Jochen Donner
· 30.06.2016
Vier „Geschwister“ bilden Pinions neue Produktfamilie. Jedes ist anders, doch zusammen erobern sie dem Getriebehersteller damit neue Spielfelder. Wir haben die ganze Rasselbande gegeneinander antreten lassen.
Ein Paukenschlag hallte durch die Fahrradwelt, als ein kleines, bis dato völlig unbekanntes Start-up-Unternehmen aus der Automobil-Metropole Stuttgart vor fünf Jahren den Fahrradmarkt aufmischte. Ein voll gekapseltes 18-Gang-Getriebe, das beim Publikum völlig neue Begierden weckte und gleich eine eigene Fahrradklasse entstehen ließ: Das Pinion-Bike steht für absolute Spitzentechnik am fast 200 Jahre alten Konzept „Fahrrad“.
Noch immer ist das Echo nicht völlig verhallt. Im Gegenteil, derzeit wird das Grollen wieder lauter. Mit vier unterschiedlichen Versionen des Tretlager-Getriebes stößt Pinion in neue Gefilde vor. Nachdem sich das P1.18 als Topmodell endgültig auf dem Markt etabliert hat, kommen seit dieser Saison drei „kleine Geschwister“ dazu. Mit veränderter Ganganzahl, -abstufung, Übersetzungsumfang, Gewicht und Preis sind die Abkömmlinge derzeit dabei, sich ihre Nischen zu erobern. Erste, wagemutige Fahrradhersteller haben passende Fahrrad-Konzepte um die drei neuen 9- und 12-Gang-Antriebe gestrickt, die jetzt in die Läden kommen. In zehn dieser Räder konnten wir die Pinion-Neuentwicklungen genau unter die Lupe nehmen und deren Sinn hinterfragen. Worin liegt hier die Innovation?
Dazu muss man wissen, dass ein Pinion-Getriebe modular konstruiert ist: Es besteht aus 3er-Teilgetrieben, die miteinander gekoppelt sind. Mit geringem Aufwand lassen sich so aus dem P1.18 Ableitungen mit geringerer Ganganzahl bauen, solange man dabei innerhalb der 3er-Logik bleibt. Die jüngsten Modellvarianten sind also bereits in der Grundkonstruktion angelegt und ermöglichen der jungen Firma den logischen Schritt, ihre Modellpalette auszubauen und in neue Marktbereiche vorzudringen. „Wir ereichen mit den kleineren Getrieben andere Fahrrad-Klassen“, erläutert Mit-Gründer Christoph Lermen. „In einem City-Bike sind 18 Gänge einfach nicht sinnvoll.“ Er lässt keine Zweifel daran, worauf die Marke Pinion zielt: „Auch mit den neuen Getrieben möchten wir dort an die Spitze: Ein Pinion-Bike wird immer das Topmodell sein.“ Von Fahrradherstellern hören wir bisher nur Gutes. „Das P1.12 kommt bei uns am besten an“, freut sich Boris Schreiner von Maxx. „Es ist der ideale Antrieb für Pendler und Vielfahrer, denen sinnvolle Gangauswahl, Wartungsarmut und gute Gewichtsverteilung wichtig sind.“ Ähnlich sieht das auch Biagio Colletto, Hilite Bikes: „Wir sind ganz glücklich mit den neuen 9- und 12-Gang-Pinions. Die Getriebe sind prima abgestuft und damit können wir deutlich leichtere und günstigere Räder bauen.“
Der Familienzuwachs im einzelnen: Das Pinion-Getriebe P1.9 CR hat die schmalste Übersetzungsbandreite, ist dafür aber in etwa so eng gestuft wie die P1.12. Damit eignet sich die „Compact Ratio“-Version vorwiegend für flache Topographien und mittlere bis kurze Strecken: Das Berliner Citybike Schindelhauer Wilhelm IX illustriert dies beispielhaft. Die zweite 9er-Variante nennt sich XR (Extended Ratio): Sie erreicht in der Bandbreite fast die P1.12, die einzelnen Gänge springen jedoch in großen Schritten von 24 Prozent. Damit ist sie eher für trainierte Fahrer interessant, die kraftvoll unterwegs sind. Sie deckt City-Einsatz wie mittlere Touren ab, aber auch den Offroad-Bereich, wie die MTB-Modelle einiger Hersteller belegen. Der reduzierte Cityflitzer von Tout Terrain und das vielseitig aufbaufähige MTB von Quantor tummeln sich auf diesen Spielwiesen. Daneben findet man beide 9-Gänger vermehrt in E-Bikes, wo sie den elektrischen Antrieb effizient mit dem menschlichen verkoppeln.
Eigentlicher Star beim Familientreffen ist jedoch das P1.12-Getriebe: Ein Dutzend Gänge bewältigt satte 600 Prozent Gesamtübersetzung – fast so viel wie das 18er. Die Abstufung liegt mit 17,7 Prozent in einem biomechanisch ähnlich idealen Bereich wie Rohloffs Speedhub mit 14 Prozent: Jeder Gang ist deutlich vom vorigen zu unterscheiden, dennoch bleibt der Radler gut im Flow und kann seine Trittfrequenz in 90 Prozent aller Fälle ideal umsetzen. Damit eignet es sich ohne nennenswerte Einschränkungen für sämtliche Alltags- und Tourenstrecken, sofern man nicht wirklich lange Steigungen zu bewältigen oder schweres Gepäck zu befördern hat. Das P1.12 erspart etwa 350 Gramm Gewicht zur großen Schwester und, die Preisgestaltung handhabt jeder Hersteller unterschiedlich, rund 200 Euro beim Komplettpreis. Sein Aufpreis zu den 9-Gängern liegt etwa bei 220 bis 300 Euro.
Für intensive Touren und Radreisen bleibt das P1.18 Pinion-Getriebe unangefochtenes Familienoberhaupt. Dank der maximalen Bandbreite von 636 Prozent und fein gestuften 11,5-prozentigen Gangsprüngen hat man hier genügend Gänge für alle Fälle. Damit behauptet sich das Top-Getriebe mühe- und alternativlos an der Spitze der Fahrradantriebstechnik.
Fazit:
Pinion weitet mit jetzt vier unterschiedlich ausgelegten Getriebevarianten die möglichen Anwendungsbereiche erheblich aus.
Die eng gestufte 1.9 CR ist in städtischem Umfeld und in flachem Terrain zu Hause. Die breiter gestufte 1.9 XR fühlt sich ebenfalls im Nahverkehr, doch auch bei sportlichen Ausflügen wohl. Die P1.12 ist das eigentliche Wunderkind: Sie kann alles, solange man extreme Steigungen und/oder Zuladung vermeidet. Dafür verkörpert die P1.18 mit jeder Menge Gänge die Spitze des Machbaren.
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