Anja Reiter
· 14.05.2021
Für einen sportlichen Lebensstil ist vor allem eines gefragt: Durchhaltevermögen. So gelingt das Dranbleiben - trotz Stoperfallen und Motivationslöchern.
Sie wollen sich regelmäßig auf dem Hometrainer verausgaben? Sie wollen öfter das Auto stehenlassen und stattdessen mit dem E-Bike zur Arbeit fahren? So bestechend einfach diese Vorsätze klingen mögen, so schwierig ist bisweilen deren Umsetzung. Ob Regentage, eine volle Arbeitswoche oder ein grippaler Infekt: Wenn äußere Widrigkeiten oder Ablenkungen auftreten, geht die Motivation bei vielen flöten. Dabei ist Durchhaltevermögen wie ein Muskel, den man trainieren kann – mit ein paar geschickten Kniffs. Wir zeigen Ihnen, wie Sie dranbleiben, auch wenn es mal wieder mühselig wird.
Um der eigenen Faulheit ein Schnippchen zu schlagen, muss man zuallererst eines verstehen: Der Mensch ist von Natur aus faul. „Evolutionsbedingt neigt unser Körper dazu, möglichst energiesparend zu arbeiten“, erklärt die Sport-Mentaltrainerin Alexandra Albert. Der Grund liegt in unseren Genen: Unsere Steinzeit-Vorfahren bewegten sich nur, wenn es zur Nahrungsbeschaffung, Fortpflanzung oder Verteidigung unbedingt notwendig war – ansonsten gingen sie in den Energiesparmodus und ruhten sich aus. In der modernen Welt erfordern unsere Lebensumstände nur noch selten Bewegung – schließlich lauert kein Säbelzahntiger mehr vor unserer Haustür und die Jagd nach dem Abendessen endet meistens vor dem Kühlschrank. Bewegung hat freilich trotzdem viele positive Effekte auf unsere Gesundheit: Wer regelmäßig in die Pedale tritt, stärkt die Pumpfunktion des Herzens, kräftigt Muskeln und hellt seine Stimmung auf. Schon 30 Minuten Radfahren an drei bis fünf Tagen pro Woche sorgen Experten zufolge für eine deutliche Steigerung des Wohlbefindens. Wie trickst man also den inneren Steinzeitmenschen in sich aus – und wie integriert man auch nachhaltig mehr Sport in seinen Alltag? Die Mentaltrainerin Alexandra Albert rät, sich an erster Stelle mit den Motiven fürs Sporteln auseinanderzusetzen (siehe Kasten). Habe ich intrinsische Freude am Radsport oder motiviert mich vor allem der soziale Austausch in meinem Sportverein? Bin ich eher leistungsorientiert – oder verspüre ich die größte Begeisterung, wenn ich andere anleiten kann? Durch diagnostische Tests aus der Sportpsychologie könne man herauszufinden, welchem Motivationstypen man entspricht. Für Hobbysportler und Genussradler sei aber eine einfache Reflexion genauso ausreichend. Albert empfiehlt: „Schreiben Sie fünf Gründe auf, warum Sie Ihren Sport lieben!“
Das Ergebnis Ihrer Reflexion machen Sie zum Anlass, um Ihre Trainingsroutinen anzupassen. In der Praxis heißt das: Während sich leistungsorientierte Sportler am besten sowohl kleine als auch große Ziele setzen (Kilometerzahl pro Woche steigern, Teilnahme an einem Radmarathon), helfen dem sozialen Typen Verabredungen beim Überwinden des inneren Schweinehunds. Die meisten Menschen seien übrigens Mischtypen, erklärt Albert – meistens würden zwei Typen überwiegen.
Positives Denken reicht nicht
Doch seien Sie vorgewarnt: Egal welchem Motivationstypen Sie entsprechen, Alexandra Albert es werden Stolperfallen und Motivationslöcher auf Sie zukommen. „Äußere Faktoren wie Wetter und Corona-Regeln oder innere Faktoren wie Anstrengung und Schmerz erschweren das Durchhalten“, sagt Albert. „Positiv denken!“, heißt dann häufig der gut gemeinte Rat von Bekannten. Um Hürden zu überwinden, hilft positives Denken jedoch wenig. Studien der renommierten Psychologin Gabriele Oettingen von der New York University zeigen: Je positiver Testpersonen über die Erreichung eines Zieles nachdachten, desto weniger wahrscheinlicher erreichten sie es.
Die Psychologin und ihr Team machten sich auf die Suche nach den Ursachen für diesen Umstand. Bei ihren Studien beobachteten sie Folgendes: Wurden Menschen angeleitet, positiv zu denken, sank automatisch ihr Energielevel – das ließ sich etwa anhand ihres niedrigen Blutdrucks feststellen. Die Menschen entspannten sich, lehnten sich innerlich zurück und fühlten sich so, als hätten sie ihr Ziel bereits erreicht. Oettingens Schluss: Wer ausschließlich positiv in die Zukunft träumt, hat keine Energie, die Dinge dann auch wirklich umzusetzen. Oettingen entwickelte daraufhin die Methode des „mentalen Kontrastierens“, die sie auch in ihrem Buch „Die Psychologie des Gelingens“ vorstellt. Dabei stellt man einem Wunsch die realen Hindernisse gegenüber – und zwar in Form von insgesamt vier Schritten: Zunächst definiert man denjenigen Wunsch, der einem wirklich am Herzen liegt (etwa eine mehrtägige Radtour). Danach stellt man sich das bestmögliche Ergebnis lebhaft vor (eine Alpenüberquerung). Sodann geht man einen Schritt zurück und fragt sich: Was in mir hält mich davon ab, dieses Ziel zu erreichen? Hat man das Hindernis erst spezifiziert, überlegt man, was man tun kann, um es zu überwinden. Wer sich am Feierabend bislang lieber vom Fernseher berieseln ließ, statt für die Alpenüberquerung zu trainieren, stellt die gepackte Sporttasche ab sofort gleich neben das Sofa. Wer nicht gern vom Regenwetter in der Früh überrascht wird, checkt den Wetterbericht lieber am Vorabend und legt sich die Regenhose schon an die Eingangstüre. „Konkrete Wenn-Dann-Pläne können bei Verhaltensänderungen helfen“, ist sich auch Alexandra Albert sicher. Die Mentaltrainerin kennt noch viele weitere Tricks, um sich aus Motivationslöchern zu befreien – von der kleinen Belohnung nach dem Training bis zum Motivationsschub durch Musik (siehe Kasten). Am wichtigsten sei es aber, sich regelmäßig das „Warum“ klarzumachen. Nur wer wisse, warum er auch bei strömenden Regen ins Büro radelt oder dem Muskelkater im Training trotzt, erreicht am Ende auch sein Ziel: das Dranbleiben.
„Der Mensch ist von Natur aus faul. Evolutionsbedingt neigt unser Körper dazu, möglichst energiesparend zu arbeiten.“