Uli Frieß
· 19.10.2021
An Mountainbikes erschließt sich der Sinn einer Vollfederung sofort. Macht sie auch Trekking-Pedelecs besser?
Vollgefederte Fahrwerke machen Pedelecs unvergleichlich komfortabel, verbessern die Traktion und die Kontrolle übers Rad. Voraussetzung dafür sind hochwertige Bauteile und eine intelligente Hinterbaukinematik. Darüber hinaus ist ein günstiges Verhältnis zwischen gefederter und ungefederter Masse unabdingbar für eine gute Funktion. Zur ungefederten Masse gehören im Wesentlichen Laufräder, Bremsen, Hinterradschwinge und Gepäckträger. Diese Bauteile sind quasi vor der Federung angeordnet und sollten möglichst leicht sein. Sie folgen dem Fahrbahn-Profil, während die gefederte Masse – bestehend aus Fahrer und restlichem Rahmenverbund – im Idealfall bewegungsarm auf ihrer Horizontalebene bleibt.
Grundsätzlich gilt: Je schwerer die ungefederte Masse gegenüber der gefederten ist, desto unsensibler arbeitet eine Vollfederung
Fully-Fahrer spüren das vor allem mit viel Gepäck auf dem Träger. Die zusätzliche Last kann zu ähnlichen Effekten wie bei Rädern ohne Hinterbauschwinge führen, weil das Hinterrad dem Untergrund schlechter folgen kann. Es verliert Traktion und schmiert im schlimmsten Fall weg. Dennoch profitiert ein vollgefedertes Pedelec auch mit viel Gewicht auf dem Träger. Denn das hohe Gewicht von Fahrer, Motor, Akku und restlichem Rahmenverbund ist gedämpft, die gefederten Massen bleiben im Verhältnis zu den ungefederten hoch. Sind Federung und Dämpfung richtig eingestellt, rollt das Pedelec auch mit Gepäck sicherer über Hindernisse. Rahmenfeste Gepäckträger machen das Gepäck zur gefederten Masse, sind aber rare Ausnahmen.
Generell dringen an vollgefederten Rädern Fahrbahnschläge nur marginal bis zum Sattel durch. Der Fahrer sitzt entspannter, kann runder treten und ermüdet nicht so schnell. Die Traktion verbessert sich, das Rad lässt sich effizienter kontrollieren und rollt sicherer. Doch eine Vollfederung hat nicht nur Vorteile. Die zusätzlichen Bauteile machen die Räder etwa 1 bis 1,5 Kilo schwerer, und ein vollgefedertes Pedelec ist gut 1.000 Euro teurer als ein gleichwertig ausgestattetes Rad ohne Hinterradschwinge. Damit ihre Funktion erhalten bleibt, müssen die Dämpferelemente regelmäßig gewartet sowie ein- und nachgestellt werden. Und nicht zuletzt benötigt die Kinematik der Hinterradschwinge relativ viel Platz. In kleine Rahmen, Damenrahmen und Tiefeinsteiger lässt sich eine Vollfederung oft gar nicht oder nur sehr schwer integrieren.
Pro und Contra Vollfederung:
+ sehr hoher Komfort
+ verbesserte Traktion
+ ermüdungsfreies Fahren
- teuer
- wartungsintensiv
- nicht mit allen Rahmenformen kompatibel
Fotograf, EMTB-Testredakteur
MYBIKE: Sind gefederte Hinterbauten an Crossover- und Tourenpedelecs überhaupt sinnvoll?
Fullys fahren sich spürbar komfortabler als nur mit Federgabel ausgerüstete Räder. Und weil Hinterradschwinge und Gabel beim Überrollen von Hindernissen nicht nur einfedern, sondern auch dämpfen, verbessert sich die Traktion deutlich. Gerade die schweren Pedelecs profitieren davon, sie rollen sicherer.
Kostet die Vollfederung beim Treten Energie?
Nein, ein richtig eingestelltes Dämpfersystem schwingt sich beim Treten nicht ineffizient auf. Im Gegenteil: Das System verhindert, dass Bodenunebenheiten über Laufräder, Rahmen und Sattel bis zum Fahrer durchdringen. Er sitzt ruhiger im Sattel und kann gleichmäßiger und runder treten. Deshalb ist auch eine Lockout-Funktion, die Gabel und Schwinge feststellt, bei Crossover- und Tourenpedelecs wenig sinnvoll.
Welche Nachteile hat die Vollfederung?
Die Räder sind teurer und etwas wartungsintensiver als Pedelecs ohne Hinterbauschwinge. Service-Arbeiten am Dämpfer kann man nicht selbst erledigen. Die zusätzlichen Bauteile machen die Pedelecs etwas schwerer. Bei den motorisierten Bikes fällt das aber kaum auf. Und bei kleinen Rahmen oder Rahmenformen mit tiefem Durchstieg fehlt schlicht der Bauraum für eine Vollfederung.