich die Zeit nehmen, den ganzen Körper mal kurz von oben nach unten auf Verletzungen zu prüfen und durchzubewegen: Tut es noch irgendwo weh?“

Die menschliche Haut besteht aus drei Schichten: Oberhaut, Lederhaut und Unterhaut. Bei einer oberflächlichen Schürfwunde ist lediglich die Oberhaut betroffen.Foto: Adobe Stock
Die menschliche Haut besteht aus drei Schichten: Oberhaut, Lederhaut und Unterhaut. Bei einer oberflächlichen Schürfwunde ist lediglich die Oberhaut betroffen.

Sind nur Schürfwunden vorhanden, müssen diese gereinigt werden. „Schmutz, Erde, Steinchen und Kleidungsreste sollten möglichst schnell entfernt werden“, so Zimatschek. Er empfiehlt dafür ein nicht brennendes Desinfektionsmittel* aus der Apotheke, das Radfahrer am besten zusammen mit anderen Erste-Hilfe-Utensilien bei jeder Fahrt mitführen. Notfalls funktioniere die Reinigung auch mit sauberem Wasser aus der Trinkflasche. Danach sollten Schürfwunden mit einer sterilen Kompresse abgedeckt werden, und zwar mit nicht klebenden Wundauflagen, „denn ein normales Pflaster würde mit der Wunde verkleben“.


Schon wegen einer Schürfwunde sollte man gegen Tetanus geimpft sein

Erwachsene müssen ihren Impfschutz gegen Tetanus alle zehn Jahre auffrischen.Foto: Boris Zerwann
Erwachsene müssen ihren Impfschutz gegen Tetanus alle zehn Jahre auffrischen.

Der Wundstarrkrampf wird von dem Gift des Bakteriums Clostridium tetani verursacht, dessen widerstandsfähige Sporen nahezu überall draußen vorkommen und über kleine Steinchen oder Splitter in Wunden in den Körper eindringen können. Ohne Impfung führt die Infektion zu einem schweren Krankheitsverlauf, der selbst bei intensivmedizinischer Behandlung manchmal tödlich endet. Schon Kinder sollten gegen Tetanus geimpft sein. Erwachsene müssen ihren Impfschutz alle zehn Jahre auffrischen.


Verletzte Haut braucht Ruhe

Auf einer Urlaubs- oder Freizeit-Tour, wenn die nächste größere Ortschaft womöglich weit entfernt ist, kann es schwierig mit der Organisation professioneller Hilfe sein. Und man will auch nicht wegen einer Schürfwunde gleich den Notarzt herbeirufen. Laut Zimatschek kann man ohne große Bedenken weiterfahren, wenn „nur das Knie ein bisschen aufgeschürft, gut desinfiziert und abgedeckt“ ist. Haben aber Sehnen, Muskeln oder Nerven Schaden genommen, sei es besser, nicht weiterzufahren. Und fest steht: „Ideal ist es für die Heilung nicht, wenn die verletzte Haut beim Pedalieren immer wieder bewegt wird und mit Schweiß in Kontakt gerät“, so Zimatschek.

Reinigen, desinfizieren und abdecken beugt Infektionen vor. Danach braucht die Wunde vor allem Ruhe. Und Finger weg von vermeintlichen Hausmitteln wie Mehl, Öl oder Zwiebelsaft! Die können Entzündungen sogar fördern. Anzeichen einer Infektion sind stark gerötete Wundränder, Eiter und pochende Schmerzen. „Sind bereits die umliegenden Lymphknoten geschwollen, etwa in der Leiste nach einer Knieabschürfung, dann ist es höchste Zeit, einen Arzt aufzusuchen“, warnt Zimatschek. Das Gleiche gelte, wenn Fieber dazukomme, eine Schürfwunde sehr schmerzhaft sei, stark blute oder trotz Reinigung weiter verschmutzt aussehe. Eine sehr tiefe Wunde müsse zudem eventuell genäht werden.

Das sagt Dr. Andrea Demmler, Dermatologin

Zu besonderer Aufmerksamkeit rät auch Dr. Andrea Demmler, Dermatologin mit eigener Praxis im Landkreis Main-Spessart, die als Triathletin selbst viel Zeit auf dem Rennrad verbringt: „Dass eine Wunde zu eitern beginnt oder eine Wundrose entsteht, kann sogar noch ein paar Tage nach dem Sturz passieren.“ Die Hautärztin empfiehlt, die Heilung gegebenenfalls mit einem Wundheilgel zu unterstützen und die Wunde in den ersten drei bis vier Tagen vor der Sonne zu schützen. „Das UV-Licht stört die Heilung und vergrößert das Risiko, dass Narben zurückbleiben.“ Solange eine Wunde nässt, sollten Pflaster oder Kompresse ohnehin draufbleiben. Eine trockene Wunde kommt nach ein paar Tagen ohne Pflaster aus. „Schwimmen oder Baden sollte man dann erst einmal vermeiden“, sagt Demmler – wegen der Infektionsgefahr und weil es die Heilung stört. Für die Dusche gibt es spezielle Duschpflaster.

Wie schnell eine Schürfwunde verheilt, ist laut Demmler teils genetisch bedingt, hänge aber auch von Alter und Vorerkrankungen ab. Die Reparaturmechanismen des Körpers setzen direkt nach dem Unfall ein. Für die Blutungsstillung verengen sich die Gefäße in der Wunde, um den Blutverlust gering zu halten. „Danach bildet sich eine schützende gelblich-durchsichtige Schicht auf der Wundoberfläche“, erklärt Hautärztin Demmler. „Das ist das sogenannte Fibrin. Darunter reinigen Entzündungszellen des Immunsystems die Wunde, beseitigen eingedrungene Keime und bilden Wachstumsfaktoren.“ Nach ein paar Tagen beginnen spezialisierte Zellen, die Fibroblasten, von den Seitenrändern ausgehend neue Haut aufzubauen. „Nach etwa einer Woche ist das Gröbste überstanden“, so die Triathletin, „nach zwei Wochen ist oft kaum noch etwas zu sehen.“ Zumindest, wenn nur die oberste Hautschicht abgerieben war.



Sonnenschutz bei Schürfwunde

Je tiefer eine Wunde, desto wahrscheinlicher bleibt eine Narbe zurück. Um das zu vermeiden, solle man sie mit einer Sonnencreme schützen, sagt Demmler – auch wenn die Kruste längst abgefallen ist. Sonst riskiere man neben einer unschönen Narbe rote Flecken und Pigmentunterschiede. Je nach Tiefe der Verletzung verblasse eine Narbe erst nach zehn bis 15 Jahren deutlich. Wer nicht so lange warten möchte, könne die Narbe in einer Hautarztpraxis kosmetisch behandeln lassen, je nachdem zum Beispiel mit Kortison oder Laser. Mit der Behandlung solle man allerdings nicht zu lange warten. Im besten Fall war die Schürfwunde nur oberflächlich. Und wurde danach so gut versorgt, dass schon bald nur noch die Schrammen am Rahmen zu sehen sind.


Das gehört ins Erste-Hilfe-Set

Das Erste-Hilfe-Set für die Radtour sollte die untenstehenden Dinge beinhalten.Foto: Georg Grieshaber
Das Erste-Hilfe-Set für die Radtour sollte die untenstehenden Dinge beinhalten.
  • nicht brennendes Wund-Desinfektionsmittel
  • sterile Wundkompressen
  • nicht klebende Wundauflagen
  • Rettungsdecke
  • Einmalhandschuhe
  • Notfalltelefonnummern

Eine große Auswahl an Erste-Hilfe-Sets gibt es z.B. bei Bergfreunde* oder Decathlon*.