Jochen Donner
· 04.02.2022
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Räder mit Getriebenaben nehmen es nicht krumm, wenn ihre Besitzer etwas nachlässig mit ihnen umgehen. Neun Sorglos-Flitzer zwischen 1.100 und 1.500 Euro im Test
Der Zahnriemen hat gewonnen. Scrollt man durch die Websites vieler Fahrradhersteller, findet man kaum ein Rad mit Nabenschaltung ohne den pflegeleichten Riemenantrieb – ganz egal in welcher Preisklasse. Das war noch vor zwei Jahren ganz anders: Der Gates-Riemen kennzeichnete hochwertige Getriebe wie Alfine 11, Rohloff und Pinion. Es war schwer, ein riemengetriebenes Rad für weniger als 1.500 Euro aufzutreiben. Im günstigen Bereich bekam meist noch die klassische Metallkette die Kraftübertragung aufgebürdet.
In der Saison 2020 setzt sich die preisgünstige CDN-Variante des Gates-Riemens auf breiter Front durch. Im Gegensatz zum teureren CDX-Riemen aus Polyurethan, der für intensivste Belastungen entwickelt ist, zielt die einfachere CDN-Version auf moderatere Einsatzbereiche: Sie ist für Alltagsfahrer, die keine 10.000 Kilometer im Jahr zurücklegen, die preiswertere und deshalb für günstige Räder klar die bessere Wahl. Denn ein Rad mit pflegeleichtem CDN-Riemenantrieb rutscht so in die Preisregion zwischen 1.000 und 1.500 Euro. Der Riemen selbst besteht aus Polymer-Kunststoff; wie bei seinem teureren Kollegen stellen in Längsrichtung eingebettete Carbonfasern sicher, dass der Riemen absolut zugfest ist und sich nicht längt. Im Vergleich zur Kette behauptet Hersteller Gates eine zweieinhalb- bis dreifach längere Lebensdauer des CDX-Antriebs und die eineinhalb bis zweifach längere Lebensdauer für den einfacheren CDN-Antrieb. Selbst nach Verschleiß durch intensiven Gebrauch und unter hohen Pedallasten wird ein Gates-Riemen, anders als eine Fahrradkette, nicht länger. Das liegt daran, dass bei der Kette durch Reibung zwischen den einzelnen Bauteilen aus Metall zwangsläufig Abrieb entsteht, der die Passungen von Niet, Lasche und Rolle stetig vergrößert. Viele kleine ausgeleierte Kettenglieder addieren sich insgesamt zu einer Längung von leicht einmal 10 Millimetern. Doch schon wenige Zehntel-Millimeter längere Kettenglieder nagen an den Zähnen ihrer Ritzel und tragen auch dort Material ab.
Beim Riemen dagegen entsteht dank kompakten Materials keinerlei innere Reibung und somit auch kein innerer Verschleiß. Auch außen, zu den Zahnprofilen der Riemenscheiben, soll der Abrieb durch sorgfältig abgestimmte Materialeigenschaften von Riemen und Antriebsscheiben vernachlässigbar sein. Gates empfiehlt daher den Fahrradherstellern, einen neuen Antrieb per Messgerät so einzustellen, dass die Riemenspannung im oberen grünen Bereich des Zulässigen liegt. Das Einfahren während der ersten hundert Kilometer führt dazu, dass sich die Oberflächen aller Antriebs-Komponenten leicht aufrauen und aufeinander einspielen. Bei der planmäßigen Erst-Inspektion kann der Fachhändler noch einmal die Riemenspannung überprüfen. Im Idealfall sollte sie dann mittig im grünen Bereich liegen. Und sich danach niemals mehr ändern.
Doch ein Antrieb besteht nicht nur aus dem Riemen. Auch die Zahnscheiben an Kurbel und Hinterrad tragen zur Lebensdauer eines Antriebssystems bei. Hier hat sich beim CDN-System ein „Kettenblatt“ aus Komposit-Kunststoff bewährt. Da sich die Kräfte dort auf etwa die Hälfte der 46 oder 50 Zähne verteilen, bleibt der Verschleiß gering. Anders sieht das am Hinterrad aus: Anfangs montierte Gates auch dort Kunststoffscheiben, die rings um einen Träger aus Metall aufgebracht waren. Das bewährte sich jedoch nicht, weil dort weniger Zähne deutlich mehr Last abbekamen und schneller verschlissen. Deshalb bestehen aktuelle CDN-Ritzel standardmäßig aus rostfrei verzinktem Stahl. Für die maximal langlebige CDX-Version nutzt Gates gehärtetes Aluminium an der Kurbel und Edelstahl am Hinterrad.
Genau wie eine Kette muss auch der Riemen unter definierter Vorspannung laufen, damit er nicht über- oder abspringt. Dies lösen die Radhersteller an fast allen Testrädern mit verschiebbaren Achsstücken am Hinterrad. Es hat einige Modelljahre gebraucht, um hier brauchbare, kostengünstige Konstruktionen zu entwickeln. Die Spannung muss nur einmalig justiert werden, da sich der Riemen später nicht mehr längt. Sind zudem Stellschrauben am Ausfallende vorhanden, lässt sich die Riemenspannung feinfühlig und optimal einstellen und gleichzeitig das Laufrad mittig ausrichten. Auch ein Exzenter am Tretlager und klassische Ausfallenden, wie an den Rädern von Kalkhoff und Raleigh, die beide aus der Fabrik von Derby Cycles stammen, sind eine einfache und robuste Lösung. Den Exzenter sollte man alle ein, zwei Jahre ausbauen, reinigen und neu fetten, um ein Festkorrodieren zu vermeiden.
Ein wesentliches Element langlebiger, wartungsarmer Antriebe ist die Getriebenabe. Hermetisch gegen Nässe und Schmutz abgedichtet, arbeitet ihre komplizierte Mechanik unter immer gleichen, optimalen Bedingungen inklusive Schmierung. Im Testfeld dominieren die preisgünstige Nexus- und die etwas teurere Alfine-Nabe mit jeweils acht Gängen. Das Innenleben beider Modelle ist gleich, nur die Hülle der Alfine ist etwas hübscher gestaltet. Die innere Mechanik sollte alle 5.000 Kilometer oder einmal jährlich ausgebaut und in ein Ölbad getaucht werden – eine Aufgabe für den Fachhändler. Die acht Gänge sind sinnvoll abgestimmt, haben aber für sportliche Fahrer Tücken (siehe Kasten S. 49). Im T-700 der Fahrradmanufaktur schaltet, als einziger Ausreißer, eine Alfine 11, hier mit Kettenantrieb kombiniert. Die Elfgang-Nabe hat insgesamt regelmäßig gestufte Gänge, packt ihre drei zusätzlichen Gänge jedoch am oberen Ende des Spektrums drauf – wo sie nur wenige Radler wirklich brauchen. Alle Naben haben die Schwäche, dass sie nur wenige kleine Gänge für längere oder starke Steigungen bieten. Wer also täglich bergauf-bergab zu fahren hat, wird mit Shimano-Naben nicht glücklich.
Jeder Riemen-Rahmen benötigt ein Riemenschloss, um den geschlossenen Riemen einbauen zu können. Meist verwenden die Rahmenhersteller dabei eine teilbare Sitzstrebe rechts, die formschlüssig mit gestuften Verbindungsstücken verschraubt wird. So wird der Kraftfluss innerhalb der Rahmenkonstruktion kaum gestört, die Verbindung lässt sich problemlos öffnen und wieder stabil verschließen. Der Stahlrahmen des T-700 hat kein Riemenschloss und deshalb Kettenantrieb.
An Pflege reicht es aus, regelmäßig den Riemen und die Ritzel mit Wasser und Seife zu säubern und die Riemen-Nut von eingelagertem Schmutz zu befreien. Unter Umständen kann ein Riemenantrieb quietschen: Meist genügt etwas Silikonspray, um ihn wieder ruhig zu stellen. Relativ oft kann es nötig sein, die Spannung des Schaltzugs an der Stellschraube des Schaltgriffs minimal nachzujustieren. An einer Achtgang-Nabe müssen die gelben Markierungen im Referenzgang 4 (Alfine 11: Gang 6) übereinstimmen. Ist alles optimal eingestellt, lassen sich Fahrräder mit wartungsarmer Nabenschaltung ziemlich putzfaul fahren – aber immer schön knackig.
Da acht von neun Testrädern über eine Achtgang-Nabe verfügen, haben wir uns diese Modelle aus Shimanos Nexus- und Alfine-Serie genauer angesehen. Am Raleigh Nightflight berechnen wir in der Tabelle unten beispielhaft die Entfaltung für jeden Gang. Das Rad (Bereifung: Schwalbe Marathon Supreme 42-622) hat einen Umfang von 222 Zentimetern, die Primärübersetzung beträgt 50 Zähne vorne und 22 hinten. Multipliziert mit der internen Nabenübersetzung pro Gang ergibt das die Strecke, die mit einer Kurbelumdrehung im jeweiligen Gang zurückgelegt wird. Man kann gut erkennen, dass die Werte schon beim ersten Gang sehr hoch liegen: Eine 3x10-Kettenschaltung hätte hier Werte deutlich unter zwei Metern im ersten Gang – gut, wenn man längere Steigungen bewältigen muss. Die viel genutzten Gänge liegen zwischen etwa 14 und 18 Prozent auseinander. Den Unterschied spürt man als klaren Schaltschritt, aber noch so nah beieinander, dass man seine Drehzahl gut halten kann. Ein großer Sprung von 23 Prozent zwischen Gang 5 und 6 liegt mitten im stark genutzten Bereich. Das bringt den Radler aus dem Takt.
Den kompletten Test der wartumgsarmen Räder aus MYBIKE 02/2020 können Sie unter dem Artikel kostenpflichtig als PDF herunterladen.
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