Stefan Frey
· 21.10.2014
Fahrrad-Handschuhe verschleißen oft schneller als eine Saison lang ist. Da greift man natürlich nur ungern zum teuren Luxus-Modell, besonders wenn günstige Radhandschuhe in Ausstattung und Funktion mithalten können. Aber können sie das wirklich?
Egal ob im Motorsport oder auf dem Golfplatz, ob beim Bogenschießen oder am Kleinkaliberschießstand: Immer wenn Präzision, Schutz oder ein sicherer Griff verlangt wird, ziehen Athleten Handschuhe über. So auch im Radsport. Radhandschuhe verbessern nicht nur den Grip am Lenker. Sie dämpfen Stöße und verhindern, dass die Hände auf langen Ausfahrten zu schnell ermüden. Im Fall eines Sturzes übernehmen sie dann auch noch die Schutzfunktion und verhindern bestenfalls schmerzhafte Schürfwunden an den sensiblen Handflächen. Für einen Top-Handschuh kann man schon mal locker fünfzig Euro beim Händler lassen. Da die Handschoner bei regem Gebrauch jedoch oft schnell verschleißen, ist so ein Kauf meist keine Investition für die Ewigkeit. Der Griff zu den preiswerteren Modellen der Hersteller ist daher verlockend. Doch können die bei Komfort und Ausstattung mit High-End-Handschuhen mithalten? Wir haben zwölf Handschuhe mit einem Preislimit von 30 Euro zum Test geladen, um genau das herauszufinden.
Um die Haltbarkeit der Test-Kandidaten zu prüfen, haben wir sie buchstäblich ins kalte Wasser geworfen. Alle Hersteller, bis auf Giro, erlauben es, die Handschuhe bei kaltem oder zumindest 30 Grad warmem Wasser in der Maschine zu waschen. Zehnmal mussten alle Modelle diese Prozedur über sich ergehen lassen, inklusive Schleudern bei 700 Umdrehungen. In der Vergangenheit haben wir bei diesem Test schon einige negative Überraschungen erlebt. Abstehende Nähte, verzogene Handflächen und halb aufgelöste Frottee-Einsätze waren keine Seltenheit. Die preiswerten Handschuhe der aktuellen Generation dagegen schlagen sich wacker. Wie nach zu vielen Achterbahn-Fahrten auf dem Rummel sind manche etwas blass, bei Chiba und Rose bilden sich kleine Knötchen am Frottee-Daumen und beim Modell von Agu lösen sich ein Paar Nähte. Doch ansonsten scheint die Maschinenwäsche heutzutage kein großes Problem mehr darzustellen. Selbst der Giro, dem man laut Hersteller eigentlich nur per Handwäsche auf die Pelle rücken sollte, zeigt sich unbeeindruckt vom Schleudergang. Die erste Hürde für eine lange, glückliche Beziehung ist genommen. Doch bei näherer Untersuchung der Verarbeitungsqualität sind uns doch noch ein paar Mängel aufgefallen. Durch das häufige An- und Ausziehen der meist stramm sitzenden Handschuhe werden die Nähte stark beansprucht. Sind sie nicht sauber getroffen, lösen sich die Maschen schnell auf. Beim Kauf sollten Sie vor allem auf die Finger-Enden einen besonders kritischen Blick werfen. Bei Agu und Pearl Izumi lösen sich bereits nach wenigen Anproben die ersten Fäden. Die Ausziehhilfe des BBB ist nur mit recht einfachen Nähten gesichert und hält den Zugkräften ebenfalls nicht lange stand. Hochwertig verarbeitet präsentieren sich dagegen die Modelle von Giro, Gore und Roeckl. Doch auch bei Endura und Specialized sitzen die Nähte, die Verarbeitung stimmt.
Einigkeit herrscht bei der Ausstattung. Alle Hersteller spendieren ihren Modellen sowohl einen Wisch-Daumen als auch eine mehr oder weniger starke Polsterung an der Handinnenfläche. In der Praxis zeigen sich jedoch auch hier Unterschiede. Während füllige Frottee-Einsätze, wie bei Agu, BBB, Chiba, Gore und Rose, zuverlässig tropfende Nasen oder die schwitzende Stirn trockenlegen, sind die Mikrofaser-Daumen der anderen Hersteller deutlich weniger saugstark. Dass weniger auch mal mehr sein kann, zeigt sich bei der Polsterung. Dicke Gel-Kissen in den Handflächen können zwar bei korrekter Platzierung taube Finger verhindern, ein Garant für hohen Tragekomfort sind sie aber nicht automatisch. Vor allem bei Chiba und Rose leidet das Griffgefühl unter der schwammigen Innenhand. Die punktuelle Polsterung des Pearl Izumi empfanden die Tester dagegen als etwas zu hart. Der Mittelweg scheint hier die beste Entscheidung zu sein. Die Polsterung bei BBB, Giro, Gore und Mavic ist dick genug, um die harten Stöße des Fahrbahnbelags zu mildern, gibt dem Fahrer aber dennoch genügend Rückmeldung und einen sicheren Griff am Lenker.
Genau wie im echten Leben zählt auch beim Handschuh-Kauf meist der erste Eindruck. Bereits bei der ersten Anprobe schwärmen unsere Tester von der perfekten Passform des Mavic. Das lange Bündchen schmiegt sich förmlich ums Handgelenk. Doch auch BBB, Giro, Roeckl und Specialized sitzen wie angegossen und bieten sehr hohen Tragekomfort. Der Tugio von Agu ist für die Testerhände etwas zu weit geschnitten. Endura, Gore und Ziener fallen dagegen eher schmal und kurz aus. Auffällig ist, dass manche Modelle unangenehm zwischen den Fingern zwicken können. Vor allem Agu und Chiba waren davon betroffen. Um diesem Problem beim Kauf auf die Schliche zu kommen, sollten Sie die Handschuhe etwas weiter über die Hände ziehen als nötig. Zwickt es zwischen den Fingern, greifen Sie lieber zu einem anderen Modell. Auch wenn uns Mavic und Giro mit viel Komfort umschmeicheln, sie haben beide ein Manko: Ihnen fehlt eine Ausziehhilfe. Damit man die verschwitzten Handschuhe nach der Ausfahrt möglichst schnell von den Händen streifen kann, lassen sich die Hersteller einiges einfallen. Verbindungsstege zwischen den einzelnen Fingern funktionieren gut, können aber während der Fahrt stören. Mit nur einer kleinen Lasche seitlich an einem Finger stülpen sich die übrigen Finger zu sehr nach innen. Die beste Lösung finden Roeckl und Specialized. Die zwei kleinen Laschen an Mittel- und Ringfinger sind stabil vernäht, damit zieht man den Handschuh zuverlässig auch von schweißnassen Händen. Und wie steht es um die Schutzwirkung? Den Test überstehen nur vier Modelle relativ unbeschadet: Chiba, Gore, Roeckl und Ziener besitzen die stabilsten Handflächen. Agu, Giro und Mavic reichen zudem weit übers Handgelenk und bieten dort zusätzlichen Schutz.
Den Test der 12 Fahrrad-Handschuhe bis 30 Euro in voller Länge erhalten Sie als PDF-Download.