Inflation und AlltagSechs günstige Räder im Test

Jochen Donner

 · 18.03.2023

Das Commuting-Special wird präsentiert von
Sechs günstige Räder im MYBIKE-Test
Foto: Bernhard Huber

Alle Preise steigen. Kann man mit einem preiswerten Fahrrad der Teuerung entkommen? Sechs sehr günstige Räder zwischen 450 und 850 Euro im Test.

Das sind die sechs Räder aus dem Test

Alltags-Mobilität

Mobilität ist unverzichtbar und leider nicht gratis. Und die Kosten für Tickets, Benzin oder innerstädtische Parkplätze steigen weiter. Doch unser zunehmend urban geprägter Alltag ist ohne ständige Mobilität gar nicht mehr denkbar: Das Zuhause liegt aufgrund steigender Miet- und Kaufpreise immer öfter in der Peripherie der Städte. Der Arbeitsplatz – auch wenn er nicht mehr jeden Wochentag angesteuert wird – liegt dagegen meist mitten in der Stadt oder gar auf deren anderer Seite. Die Kinder mit ihren Kitas und Schulen, mit Gitarren-Unterricht, Fußballtraining und Reitstunden sind auch fast nur noch unterwegs. Der Einkauf findet häufig nicht mehr in der fußläufigen Nachbarschaft, sondern in riesigen Supermarkt- und Shopping-Zentren statt, oft schnell noch auf dem Heimweg.

Das Fahrrad als günstiges Transportvehikel?

Das einst so angenehme und praktische Autofahren scheitert immer häufiger an Stau und Fahrverbotszonen; dazu kommt das schlechte Gewissen, ökologisch ein Ignorant zu sein. Doch mit Inflationsraten von bis zu zehn Prozent können und wollen es sich immer mehr Menschen nicht mehr leisten, Geld zu verschwenden. Ein ressourcenschonender, sparsamer Lebensstil steht derzeit praktisch und ethisch hoch im Kurs. Und damit sind wir folgerichtig beim Fahrrad angelangt: Was schont Umwelt und Geldbeutel besser, als seine Wege mit dem Muskel-Zweirad statt mit tonnenschweren, energiefressenden Transportvehikeln wie Auto, S-Bahn oder Bus zurückzulegen? Wann immer möglich Rad zu fahren mag aktuell eine der nachhaltigsten Handlungs-Optionen sein. Wir haben sechs günstige Räder getestet.

Das Rad ist vermutlich das günstigste und umweltfreundlichste Verkehrsmittel.Foto: Bernhard Huber
Das Rad ist vermutlich das günstigste und umweltfreundlichste Verkehrsmittel.

Radfahren spart Geld

Wenn vielen Menschen immer weniger Geld zur Verfügung steht, weil die Preise permanent steigen, hat das weitreichende Folgen. Ganze Wirtschaftszweige leiden derzeit unter der Kauf-Zurückhaltung der Kundschaft, die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen raunen vom Niedergang einzelner Branchen. Die Fahrradbranche wirkt dagegen vergleichsweise stabil: Die große Nachfragewelle mag verebbt sein, doch die Versorgungslage hat sich nach dem Durcheinander der Pandemiejahre wieder gebessert. In diesen Wochen rollen neue 2023er-Modelle in die Shops. Wer mit dem Gedanken an ein neues Fahrrad spielt, sollte sich jetzt umsehen.

Für alltägliche Wege, sprich Kurz- und Mittelstrecken auf überwiegend asphaltierten Straßen und befestigten Wegen bei niedriger bis mittlerer Nutzungsintensität, sind die Anforderungen überschaubar: Ein halbwegs robuster, stabiler Rahmen mit entspannter Sitzposition, eine Schaltung mit angemessener Übersetzung und Bandbreite, funktionale Bremsen, betriebssichere Beleuchtung, unempfindliche, vielseitige Reifen, Gepäckträger, Parkstütze, dazu ein Paar Schutzbleche – fertig ist ein Alltags-Gefährt im noch dreistelligen Preisbereich. Ist es nach einigen Jahren verschlissen oder wird gestohlen, ist zudem nicht viel Geld verloren.

Die Amortisation eines 1000-Euro-Rads auf fünf Jahre (bei intensivem Gebrauch) macht 200 Euro im Jahr aus, also 55 Cent täglich. Dazu kämen noch Reparatur- und Wartungskosten. Die lassen sich jedoch durch engagierte Eigenleistung bei Reparatur, Pflege und Wartung gut in Zaum halten. Apropos Pflege: Nach aller Erfahrung unterschieden sich günstige Räder von hochwertigen nicht so sehr in der Funktion im Neuzustand wie in ihrer Haltbarkeit. Oberflächen sind korrosionsanfälliger, Lager schlechter gedichtet, Züge weniger leichtgängig ... Auch Günstiges hat eben seinen Preis, und der wird eben weniger in Euro, sondern vermehrt in Funktion und Haltbarkeit gezahlt.

Das <a href="https://www.awin1.com/cread.php?awinmid=14353&awinaffid=471469&clickref=MYB+Elops+LD500+HF&ued=https%3A%2F%2Fwww.decathlon.de%2Fp%2Fcity-bike-long-distance-28-zoll-elops-ld500-hf-herren-dunkelgrau%2F_%2FR-p-305016" target="_blank" rel="noopener noreferrer nofollow">Elops LD500 HF kostet grade einmal 449,99 Euro</a>* und ist damit das günstigste Rad aus unserem Test.Foto: Bernhard Huber
Das Elops LD500 HF kostet grade einmal 449,99 Euro* und ist damit das günstigste Rad aus unserem Test.

Wie tief darf der Preis sein?

Bei unserer Recherche fiel auf, dass viele der renommierten Fahrradhersteller günstige Räder unter 1000 bis 1500 Euro gar nicht mehr anbieten. Der Trend zum weitaus teureren E-Bike hat bei Fahrradbranche und Verbrauchern neue, höhere Preisdimensionen etabliert. Die bescheren Herstellern und Bikeshops großzügigere Einnahmen beim einzelnen Verkauf. Bei geringeren Preisen müssten dafür deutlich mehr Räder verkauft werden. Doch jede Beratung kostet Zeit, die sich in Personalkosten niederschlägt, und auch günstige Räder besetzen teuren Verkaufs- und Lagerraum. Dennoch wird der Markt der günstigen und Einsteiger-Preislagen weiter bedient – nur die Anbieter und Vertriebswege ändern sich.

Wo gibt es günstige Räder?

Der Fahrradhandel durchläuft einen Konzentrationsprozess hin zu größeren Einheiten: Verbrauchermärkte auf der grünen Wiese, die sich dort niederlassen, wo Fläche wenig kostet, aber zunehmend auch Onlinehandel und -Direktvertrieb, die die Margen für Groß- und Einzelhändler einsparen – das sind die Plattformen, auf denen aktuell günstige Räder stattfinden. Meist sind die Anbieter Vollsortimenter, die alle Radtypen in größtmöglicher Vielzahl und Bandbreite mitsamt Zubehör, Ersatzteilen und Bekleidung im Angebot haben. In Onlinekanälen findet persönliche Beratung oft gar nicht statt, oder wenn, dann in abgemagerter, digitaler Form per Onlinechat oder FAQ-Seite. Das reduziert den Zeit- und Personalaufwand und macht den Verkauf günstiger Räder in hoher Stückzahl wieder interessant.

Wer als Anbieter dann noch auf Eigenmarken zugreifen kann, steigert seinen Gewinn. Das Optimum auf Herstellerseite wäre die komplette Kontrolle über alle Schritte, von der Produktentwicklung über die Herstellung bis zum Verkauf. Denn dann fällt neben der Handelsspanne auch die Herstellermarge ins eigene Töpfchen. Die Auswahl unserer Testkandidaten verlief nicht ganz störungsfrei: Relevante Akteure wie FahrradXXL oder Fahrrad.de konnten oder wollten keine Testräder liefern, andere Marken waren schlicht ausverkauft.

Sechs günstige Räder im Test

Im Testkeller landeten schließlich drei Modelle von den Direktanbietern Decathlon, Zweirad Stadler und Radon sowie von den drei Fachhandelsmarken Cube, Excelsior und Tern, deren Vertrieb über den klassischen, stationären Fahrradhandel läuft. Entsprechend unterschiedlich sind die Konzepte.

Sportartikel-Gigant Decathlon setzt bei Fahrrädern und allen anderen Produkten seines riesigen Sortiments auf hauseigene Entwicklung und Fertigung unter eigener Regie, meist in Asien. So kommen extrem niedrige Preise zustande, die das Schlüsselargument im Decathlon-Konzept sind. Das Elops LD500 ist mit nur rund 450 Euro das Einsteiger-Modell der Cityrad-Serie mit einem einfachen, kompakten Alu-Rahmen und Stahlgabel. Mit preisgünstigen, meist markenlosen Komponenten ausgestattet, entsteht so ein brauchbares Rad für nicht übermäßig intensive Nutzung zu einem außergewöhnlich niedrigen Preis.

Zweirad Stadler konzentriert sich dagegen auf Fahrräder, Zubehör und Bekleidung. Der familiengeführte Filialist aus Regensburg stützt sich hauptsächlich auf sein Fachmärkte-Netz, meist in Ballungsräumen mit entsprechend großem Einzugsgebiet. Zudem ist das gesamte Sortiment online verfügbar. Auch Stadler konzipiert die Modelle im eigenen Haus und setzt sie mit renommierten Partnern in der Fahrradindustrie um. Das Dynamics Magic Eight entstand in Zusammenarbeit mit der ZEG in Köln, bei deren Zulieferern der Rahmen gebaut wird. Das Magic Eight kostet weniger als 800 Euro und kombiniert außergewöhnlich aufwendige Qualitäts-Komponenten zu einem soliden, vielseitigen und wartungsarmen City- und Tourenrad.

Die sechs Räder im Detail

Cube Touring One: Solide ausgelegte Teile am Lenkkopf sorgen für hohe Verwindungssteifigkeit und generieren ein vertrauenerweckendes Fahrverhalten.
Foto: Bernhard Huber

Günstige Räder im Fachhandel, Großmarkt oder Online

Die Marke Radon ist die Hausmarke des H&S Bike Discount in Bonn. MTBs, Renn- und Trekking-Räder sind dort im Ladengeschäft, vorwiegend jedoch online mit direkter Lieferung nach Hause zu haben. Die Bikes sind immer knapp kalkuliert. Radon setzt seit Jahren auf verlässliche Qualität, hochwertige Rahmen und Komponenten zum Bestpreis.

Das Radon Solution 7.0 wirkt überhaupt nicht wie ein 800-Euro-Rad: Rahmen, Gabel und Ausstattung konkurrieren eher mit der nächsthöheren Preiskategorie. Bemerkenswert ist, dass alle Direktvermarkter Methoden entwickelt haben, ihre Kunden auch nach dem Kauf nicht im Regen stehen zu lassen: Alle drei bieten Werkstattservice in ihren Filialen oder bei assoziierten Fachhändlern, die dem Onlinekäufer zur Seite stehen. Stellt man die Testkandidaten daneben, die ausschließlich über das etablierte Fachhändlernetz verkaufen, fällt jedoch auf, dass das traditionelle Vertriebskonzept nicht zwangsläufig teurere Produkte hervorbringt.

Das Cube Touring One ist mit knapp 750 Euro* das günstigste Modell einer Serie mit vielseitigem Konzept, hochwertigem Rahmen und etwas abgespeckten, aber durchweg brauchbaren Komponenten. Excelsior als Budget-Marke des Fahrrad-Großhändlers Hermann Hartje KG arbeitet bewusst mit preiswert konzipierten Fahrrädern und E-Bikes, die mit ihrer Retro-Optik vorwiegend Freizeit- und Gelegenheits-Radler ansprechen. Für rund 670 Euro bietet das Excelsior Trekking genau dies.

Das Tern Link B7* ist ein Faltrad. Es unterstützt mit seinem bewährten Rahmen und einfacher Ausstattung den Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln. Der 850-Euro-Falter ist das preisgünstigste Modell der Marke. Er steht für eine Art preisbewusster Fortbewegung, die andere Verkehrsmittel gleichberechtigt neben das Fahrrad stellt: Die letzte Meile per Faltrad zurückzulegen ist in vielen Fällen die stressärmere und insgesamt cleverste Methode, sich in Ballungsräumen effizient und klimaschonend fortzubewegen. Ja, günstige Räder lassen die Inflation im eigenen Geldbeutel wirkungsvoll bekämpfen – natürlich nur dann, wenn man sein Rad konsequent benutzt.


Günstige Räder in der Notenübersicht

Übersicht aller Einzelnoten der Testräder | Tabelle: MYBIKE
Übersicht aller Einzelnoten der Testräder | Tabelle: MYBIKE

Die Teilnoten geben das Potenzial eines Testrads innerhalb des speziellen Bereichs wieder. Die Gesamtnote ist die gewichtete Summe der Teilnoten, absolut betrachtet. Es ist also plausibel, dass günstige Räder auf niedrigerem Technik-Niveau keine Spitzennoten erzielen können. Mit rund einer Note Abstand folgen die Räder dieses Testfelds aber in etwa dem Niveau eines Mittelklasse-Testfelds. Das ist, angesichts doch erheblicher preislicher und technischer Unterschiede, ein überraschend gutes Ergebnis. Differenzen bei der Fahrsicherheit gehen vorwiegend auf mäßig funktionierende Felgenbremsen, beim Antrieb auf hier sehr billige Komponenten und deren Bedienqualität zurück. Praxisnoten betreffen Gewichte, Radausbau, Parkstützen, Gepäckträger – und im Service schlagen die in diesem Preissegment insgesamt auffallend niedrigen Gewährleistungsfristen zu Buche.

Jochen Donner, Testredakteur: “Selbst für den schmalen Geldbeutel bietet der Markt eine erstaunlich breit gefächerte Auswahl an Fahrrädern mit eigenem Charakter und verschiedenen Schwerpunkten. Das Passende zu finden ist eine Kunst.”

Interview mit Tom Linthaler von Zweirad Stadler

Tom Linthaler: “Besonders wichtig: regelmäßige, engmaschige Pflege des Bikes. Das spart wirklich viel Geld und Nerven.”Foto: Tom Linthaler
Tom Linthaler: “Besonders wichtig: regelmäßige, engmaschige Pflege des Bikes. Das spart wirklich viel Geld und Nerven.”

Hat sich das Kaufverhalten der Kunden in der jüngsten Zeit der Krisen verändert?

Ja, wir haben seit letztem Herbst und über den Winter schon eine Kaufzurückhaltung bei Rädern verspürt. Vor allem in günstigen und mittleren Preisklassen. Die Unsicherheit bei den Themen Energiekosten und Inflation war da, zusammen mit der sprichwörtlich trüben Winterstimmung, sicher ein Hauptgrund. Allerdings haben wir auch das Gefühl, dass die Grundstimmung unserer Kunden jetzt schon wieder etwas zuversichtlicher wird.

Wie packt es Stadler als Direktvermarkter an, ein Fahrrad besonders preisgünstig zu konzipieren?

Als großer Partner mit langjährigen Beziehungen zu vielen Lieferanten und Produzenten haben wir schon auch einige Werkzeuge und Hebel zur Hand, um die Preise in erträglichem Maß zu halten. Auch wenn sich einige Kostenfaktoren in der Lieferkette nicht wegdiskutieren lassen. Das geht natürlich nur im Miteinander. Nach wie vor ist unser Credo aber, Räder mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten – sogar mehr denn je!

Wo liegen die Konfliktstellen bei der Konzeption, wenn man als Hersteller Kosten und Preis niedrig halten möchte?

Man muss auf jeden Fall mehrere gute Lieferanten für gleichwertige Komponenten im Portfolio haben. Und dann schnell und flexibel sein. Wichtig ist jedoch, dass die Technik einwandfrei zusammenspielt und keine Kompromisse bei Haltbarkeit und Ersatzteilversorgung nötig sind. Im Zweifel fällt zwar das ein oder andere Gramm dem Rotstift zum Opfer, Funktionalität und Grundkonzept eines Modells müssen aber erhalten bleiben.

Was raten Sie Käufern, die nur wenig Geld für ein neues Fahrrad ausgeben können?

Kaufen Sie Markenware beim Fachhändler! Wichtig sind auch Themen wie Service, Ersatzteilversorgung, Langlebigkeit und damit Nachhaltigkeit. Deshalb: lieber ein paar Euro mehr ausgeben, dafür aber auf pannensichere Reifen, eine wartungsarme Nabenschaltung und vielleicht hydraulische Scheibenbremsen setzen. Besonders wichtig: Eigeninitiative durch regelmäßige, engmaschige Pflege des Bikes – besonders im „schmuddeligen“ Winter. Das spart wirklich viel Geld und Nerven.

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