Matthias Borchers
· 08.01.2023
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Gutes Sehen ist im Radsport elementar. Bei einer Sehschwäche kann unter anderem eine Sportbrille mit Sehstärke helfen. Unterschiedliche Sehhilfen im Test.
“Guten Durchblick!“, wünscht uns Carina Freytag-Hafen, als wir ihr Geschäft verlassen, Optik Marx in München-Schwabing – im Etui die von ihr Gleitsicht-verglaste Rad-Sportbrille Evil Eye Trace Pro. Eine weitere Sportbrille haben wir uns von Walter Drum bei Optik Messbacher, ebenfalls erfahrener Sportoptiker aus München, anpassen lassen: Die Flak 2.0 von Oakley in der XL-Version. Neben den Oakley-Modellen Plazma oder Radar EV eignet sich die Halbrahmenbrille mit getrennten Gläsern gut für die optische Korrektur. So viel vorweg: Schnell und preiswert angefertigt sind diese Sehhilfen nicht. Die Evil Eye kostet inklusive geschliffener Gläser 830 Euro, die Oakley-Brille schlägt mit 850 Euro zu Buche. Aber „guter Durchblick“ auf dem Fahrrad ist im entscheidenden Moment eben auch elementar wichtig, wenn es darum geht, Zahlen oder Kartenansicht auf dem Radcomputer deutlich ablesen zu können oder auf dem Radweg auch aus dem Augenwinkel zu erkennen, was ringsum passiert. Auch Carina Freytag-Hafen, Sportoptikerin in München, bestätigt das:
Auch auf dem Fahrrad bedeutet gutes Sehen Sicherheit!
Eine Sehschwäche kann den Spaß am Radfahren verleiden. Die Alltagsbrille oder Kontaktlinsen können Abhilfe schaffen, haben aber auch Nachteile. Eine günstige Sportbrille mit geschliffenem Sehbereich oder Klebelinsen kann – nur für Weitsichtige – eine individuelle Option sein. Optik-Clips korrigieren gut, häufig aber ist der Sehbereich klein und die Gläser beschlagen leicht; hinter einer nur leicht getönten Sportbrille ist zudem das Aussehen gewöhnungsbedürftig. Direktverglaste Modelle sind relativ teuer, bieten aber die besten optischen Eigenschaften, schützen gut und fallen nicht auf.
Die Alltagsbrille ist fürs Radfahren meistens keine Option. Ihre kleinen, annähernd senkrecht vor den Augen stehenden und meist nicht getönten Gläser schützen kaum vor Fahrtwind, anfliegenden Insekten und Sonne. Im Augenwinkel trifft der Blick nicht auf geschliffenes Glas, entsprechend unscharf bleibt dieser Bereich. Zudem verrutscht die Brille leicht auf schweißnasser Nase und Kopf. Mit Kontaktlinsen und Sonnenbrille kommen viele Radsportler gut zurecht – wissen aber auch, dass das System an seine Grenzen kommen kann, wenn fortwährend Schweiß in die Augen läuft oder Regen und Spritzwasser die Linsen unterspülen.
Damit der Spaß am Lieblingssport uneingeschränkt erhalten bleibt, lohnt also der Gang zum Sportoptiker. „Sogar Radfahrende Brillenträger wissen oft gar nicht, dass es auch Radbrillen in Sehstärke gibt“, wundert sich Walter Drum, selbst aktiver Rennradler. Dabei steigt der Bedarf stetig, denn in einer immer älter werdenden Gesellschaft nimmt auch die sogenannte Alterssichtigkeit (Presbyopie) zu – mit dem Effekt, dass die Augenlinse im Nahbereich nicht mehr so gut scharf stellen kann. Das merken wir spätestens dann, wenn die Arme zu kurz sind, um das Handydisplay in den Schärfebereich der Augen zu rücken.
Walter Drum, Sportoptiker in München: Die meisten Radler wissen gar nicht, dass auch bei Sportbrillen eine Direktverglasung möglich ist.
Die gute Nachricht ist, dass immer mehr Hersteller auf diese Entwicklung reagieren. Die Auswahl an Rad-Sportbrillen zur Direktverglasung wächst ebenso wie das Angebot von Modellen, an denen man zumindest Optik-Clips befestigen kann – quasi eine Brille in der Brille. Die Radbrille von Siols eignet sich besonders gut für Optik-Clips mit sehr großem Korrekturbereich. Neun Hersteller bieten laut unserer Recherche mittlerweile Direktverglasungen an (siehe unten); viele Optiker statten auch Sportbrillen anderer Marken mit geschliffenen Gläsern aus, die diese Möglichkeit selbst nicht anbieten. Qualifizierte Sportoptiker findet man über den Zentralverband der Augenoptiker (ZVA) oder über die Webseite des Kuratoriums Gutes Sehen e.V.. Und: Auch bei Brillen-Discountern wie Fielmann oder Apollo-Optik lohnt die Nachfrage.
Technisch ist die Korrektur einer Sportbrille anspruchsvoller als bei einer Alltagsbrille. „Aufgrund der leicht schräg stehenden Gläser oder Scheiben und der geneigten Kopfhaltung auf dem Fahrrad muss der Korrekturschliff entsprechend angepasst werden“, erklärt Walter Drum. Deshalb eignen sich auch nicht alle Sportbrillenmodelle und -tönungen fürs Einschleifen der Sehstärke; und selbst bei einer eigentlich geeigneten Sportbrille sind die Möglichkeiten begrenzt, mehr als sechs Dioptrien lassen sich selten realisieren. Grundsätzlich gut zur Korrektur eignen sich Brillen mit Vollrahmen und zwei getrennten Gläsern, selbsttönende Gläser und ausgesuchte Einscheiben-Modelle. Die trendigen Shield-Modelle sind schlecht geeignet für die Direktverglasung, wenn ihre Scheibe sich nicht eng genug um den Kopf schmiegt. Bei einem Gleitsichtmodell, also einem korrigierten Schliff, der scharfes Sehen im Nah- wie im Fernbereich ermöglicht, muss die Scheibe genügend groß sein für den Übergangsbereich zwischen diesen beiden Zonen.
Die Vermessung der Augen für eine Sportbrille erfordert wegen der großen Gläser und deren starker Krümmung (der Basiskurve) mehr Aufwand als bei einer Alltagsbrille. Der größte Unterschied besteht darin, dass der Korrekturschliff der auf dem Fahrrad geneigten Haltung des Kopfes angepasst sein und bis in die Augenwinkel ein scharfes Bild ermöglichen muss. Weitere wichtige Parameter sind der Pupillenabstand und die Höhe: Damit ist die Ebene gemeint, auf der die Augen in Fahrradhaltung durch die Brille schauen – was von der individuellen Passform der Brille abhängt. Bei unseren Beispielen dauerten Beratung und Vermessung jeweils eine gute Stunde, als Lieferfrist wurden fünf Werktage für die Evil Eye und zehn für die Oakley genannt. Die Gleitsichtbrille von Evil Eye wurde korrigiert für eine leichte Sehschwäche im Nahbereich zwischen +0,25 und +0,75 Dioptrien mit Zylinder –0,75. Der erste Eindruck: Die Sportbrille unterscheidet sich äußerlich nicht vom Standardmodell ohne Korrektur. Bei starker Fehlsichtigkeit erkennt man dies daran, dass die Brillengläser zum Rand sehr dick werden, weil es mehr Material braucht, um stärkere Fehlsichtigkeit zu korrigieren.
Der erste Durchblick auf der Fahrrad-Proberunde dagegen war ungewohnt. Es schien, als passten Kopf- und Augenbewegungen nicht mehr richtig zusammen. Neigte sich der Kopf mit neuer Brille in gewohnter Manier in Richtung Radcomputer, blieb das Display unscharf – die Folge „eingeschliffener“ Bewegungsmuster, von der alle Brillenträger berichten, die erstmals eine Gleitsichtbrille tragen. Man muss sich nur abgewöhnen, den Kopf zu neigen, denn nun reicht der Blick durch den unteren, korrigierten Bereich der Brille. Optikerin Freytag-Hafen hatte uns bei der Übergabe darauf hingewiesen, dass es eine gewisse Zeit brauchen werde, bis sich Augen und Gehirn ans neue Sehen gewöhnt haben. Ähnliches – mit umgekehrten Vorzeichen – berichtet Testerin Alisa Rathke über ihre ersten Erfahrungen mit der für Fernsicht korrigierten Oakley Flak 2.0. Bei ihrer Brille befindet sich der korrigierte Bereich im oberen Drittel der Gläser.
Die beiden Redaktions-Kollegen Jörg Wenzel und Jörg Spaniol haben das Herumprobieren mit Kontaktlinsen und Optik-Clips schon vor Jahren aufgegeben und in direktverglaste Radbrillen investiert. Entsprechend viel Erfahrung haben sie bereits gesammelt. Jörg Wenzels Tipp: „Bei Radsportbrillen mit Gleitsichtgläsern wird der Nahbereich oft auf 60 Zentimeter Abstand eingestellt. Für eine sportliche Sitzhaltung auf dem Fahrrad kann das aber zu viel sein. Ich komme mit dem üblichen Abstand für Gleitsichtbrillen von 30 bis 40 Zentimetern besser zurecht.“
Jörg Spaniol berichtet, dass ihn der Übergangsbereich seiner Gleitsichtbrille anfangs stark irritierte. Er empfiehlt zudem, bei der Vermessung und Beratung durch den Optiker sehr kritisch zu sein und im Zweifelsfall lieber einmal öfter nachzufragen. „An eine Brille, die nicht perfekt zum eigenen Sehvermögen passt, kann man sich nicht gewöhnen, und man sollte es auch nicht versuchen. Unter Umständen bleibt da nur der Umtausch.“
Beide Sportbrillenträger haben noch einen gemeinsamen Tipp: Für eine korrigierte Rennradbrille sollte man die Tönung nicht zu dunkel wählen; das macht sie vielseitiger nutzbar und bringt, über alle Jahreszeiten gesehen, den besseren Durchblick.
Armin Herb, MYBIKE-Redaktion: Ich trage seit mehr als 20 Jahren Radbrillen in Sehstärke. Am besten komme ich mit Brillen mit Vario-Gläsern zurecht. Diese passen sich in der Tönung dem jeweiligen Tageslicht an und sind somit auch gut rund ums Jahr verwendbar.
Wer zu den Weitsichtigen gehört, die das Computer oder Smartphone-Display nicht mehr scharf sehen, für den gibt es kostengünstige Angebote in Form von Radbrillen mit Lesezone oder flexible Linsen zum Einkleben in die eigene Sportbrille. Experten empfehlen beide Varianten als Übergangs- oder Ersatzlösung. Aufgrund der nicht optimalen optischen Güte und der nicht exakt an die individuelle Fehlsichtigkeit angepassten Korrektur, beispielsweise bei ungleicher Fehlsichtigkeit auf dem linken und rechten Auge, beurteilen sie die dauerhafte Verwendung solcher Sehhilfen mitunter kritisch.
Die Presbyopie (Alterssichtigkeit, Altersweitsichtigkeit) entsteht durch das Altern der Augenlinse. Sie macht sich etwa ab dem 45. Lebensjahr bemerkbar. Wie auch bei der eigentlichen Weitsichtigkeit, haben die Betroffenen Probleme beim Lesen in normalem Leseabstand.
Bezeichnet die Hornhautverkrümmung; diese führt zu einer anormalen Brechung von Lichtstrahlen, sodass punktförmige Gegenstände nicht als Punkt auf der Netzhaut erscheinen, sondern stabförmig und unscharf.
Die Dioptrienzahl gibt an, wie stark die Brechkraft des Auges von der Norm abweicht und wie stark Brillengläser oder Kontaktlinsen sein müssen, um die Sehschwäche zu korrigieren. Weitsichtige haben positive (+) Werte, Kurzsichtige negative (–). Ab Dioptrienwerten von +/–1,00 wird eine dauerhafte Sehhilfe empfohlen.
Bezeichnet die Krümmung der Brillengläser mit Zahlenwerten zwischen 1 und 10. Je mehr Fehlsichtigkeit eine Brille korrigieren muss, desto geringer fällt die maximal mögliche Kurve aus.
Kurzsichtige erkennen nahe Objekte oder Personen problemlos, sehen aber entfernte Gegenstände undeutlich und verschwommen. Das liegt daran, dass der Augapfel zu lang ist, die Brechkraft der Linse zu groß oder beides. Die Folge: Die einfallenden Lichtstrahlen werden nicht auf der Netzhaut gebündelt, sondern davor. Es entsteht ein unscharfes Bild.
Weitsichtige erkennen ferne Objekte oder Personen gut, sehen aber nahe Gegenstände undeutlich und verschwommen. Das liegt daran, dass der Augapfel zu kurz ist, die Brechkraft der Linse zu klein oder beides. Die Folge: Die einfallenden Lichtstrahlen werden erst hinter der Netzhaut zu einem scharfen Bild gebündelt. Vor allem junge Menschen können die Sehschwäche durch Akkommodation (Änderung der Brechkraft durch bewusste Muskelkontraktion) meist noch ausgleichen.
Der Zylinder ist ein Wert, gemessen in Dioptrien, der die Folgen des Astigmatismus ausgleicht.