Die MYBIKE-KörperschuleKraftübungen für Radfahrer und Radfahrerinnen

Angelika Urbach

 · 05.05.2023

Bild NaN
Foto: Daniel Simon

Kraftübungen für Radfahrer! Der Körper ambitionierter Radfahrer und Radfahrerinnen benötigt einen Ausgleich zum gleichförmigen Pedalieren. Unsere dreiteilige Serie „Körperschule“ gibt Tipps und zeigt einfache Übungen zum Nachmachen. Hier: Kraft + Kraftausgleich.

Kraftübungen für Radfahrer und Radfahrerinnen

Wer aus Leidenschaft Rad fährt, ist selten gleichzeitig ein begeisterter Kraftsportler. Denn erstens bleibt neben dem Training im Sommer wenig Zeit für weitere Sportarten, zweitens zählt die Statur eines Bodybuilders kaum zum Körperideal eingefleischter Radsportler.

Abgesehen von ästhetischen Aspekten gilt jedoch die Tatsache, dass regelmäßig durchgeführte Kräftigungsübungen Beschwerden auf dem Rad vorbeugen können. „Gerade die ambitionierten Radfahrer unter uns besitzen häufig eine einseitig entwickelte Muskulatur“, weiß Physiotherapeutin Ulrike Daubermann aus ihrer Praxis. Sie ist überzeugt, dass die meisten Betroffenen dieses Ungleichgewicht relativ leicht korrigieren können und als direkte Folge ihre Leistung auf dem Rad steigern.



Nötig sei dazu lediglich ein Kräftigungsprogramm, das auf die Bedürfnisse von Radfahren zugeschnitten ist. Für Hobbyradfahrer empfiehlt die Physiotherapeutin ein Programm, das Schwachstellen kräftigt und gleichzeitig die Antriebsmuskeln stärkt.

Die wichtigsten Muskelgruppen sind:

>> Arme und Nacken: Sie sollen für ihre ungewohnte Haltearbeit auf dem Rad gestärkt werden, damit sie auf Tour weniger schnell verspannen und schmerzen.

>> Waden und Oberschenkel: Sie lassen sich laut unserer Expertin durch Kraftübungen viel intensiver trainieren als durchs Pedalieren allein. „Die Leistungssteigerung durch gezieltes Krafttraining für die Beine wird sehr schnell spürbar“, verspricht sie. Bereits nach den drei Wochen Krafttraining könne man Steigungen leichter bezwingen als zuvor bzw. steige an steilen Bergen später ab.

>> Bauch und Rücken: Sie stabilisieren beim Sitzen auf dem Rad den Oberkörper und übernehmen einen großen Teil der Haltearbeit. Doch durchs Radfahren allein werden Bauch und Rücken nicht gekräftigt – ein Wachstum der Muskulatur lässt sich ausschließlich durch gezielte Kraftübungen erreichen.

Das Problem eines untrainierten Rückens kennen viele Radfahrer: Früher oder später verspannen die Muskeln im Rücken oder Nacken aufgrund der statischen Haltearbeit und beginnen zu schmerzen. „Die Mehrzahl der Geplagten kompensiert diesen Schmerz unbewusst durch eine unphysiologische Ausgleichsbewegung zur Seite“, sagt Ulrike Daubermann.

Das Problem: Schwindet die Kraft in Bauch und Rücken, kippt das Becken häufig nach links oder rechts und die Wirbelsäule biegt sich seitlich. Auf diese Weise geht wertvolle Energie für den Vortrieb verloren und es entstehen ungewohnte Belastungen für die Wirbelsäule und für die Muskeln des Halteapparates. Klar, dass diese Ausgleichshaltung genau so lange als scheinbar bequem empfunden wird, bis die Muskeln aufgrund der unphysiologischen Belastung erneut verkrampfen. Dann beginnt der Schmerz von Neuem.

Neben der vordergründigen Kräftigung der Muskulatur besitzt das Training weitere Vorteile, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Starke Muskeln entlasten das Herz, weil sie ökonomischer arbeiten. Als Folge steigen Puls und Blutdruck auf Tour weniger an und der Sauerstoffbedarf bleibt gering.

Kraftübungen für Radfahrer - Zwei bis drei Einheiten pro Woche

Studien zufolge soll regelmäßiges Krafttraining auch einige Parameter für die Ausdauerleistungsfähigkeit verbessern, zum Beispiel die Aufnahme von Blutzucker in die Muskulatur. So betrachtet schafft Krafttraining generell eine gute Basis für gesunden Ausdauersport – mit dem Rad und auch ohne.

Ulrike Daubermann hat Kräftigungsübungen zusammengestellt, die mit dem Eigengewicht des Körpers arbeiten. Hanteln kommen nicht zum Einsatz. Einziges Hilfsmittel ist ein gewöhnlicher Besenstiel oder ein ähnlicher Stab.

Zwei bis drei Trainingstermine pro Woche sind nötig, um einen Zuwachs an Kraft zu erzielen. Für Radfahrer mit geringem Zeitbudget gibt Ulrike Daubermann folgenden Tipp: „Nehmen Sie sich im Sommer nur einen Termin pro Woche vor.

Das reicht, um die aktuelle Form zu halten und verhindert dennoch den alterungsbedingten Abbau der Muskulatur.“ Sobald im Herbst die Tage kürzer und die Straßen rutschiger werden, lässt sich das Krafttraining steigern. Bis hin zu den für den Kraftaufbau erforderlichen drei Einheiten pro Woche.

Kraftübungen für Radfahrer - Starke Knochen

Wussten Sie, dass Krafttraining mit hohen Widerständen vor Osteoporose schützt? Der Grund: Jede Muskelkontraktion zieht am Knochen und verformt ihn minimal. Dieser Reiz genügt, um das Wachstum des Knochens anzuregen. Auf lange Sicht führt Krafttraining auf diese Weise zu festeren Knochen.

Physio-Tipp!

>> Kurze Pausen nach jedem Übungssatz geben dem Muskel die Möglichkeit, sich vor der Belastung des nächsten Satzes zu erholen.

>> Vorsicht vor Pressatmung: Sie lässt den Blutdruck steigen und schränkt die Sauerstoffzufuhr ein. Atmen Sie ruhig und fließend.

>> Nach ca. vier Wochen hat sich der Körper ans Training angepasst und benötigt neue Reize: Steigern Sie nun die Zahl der Wiederholungen, z.B. von 12 auf 15.

>> Im akuten Stadium von Verletzungen und bei entzündlichen Erkrankungen ist eine Trainingspause angesagt. Warten Sie mit der Wiederaufnahme der Übungen auf grünes Licht vom Arzt.

Kraftübungen für Radfahrer und Radfahrerinnen

Dynamische U-Halte

Ein starker Rumpf und starke Schultern halten den Rücken lange schmerzfrei. Diese Übung verleiht den Schultern und dem Latissimus ein Plus an Kraft:

Übung: Legen Sie sich mit aufgestellten Zehen und durchgestreckten Knien auf den Bauch, die Arme bilden zusammen ein großes „U“. Heben Sie Kopf, Brust und Arme leicht an und ziehen das Kinn zum Brustbein; führen Sie nun abwechselnd je einen Arm nach vorne und strecken ihn durch.

Effekt: Kräftigung von Schultern, Latissimus sowie der langen und kurzen Rückenmuskeln.

Ausführung: 3 x 10-12 Wiederholungen

Kraftübungen für Radfahrer, die dynamische U-HalteFoto: Daniel Simon
Kraftübungen für Radfahrer, die dynamische U-Halte

Liegestütze

Trainierte Brust- und Armmuskeln entlasten die Schultern und die Brustwirbelsäule bei der Haltearbeit auf dem Rad. Liegestütze sind ein Klassiker fürs effektive Training von Brust und Trizeps.

Übung: Im Vierfüßlerstand die Hände schulterbreit und auf Höhe der Brust auf dem Boden abstellen, dann die Beine nach hinten ausstrecken; Beine, Oberkörper und Kopf sollten eine gerade Linie bilden. Die Arme beugen und wieder strecken, die Köperlinie bleibt dabei gerade.

Variante: Handgelenke schonend, die Liegestütze auf den Fäusten statt auf der flachen Hand ausführen.

Effekt: Kräftigung des großen Brustmuskels und Trizeps.

Ausführung: 4 x 6-8 Wiederholungen

Kraftübung für Radfahrer, die LiegestützeFoto: Daniel Simon
Kraftübung für Radfahrer, die Liegestütze

Bauch-Käfer

Die Muskeln an Rücken und Bauch bestimmen die Stabilität des Rumpfes auf dem Rad. Unsere Käfer-Übung trainiert alle Anteile der Bauchmuskulatur, ohne gleichzeitig die Lendenwirbelsäule zu belasten.

Übung: In Rückenlage beide Beine im rechten Winkel anheben und zunächst beide Arme schulterweit geöffnet nach hinten strecken; Oberkörper, Kopf und Arme anheben. Abwechselnd die Fingerspitzen jeweils einer Hand zur Ferse des gegenüberliegenden Beines führen, dann wechseln. Tipp: Drücken Sie während der Übung den unteren Rücken fest in den Boden und ziehen Sie die Schultern weg von den Ohren.

Effekt: Die Kombination aus statischem Halten und dynamischer Bewegung trainiert die geraden und schrägen Bauchmuskeln gleichzeitig.

Ausführung: 3 x 16 Wiederholungen

Tolle Bauchkräftigungsübung, der Bauch-KäferFoto: Daniel Simon
Tolle Bauchkräftigungsübung, der Bauch-Käfer

Nackendrücken

Diese Übung kräftigt neben dem Nacken auch den Latissimus, der die Haltearbeit des Rumpfes unterstützt. Als Hilfsmittel eignet sich ein Besenstiel.

Übung: Mit geradem Rücken hinsetzen und den Oberkörper wie beim Radfahren nach vorne neigen; den Stab mit beiden Händen vor die Brust halten (Bild 1), langsam über den Kopf führen, die Arme sind in Verlängerung des Oberkörpers (Bild 2), von dort den Stab in Richtung Nacken ziehen (Bild 3), die Ellbogen wandern dabei nach hinten (Bild 4). Die Bewegung führt abwechselnd vom Nacken nach oben und zur Brust – und wieder zurück. Die Hände ziehen dabei ständig nach außen!

Effekt: Sie spüren eine Beanspruchung im Bereich von Nacken, oberer und unterer Rücken.

Ausführung: 3 x 10-12 Wiederholungen

Bild 1: Mit geradem Rücken hinsetzen und den Oberkörper wie beim Radfahren nach vorne neigen; den Stab mit beiden Händen vor die Brust halten
Foto: Daniel Simon

Kniebeuge

Wer Steigungen leichter erklimmen will und auf langen Ausfahrten ermüdungsfrei pedalieren möchte, bringt seine Oberschenkel am besten mit simplen Kniebeugen in Form.

Übung: Stehen Sie aufrecht mit leicht geöffneten Beinen, dabei den Stab locker vor der Brust halten oder auf den Schultern ablegen; beugen Sie nun die Knie und bringen das Gesäß nach hinten als wollten Sie sich auf einen wackeligen Stuhl setzen (das Gewicht lastet auf den Fersen). Dann wieder aufstehen.

>> Achtung: Ihr Knie sollte im tiefsten Punkt einen Winkel einnehmen, der entweder größer oder kleiner als 90 Grad ist. Bei exakt 90 Grad ist die Belas­tung der Kniescheibe am größten.

Effekt: Belastung der Vorder- und Rückseite der Oberschenkel.

Ausführung: 3 x 8-10 Wiederholungen

Kraftübung KniebeugeFoto: Daniel Simon
Kraftübung Kniebeuge

Wadenheben

Beim Pedalieren halten die Wadenmuskeln unsere auf Bewegung ausgerichteten Füße in einer Starrposition. Wadentraining macht die Muskeln stark für die ungewohnte Belastung.

Übung: Stellen Sie sich nur mit den Zehenspitzen auf den Rand einer Treppenstufe, beide Füße stehen eng beisammen. Ziehen Sie die Fersen so weit als möglich nach oben und senken diese anschließend so weit als möglich nach unten ab. Die Bewegung sollte in beide Richtungen sehr langsam ausgeführt werden. Zur Steigerung der Intensität können Sie die Übung auf einem Bein durchführen.

Effekt: Sie spüren eine Beanspruchung in der Wade.

Ausführung: 4 x 12 Wiederholungen.

Kraftübung für Radfahrer, WadenhebenFoto: Daniel Simon
Kraftübung für Radfahrer, Wadenheben