Jochen Donner
· 01.09.2021
Manchmal ist Radfahren wie Fliegen: Es läuft wie von selbst – mühelos und flott. Wir testen fünf Tourenräder unter 14 Kilo auf ihr Touren- und Alltagspotenzial.
Leichte Räder machen mehr Spaß. Ein leichtes Bike fährt sich dynamischer, reagiert sensibler und lässt sich mit geringerem Kraftaufwand beherrschen. Es beschleunigt agiler, bremst und rollt effizienter, je weniger Masse im Spiel ist. Auch auf der Kellertreppe, beim Rangieren am Abstellplatz oder beim Verladen in Bahn oder Auto freut man sich über jedes Kilo weniger am Tourenrad. Geht es häufig bergauf, kommt geringeres Gewicht umso deutlicher zum Tragen. Dass ein Kilo weniger an steilen Bergen tatsächlich nur etwa ein Prozent schneller macht, widerspricht dabei der gefühlten Wahrheit...
Das Fahrrad ist von Haus aus eine Leichtbau-Konstruktion. Dafür stehen beispielsweise der Rohrrahmen oder Speichen-Laufräder. Dass dabei die Stabilität nicht auf der Strecke bleiben darf, ist klar. Die Steifigkeit von Rahmen, Gabel und allen beteiligten Komponenten darf ein gesundes Maß nicht unterschreiten. Seitliches Flattern an Lenkkopf oder Gepäckträger beeinträchtigt nicht nur das Fahrvergnügen, sondern auch die Sicherheit. Denn gerade in kritischen Fahrsituationen entscheidet stabileres Fahrverhalten oft haarscharf über Wohl und Wehe. Erfreulicherweise liegen in dieser Hinsicht alle fünf Tourenräder im Test auf unproblematischem, hohem Sicherheitsniveau.
Unser Testfeld leichter Tourenräder ist dieses Mal jedoch nicht so leicht zustande gekommen wie in den Vorjahren. Die Einschränkungen und zusätzlichen Belastungen, denen die gesamte Fahrradbranche ausgesetzt war und ist, schlagen durch auf Innovationskraft, Modellvielfalt, Materialverfügbarkeit und Preisgefüge. Einige leichte Tourenbike Modelle der Vorjahre sind aufgrund von Lieferverzögerungen derzeit nicht erhältlich – andere wurden gar ganz eingestellt. Die Manpower vieler Hersteller wird derzeit eher auf margenträchtigere E-Bikes sowie auf die Aufrechterhaltung von Lieferketten konzentriert; Modellentwicklung und -pflege von Nicht-E-Fahrrädern lahmen gerade etwas. Deshalb begnügen wir uns für dieses Mal mit nur fünf Testkandidaten.
Unsere Definition eines leichten Tourenrades lautet: Ein alltagstauglich ausgestattetes Fahrrad, möglichst universell auch auf Strecken über 25 Kilometer und mit Gepäck bis etwa zwölf Kilo einsetzbar, das in keinem Terrain überfordert ist. Sein Gesamtgewicht (ohne Pedale) sollte unter 14 Kilo liegen, der Preis pendelt um etwa 2.000 Euro. Das entspricht auch den Anforderungen, die ein Großteil engagierter Radler und Radlerinnen an das Material stellt: Sie nutzen ihr Rad vorwiegend intensiv im Alltag, etwa für die Fahrt von und zur Arbeit. Doch an Wochenenden oder im Urlaub soll dasselbe Tourenbike auch mit dem Gepäck für eine Mehrtagestour auf fahrrad-geeigneten Straßen und Wegen zurechtkommen. Für diese Ansprüche ist die Zielgruppe bereit, Geld in die Hand zu nehmen, wenn Qualität, Gegenwert und Fahrspaß stimmen.
Ein solches Rad muss sich in erster Linie angenehm „besitzen“ lassen, Geometrie und Ergonomie spielen eine große Rolle. Die Testbikes liegen auch dabei eng beieinander: Alle fünf bringen ihre Nutzer in eine ausgewogene, entspannt-sportliche Sitzhaltung, die vorteilhafte Aerodynamik, biomechanisch günstigen Kraftumsatz und gute Übersicht im Verkehrsgeschehen unter einen Hut bringt. Bei den Schaltungen kristallisierte sich heraus, dass für unterschiedlichstes Tourenterrain die 3x10-Kettenschaltung von Shimano an Contoura und Drössiger das Optimum darstellt, dank maßvoller Ritzelabstufung und großem Übersetzungsbereich – je nach Kassette sind es zwischen 537 und 604 Prozent. Ob mit oder ohne Zuladung auf ebener oder bergiger Strecke, Asphalt oder Naturwegen: Damit kommt man als trainierter Radler immer gut durch.
Die 2x11-Version am Preisbrecher Cube folgt mit 474 Prozent, die 1x12-Schaltung am Specialized mit 464, aber größeren Sprüngen zwischen den Gängen. So findet man sich bei Gegenwind oder in Steigungen gelegentlich im falschen Gang wieder. Doch auch die Alfine 11 am Stevens kann bei mäßigem Höhenprofil dank ihrer kultivierten Abstimmung überzeugen. Die Nabenschaltung mit pflegeleichtem Riemenantrieb bietet knappe 408 Prozent Übersetzungsumfang. Alle Tourenräder nutzen aus Gewichtsgründen Starrgabeln. Egal, ob diese aus Carbon oder Alu bestehen: Komfortwunder sind sie alle nicht. Auch bei den Rahmen, die bis auf den Stahlrahmen des Contoura aus Aluminium geschweißt sind, ist Federungskomfort eher ein Nebenaspekt. Das Fahrgefühl im gesamten Testfeld ist kernig und straff, aber präzise und gut beherrschbar.
Jochen Donner, Test-Redakteur: „Beim Material der Rahmen sind Aluminium und Stahl, bei den Gabeln Aluminium und Carbon vertreten. Signifikante Gewichts- oder Komfortunterschiede der Bikes kommen dadurch nicht zustande. Die leichten Tourer fahren sich alle recht straff, aber nie wirklich bockig.“
Jeglichen Fahrkomfort muss man den Reifen überlassen. Hier liegen die stärksten Unterschiede zwischen den Testrädern: Die Reifen bestimmen, ob ein Rad besser nur auf Asphalt unterwegs sein sollte oder auch auf losem Untergrund genügend Traktion und Spurführung entwickelt. Je dicker die Reifen, desto besser greifen sie auf losem Untergrund. Kurze Passagen auf Schotter oder Naturstraßen bewältigen auch die 35 Millimeter dünnen Conti-Reifen am Contoura, doch richtig Spaß machen sie und die 37er Marathon Supreme des Drössiger auf glatten Teerstraßen: Abrollverhalten, Kurven- und Nässehaftung liegen auf höchstem Niveau. Die Laufräder lassen sich zudem durch das niedrige Reifengewicht mit wenig Kraftaufwand leichtfüßig beschleunigen. Zwar benötigen dünne Pneus etwa ein Bar höheren Druck, doch ihr hochwertiger Karkassenaufbau sorgt für niedrigen Rollwiderstand und hohe Flexibilität. Auf Asphalt rollen sie bei relativ guter Dämpfung lautlos und geschmeidig.
Großzügigere Dämpfung und satten Grip auf gröberem Untergrund liefern die leicht profilierten G-Ones und Marathon Racer von Schwalbe oder Specialized Pathfinder an den Tourenrädern von Cube, Stevens und Specialized. Ihre 40 Millimeter Reifenbreite bringen spürbar mehr Vielseitigkeit ins Spiel. Sie sind etwas schwerer und laufen auf Asphalt mit leicht höherem Rollwiderstand, doch auf Schotter mit besseren Fahreigenschaften. Damit empfehlen sich Contoura und Drössiger primär für flotte Asphalttouren, Cube, Specialized und Stevens erweitern dank ihrer Reifen den Einsatzbereich auf Wald- und Feldwege. Keines der fünf Tourenräder ist völlig makellos, doch auf extrem hohem Niveau liegen alle. Es bleibt also eine Frage des persönlichen Anforderungsprofils, welcher der leichten Tourer den Zuschlag erhält.
Den kompletten Vergleichstest der leichten Tourenräder aus MYBIKE 3/2022 inkl. aller Einzelbewertungen können Sie kostenpflichtig unter dem Artikel als PDF herunterladen.
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