Anja Reiter
· 17.12.2022
Taugt ein E-Lastenrad als Haupt-Transportmittel für eine Familie in der Stadt? Unsere MYBIKE-Dauertesterin hat das Ca Go FS200 fünf Monate lang getestet. Vor allem ihr Baby hat es lieben gelernt.
Meine Tochter und Transportmittel, das ist so eine Sache für sich. Der Kinderwagen: zum Brüllen. Der Autositz: ungeliebt. Der Buggy: nur für kurze Strecken. So kam es, dass mein Mann und ich unsere kleine Tochter Sophia in ihren ersten Lebensmonaten vor allem in einer Babytrage transportierten. Als Sophia sechs Monate alt war, wollte ich meinen Radius mit ihr endlich ein wenig erweitern: Auch mal Freunde auf der anderen Stadtseite besuchen, einen Ausflug zum Wildgehege machen, Einkäufe auf dem Markt erledigen.
Da war die Möglichkeit, das E-Lastenrad der Firma Ca Go Bike über einen längeren Zeitraum zu testen, eine glückliche Fügung. Ich erhoffte mir durch das Bike eine Erleichterung für den Alltag mit Kind: Schließlich wirbt der Hersteller aus Koblenz damit, ein besonders sicheres E-Lastenrad für den Kindertransport entwickelt zu haben. Als passionierte Fahrradfahrerin vermisste ich das Freiheitsgefühl im Sattel. Vielleicht würde das Surren des E-Motors meine Tochter auch sanft in den Schlaf wiegen? An einem strahlend sonnigen Märztag kommt das Ca Go FS200 Life Family in unser Zuhause nach Bonn. Ein schnittiger, grauer Kasten in modernem, technischem Design. Stolze 270 Zentimeter lang, mit 53 Kilogramm Leergewicht schwerer als ich.
Auf eine ausführliche technische Begutachtung folgt die erste Probefahrt. Mit viel Krafteinsatz wuchte ich das Bike nach vorne, um es vom Ständer zu bekommen. Dass beim Lenken das Vorderrad durch die Transportbox verdeckt ist, ist zunächst gewöhnungsbedürftig.
Beeindruckend ist dagegen, wie mühelos der Bosch-Cargo-Motor den Transporter schon auf den ersten Metern voran schiebt. Schnell habe ich vergessen, wie behäbig mein Fahruntersatz eigentlich ist. Durch die Seilzuglenkung hat das E-Lastenrad einen sehr kleinen Wendekreis. Mit ein bisschen Übung steuere ich das Ungetüm zielsicher durch die engen Südstadt-Gassen, selbst Wendemanöver und kleine Parklücken sind kein Problem. Nur das Ausparken bleibt für mich bis zuletzt ein Kraftakt, für den ich – je nach Enge des Standplatzes – oft mehrere Manövrierversuche benötige.
Auch abseits von Motor und Lenktechnik überzeugen die hochwertigen Einzelkomponenten des Bikes: Die stufenlose Automatiknabe wählt selbstständig die passende Übersetzung für mich aus; in welcher Frequenz ich treten möchte, kann ich auf dem Bordcomputer voreinstellen. Die Magura-Scheibenbremsen haben so viel Power, dass ich den Hausberg unbesorgt mit 40 km/h hinunterdüse. Zwar gibt die Hinterrad-Bremse schon nach 200 Kilometern ein leises Schleifgeräusch von sich, ihre Funktion beeinträchtigt das aber nicht. Auch unbeladen fährt das Ca Go FS200 stabil geradeaus. Kurzzeitig einhändig zu fahren, etwa um ein Handzeichen zu geben, ist von Anfang an sicher und ohne ungewollte Lenkreaktionen möglich. Das liegt am langen Radstand und dem niedrigen Schwerpunkt des Bikes: Die Transportlast liegt tief, und beide Akkus befinden sich in einem abschließbaren Fach unter der Transportbox.
Ohne große Umbauten können sowohl mein 1,93 Meter großer Mann als auch ich mit 1,63 Meter Größe das E-Lastenrad ohne Komforteinbußen fahren. Durch den flachen Sattelrohrwinkel vergrößert sich die Sitzlänge spürbar. So finden wir beide durch die Veränderung der Sattelhöhe eine komfortable Position – bei meinem Mann etwas sportlicher, für mich entspannter. Dank der Nut in der Sattelstütze ist der Sattel auch beim Höhenverstellen immer korrekt nach vorne gerichtet. Nur die Federhärte der Parallelogramm-Sattelstütze macht den Kompromiss nicht mit – mein Mann ist für die Feder zu schwer, ich bin zu leicht.
Das Herzstück des Rades ist die Transportbox. Diese wird von Ca Go lieber Fahrgastzelle oder Sicherheitszelle genannt. Allein diese Bezeichnungen verdeutlichen den Charakter des E-Lastenrades: Das Ca Go FS200 will kein einfaches Pedelec sein, mit dem man Lasten transportieren kann; es möchte den Personentransport auf dem Zweirad in ein neues, sicheres Zeitalter hieven. In das Design der Box hat man deshalb besonders viel Herzblut gesteckt. Die Box besteht aus sogenanntem EPP, kurz für expandiertes Polypropylen. Der weich-elastische, thermoplastische Kunststoffschaum kann bei einem Aufprall die Energie absorbieren, ähnlich einer Knautschzone. Mit 70 Zentimeter Länge, mindestens 46 Zentimeter Breite und 200 Liter Fassungsvermögen passen genau eine Eurobox oder zwei Bierkästen in die Box. Ein Wocheneinkauf – ohne Kind in der Box – ist mit dem Rad problemlos möglich. Kerngeschäft von Ca Go ist aber der Kindertransport.
„Für deine wertvollste Fracht“ – mit diesem Slogan wirbt das Unternehmen. Das ausgeklügelte Sicherheitskonzept hat auch meinen Mann und mich überzeugt. Hersteller-Crashtests haben gezeigt, dass die Box und das Gurtsystem der gefederten Kindersitze einem Aufprall standhalten. Der Sicherheitskragen, der in der Family-Plus-Version zusätzlich hinten und seitlich auf der Box montiert wird, schützt Kopf und Nacken bei größeren Kindern. Dank des Kragens sitzen sie so tief in der Box, dass ein Hinausbaumeln-Lassen der Arme nicht mehr möglich ist – dafür wird ihre passive Sicherheit erhöht.
Uli Frieß, MYBIKE-Testredakteur: „Das FS200 Life Family ist ein ausgereifter, komfortabler und anspruchsvoll ausgerüsteter Kindertransporter mit dem Fokus auf Sicherheit. Abmessungen und Gewicht schränken die Alltagstauglichkeit etwas ein.“
Weil unsere Tochter noch zu klein zum Sitzen ist, können wir sie noch nicht in einem der beiden mitgelieferten Kindersitze anschnallen. Eine Isofix-Vorrichtung ermöglicht aber das Einsetzen einer Maxicosi-Babyschale. Weil Sophia die nicht mag, entscheiden wir uns für die Weber-Schale. Auch diese Baby-Hängematte lässt sich einfach in die Box einspannen. Bei der ersten Probefahrt lugt Sophia neugierig durch die Sichtschlitze der Box und beobachtet das Geschehen auf der Straße. Weil sie aus Sicherheitsgründen gegen die Fahrtrichtung eingespannt ist, kann ich super Blickkontakt mit ihr halten. Das beruhigt sie (und mich auch!). Und tatsächlich wird Sophia nach wenigen Minuten vom Wiegen der Hängematte in Kombination mit dem surrenden E-Motor in den Schlaf geschaukelt. Nur das Abstellen des Rades – und das damit verbundene Einrasten des Ständers – lässt sie wieder erwachen.
In den nächsten Wochen und Monaten nutzen wir das Ca Go FS200 regelmäßig. Wir transportieren Pizza, Blumenerde und Eiscreme, radeln mit Sophia zu einer Hochzeit und besuchen Freunde in Köln. Das Ca Go überzeugt dabei sowohl im Stadtverkehr als auch im sportlichen Einsatz, etwa auf ruppigem Untergrund im Wald. Regelmäßig düsen wir mit Sophia durch den nahe gelegenen Kottenforst, damit sie ihr Mittagsschläfchen halten kann. Im Eco-Modus komme ich so auch zu meinem Workout. Dank der eher sportlichen Sitz- und Lenkerhaltung genieße ich die längeren Ausfahrten.
Unser Auto bleibt immer öfter stehen, auch bei schlechtem Wetter. Das aufwendig konstruierte All-Weather-Top, mit einem Befestigungssystem aus Magnet-, Klett- und Reißverschlüssen, schützt Einkäufe vor Regen und Sophia vor der Sonneneinstrahlung. Nur wenn es stürmt, versagen die Magnetverschlüsse. Bei seitlichem Wind drückt es die Plastikplane in die Box; regnet es zusätzlich, tröpfelt es auf Sophia. Zu Hause müssen wir das Ca Go auf der Straße parken. Wie vermutlich viele fahrradverliebte Städter verfügen wir nicht über den Luxus eines ausreichend großen ebenerdigen Abstellraums, in den wir unser Lastenrad hineinschieben könnten. So kommt es, dass unser neues Familienmitglied unter freiem Himmel direkt vor unserer Haustür übernachtet. Wir schützen es – so gut es geht – vor Wind und Wetter und vor möglichen Dieben: Ist der Fahrradcomputer abgezogen, lässt sich der E-Motor nicht starten; zusätzlich sichern wir es mit einem dicken Schloss. Sind wir ein paar Tage nicht zu Hause, packen wir die sogenannte Ca-Go-Bike-Garage darüber, eine Abdeckplane, wie man sie von Motorrädern kennt.
Zum Aufladen lassen sich die beiden Akkus aus dem abschließbaren Fach holen und mit ins Wohnzimmer nehmen. Überzeugend ist ihre Kapazität: Insgesamt mussten wir sie bei über 1200 Kilometern nur sechs Mal laden. Je nach Modus (von Eco bis Turbo) und Gelände konnten wir mit zwei vollständig geladenen Batterien 100 bis 280 Kilometer weit radeln.
Auch nach mehr als fünf Monaten und über 1000 gefahrenen Kilometern haben Wind und Wetter dem Ca Go nicht viel ausgemacht. Ärgerlich ist, dass sich an einer Stelle der Klettverschluss des teuren All-Weather-Tops gelöst hat. Ansonsten haben wir keine größeren Mängel zu beanstanden. Für unsere Einsatzzwecke in der Stadt löste es unser Auto prima ab. Besonderes Highlight waren die Ausflüge in die Natur, wo das Lastenrad auch auf Feld- und Waldwegen seine Offroad-Tauglichkeit unter Beweis stellte. Zurückschrecken lässt einzig und allein der Preis: Das Ca Go FS200 Life Family ist aktuell ab 8290 Euro zu haben. Wer mehr Komfort und Sicherheit will, wählt das Family-Plus-Modell (inkl. All-Weather-Top und Sicherheitskragen) ab 9350 Euro.