Jochen Donner
· 19.04.2017
Im Preisbereich zwischen 1000 und 1500 Euro passiert sehr viel. Die Leistungsdichte in diesem stark umkämpften Preissegment ist hoch. Wir haben ein Dutzend Hersteller um ihren Kandidaten der Einsteiger-Klasse zum Test gebeten.
Neues Jahr, neues Glück? Im Frühjahr platzen die Bikeshops jedes Jahr regelrecht aus allen Nähten: Die Velos des neuen Jahrgangs stehen, frisch aufpoliert, bereit, einer interessierten Kundschaft das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen. Besonders spannend ist immer, zu sehen, was sich im weiten Feld der Allrounder tut. Diese Räder stehen geradezu prototypisch für das, was man unter einem „Guten Fahrrad“ versteht: Sie sind vielseitig einsetzbar, zuverlässig und solide gebaut, für jedermann und -frau einfach zu benutzen und vermitteln, ab einem gewissen Qualitäts- und Preisniveau schon dieses süße, süchtig machende Gefühl, das man „Fahrspaß“ nennt.
Dieses Level liegt so etwa zwischen 1000 und 1500 Euro. Das gilt selbstverständlich nur allgemein gesprochen: Sicher kennt so mancher auch ein weit billigeres Rad, das ihm dieselben Kriterien erfüllt. Doch Ausnahmen gibt es immer – meist bestätigen sie nur die Regel. Diese Regel gründet sich, auch, auf unsere Recherchen: In den Katalogen und Websites jedes Fahrradherstellers finden sich ab 1000 Euro die größte Auswahl, die vielseitigsten Modelle und die attraktivsten Preis-Gegenwert-Relationen. Oft sogar die interessantesten Konzepte. Denn in diesem eng mit Wettbewerbern besetzten Umfeld möchte jeder ein Gewinner sein. Deshalb entstehen gerade hier oft recht knapp kalkulierte Räder mit überraschend hohem Qualitätsniveau.
Vor einigen Jahren galt im Einsteigersegment noch die simple Frage: „Wer schraubt für die wenigsten Taler am meisten XT ans Rad?“. Die Zeiten haben sich geändert. Heute fördern auch Fragen nach Charakter, nach Innovation, nach Originalität erfreuliche Ergebnisse zutage. Denn einerseits sind Kunden heute sehr viel besser vorinformiert durch Vergleichsmöglichkeiten und Recherchen im Netz, und verlangen deshalb mehr als ein„Passt scho!“-Rad. Andererseits müssen sich Hersteller in diesen eng vernetzten Zeiten anders als durch bloßen Preiskampf miteinander messen. Rutscht im Herbst der US-Dollar gegenüber dem Yen-Kurs ein paar Promille-Punkte, muss ein Fahrradhersteller sofort reagieren können. Möglicherweise pedalieren seine Kunden dann im Folgejahr mit einer günstigeren Shimano-Kurbel aus China statt mit einer edleren XT made in Japan. Viele Entscheidungen für die technische Ausstattung am Rad „passieren“ auf diese Weise. Die Faktoren für die Specs neuer Fahrradmodelle entstehen oft außerhalb und lassen dem Hersteller nur übrig, darauf zu reagieren, anstatt eigene Kriterien umzusetzen, die weit praxisorientierter oder sinnvoller wären. Derjenige Hersteller mit dem flexibelsten Produktmanagement überlebt am besten.
Für uns und Sie heißt das, dass mit Überraschungen immer zu rechnen ist. Das macht die Sache ja auch spannend. Die Bandbreite der Allrounder ist 2017 groß: Vom gemütlichen Freizeitpartner bis zum sportlichen Herausforderer reicht unser Testfeld, dazwischen finden sich viele Räder in allerlei Schattierungen. Ein Dutzend Kandidaten hatten wir bei der Auswahl schnell beisammen. Preislich differieren die Testräder um fast 50 Prozent: Die Tausend-Euro-Mark hat als Schwelle für das Segment günstiger Allrounder wohl nicht mehr allzulange Bestand. Die Hälfte der eingeladenen Hersteller reizt den Preisrahmen mit 1499 Euro voll aus, gerade einmal zwei schaffen es, mit dem Tausender-Limit einzusteigen. Auch beim Gewicht der Räder gibt es interessante Erkenntnisse: Selbst Räder der Einsteiger-Klasse müssen nicht schwer sein. Um die 14, 15 Kilo wiegt die Mehrheit unserer Kandidaten und lässt sich damit schön leicht und agil bewegen. Drei Ausreißer nach oben und zwei nach unten gibt es auch: Die leichtesten Räder sind natürlich interessanter. Mit 12,75 und 12,8 Kilo zeigen Kalkhoff und Drössiger, wie leicht Leichtigkeit sein kann.
Fazit: Wir haben gute Nachrichten: Zwischen ein- und eineinhalb Tausend Euro liegen Radtechnik und Vielfalt des Angebots auf gleichermaßen hohen Niveau. Die breite Auswahl an eigenständigen Radkonzepten für unterschiedlichste Vorlieben und Einsatzbereiche, Antriebe und frischen, kräftigen Rahmenfarben hat sogar uns überrascht.
Der komplette Artikel stand in Trekkingbike-Ausgabe 2/2017.