Erster TestClassified Zweigang-Getriebenabe am Rose Backroad

Jochen Donner

 · 18.01.2022

Erster Test: Classified Zweigang-Getriebenabe am Rose BackroadFoto: Jan Greune

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Erster Test: Classified Zweigang-Getriebenabe am Rose Backroad

Die innovative Nabenschaltung von Classified ersetzt am Rose Backroad den Umwerfer. Das Zweigang-Getriebe im Hinterrad ergänzt eine Elffach-Kettenschaltung.

Der Gravel-Renner Backroad* ist für Multichannel-Vertreiber Rose zum echten Bestseller geworden: Den sportlich, aber nicht zu sehr rennmäßig ausgelegten Rahmen gibt es in Alu mit geringfügig entspannterer oder in Carbon mit etwas aggressiverer Geometrie und höherem Preis. Beide Baureihen sind für Flatmount-Discs, breite Reifen bis 40 Millimeter, Laufräder mit Steckachsen und mit einer komfortabel flexenden Sattelstütze ausgerüstet.

Die Rahmen lassen die Wahl für völlig unterschiedliche Aufbauten: Gravel-, Renn- oder gerader Lenker, Reifen mit Gravel- oder glattem Straßenprofil, Ein- oder Zweifach-Kettenschaltung, mechanisch oder elektrisch. Als geländegängiger Schotter- oder rassiger Straßenrenner, als Randonneur mit Licht, Schutzblech und Gepäckträger, ja, sogar mit und ohne Motor lässt sich das Backroad ordern.

Wir interessierten uns für eine Rarität in dieser Vielfalt: die Variante mit einem innovativen, teils sogar kabellosen Schaltungs-Mix aus Shimanos GRX-Di2- und dem Classified-Powershift-Getriebe. Der Clou daran ist, dass eine Zweigang-Nabenschaltung in der Hinterradnabe den Umwerfer ersetzt. Das klingt zunächst nicht sehr innovativ, denn eine ähnliche Schaltkombi hatten Sachs und Nachfolger SRAM bis vor wenigen Jahren als „Dual Drive“ im Programm. Doch bei Classified ist die Technik deutlich anspruchsvoller: Die beiden Gänge sollen sich blitzschnell und auch unter Last, selbst unter Rennbedingungen, zuverlässig wechseln lassen. Anders als der Umwerfer einer Kettenschaltung arbeitet die Nabe völlig abgekapselt unter kontinuierlich optimalen Bedingungen. Und schließlich befreit die Getriebe-Lösung die Kette von solch starkem Schräglauf, wie er in Kettenschaltungen mit 11, 12 oder 13 Ritzeln vorkommen kann. Neben gesteigerter Zuverlässigkeit, Wartungsarmut und Betriebssicherheit wird so nach Herstellerangaben der Systemverschleiß und der damit verbundene, zunehmende Effizienzverlust deutlich verringert.

Der Shimano-Schalthebel steuert den Classified-Impuls­geber im Lenkerende an. Der funkt seine Befehle zur Nabe.
Foto: Jan Greune

Vorteile einer elektrischen Schaltung

Die Schaltung am Backroad kombiniert Shimanos elektrisch geschaltete Di2 mit der ebenfalls elektrisch angesteuerten Zweigangnabe. Dafür tippt man sich mit den beiden ergonomisch hervorragenden Brems-Schalthebeln der GRX-Serie von Gang zu Gang. Beide Schaltgriffe lassen sich mit geringsten Kräften und latenzfrei bedienen. Die Classified-Komponenten sind in das System eingebunden. So kommandiert der rechte Hebel das GRX-Schaltwerk über die elf Ritzel der Classified-­Kassette, die von einem Kettenblatt mit 46 Zähnen angetrieben wird. Die Schaltimpulse des linken Di2-Schalthebels, der normalerweise den Umwerfer steuert, führen zu einer separaten Schalteinheit von Classified, die im Ende des Rennlenkers steckt. Sie übernimmt den Di2-Schaltimpuls und wandelt ihn in ein Funksignal um, das zur Steckachse in der Hinterrad-Nabe fließt. Der dortige Empfänger wandelt den Funkbefehl in einen mechanischen Schaltvorgang: Ein Stellmotor aktiviert das Planetengetriebe, das alternativ zum Direktgang eine Untersetzung mit Faktor 0,686 bereithält. Umgerechnet auf die Kettenblätter einer Zweifach-Kurbel, entspricht das ziemlich genau der Kombination aus einem 46er- und einem 32-Kettenblatt. Die speziell für die Nabe entwickelte Kassette besteht aus Stahl und wird von Classified aus einem Stück gefräst. Sie passt nicht auf Shimano-Freiläufe. Zur Wahl stehen Abstufungen von 11-27, 28, 30, 32 und 34 Zähnen, jeweils elf- oder zwölffach.

Classified: 2x-Schaltung per Getriebe

Alleine der Verzicht auf den Umwerfer einer Kettenschaltung ist nicht neu. Sogenannte 1x-Schaltungen dominieren aktuell den Mountainbike-Markt. Von dort schwappen sie zunehmend in die Bereiche Gravel-, Sport- und Tourenrad. Deren teils geringere Übersetzungsbandbreite und krassen Kettenschrägläufe lassen viele dennoch weiterhin zu 2x-Systemen greifen. Dass es auch bei diesen Verbesserungspotenzial gibt, will die junge belgische Firma Classified mit ihrer Neuentwicklung beweisen. Ähnlich wie bei Getriebehersteller Pinion trifft Know-how aus dem Bau von Automobil-Getrieben auf die Fahrradbegeisterung der Macher. Vor allem zuverlässiges, kompromissloses Schaltverhalten und möglichst hohe Effizienz standen im Lastenheft der Entwickler. Die Effizienz einer Kettenschaltung hängt auch von der Größe der Kettenräder ab: Große Ritzel laufen leichter als kleine, da die stärkere Krümmung der Kette auf kleinen Ritzeln mehr Reibung zwischen den Kettengliedern verursacht. Konventionelle 1x-Schaltungen verwenden zudem starke Federn im Schaltkäfig, um die Längenänderung zwischen etwa einem 9er- und einem 50er-Ritzel zu kompensieren. Das System mit kleinstem 11er-Ritzel, geringerer Spreizung und nur einem mittig platzierten Kettenblatt soll die Kette weniger stressen. Das Planetengetriebe in der Nabe arbeitet langlebig, schmutz- und wartungsfrei. Insgesamt soll das System gleich schwer wie oder sogar leichter als eine Zweifach-Kettenschaltung sein.

Foto: Daniel Simon

Nach so vielen Erklärungen wird es Zeit für den Praxistest – und der macht einfach Spaß: Die Gänge lassen sich mit wunderbar gleichmäßigen Sprüngen durchschalten, was auf längerer Strecke die Kräfte schont. Auch Gangwechsel über mehrere Ritzel hintereinander laufen ohne Verzögerung und völlig exakt ab. Eine dynamische Hatz über Wald- und Feldwege, sogar über leichte Trails, ist mit der Kombi-Schaltung aus Classified und Shimano eine lässige Sache. Der problemlose Wechsel zwischen den beiden „Kettenblättern“ in der Nabe verhilft bei schnellen Auf und Abs oder auf verwinkelten Pfaden zu kraftvollen Antritten und stürmischen Sprints. Auch auf freier Strecke überzeugen Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und intuitive Bedienung der Schaltung. Gerade im Winter lernt man zudem die geringen Bedienkräfte und Hebelwege der E-Schalthebel schätzen: mit klammen, wehen Fingern schaltet man elektrisch leichter und öfter, als man das an mechanischen Schalthebeln mit deutlich größeren Bedienkräften und -radien täte. Man setzt also seine Tretkraft mit Di2 und Classified sowohl mechanisch als auch psychologisch effizienter um.

  Der Shimano-Schalthebel steuert den Classified-Impuls­geber im Lenkerende an. Der funkt seine Befehle zur Nabe.Foto: Jan Greune
Der Shimano-Schalthebel steuert den Classified-Impuls­geber im Lenkerende an. Der funkt seine Befehle zur Nabe.

Das Rad* selbst hält dieses Niveau: Mit seinem seitensteifen Carbon-Chassis und komfortsteigernden Komponenten ist das Backroad auf der Straße und in leichtem Gelände souverän unterwegs. Insbesondere gefielen uns die Conti-Reifen: Sie vereinen satten Grip und Spurführung auf losem Grund mit leisem, schnellem Lauf und hoher Haftung auf Asphalt. Dazu rollen sie geschmeidig und filtern kleinere Erschütterungen aus. Auf nahezu jedem Untergrund ist das Backroad mit der Classified-Schaltung souverän und mit Fahrspaß unterwegs. Am Ende bleibt dennoch die Grundsatzfrage, ob man etwas so überzeugend Simples wie ein Fahrrad mit komplexen, elektrischen Systemen koppeln möchte, die im Zweifelsfall nur mit Spezialwissen und -werkzeug reparabel sind? Doch das muss jeder Fahrradfreund mit sich selbst klären.

Test-Fazit zum Rose Backroad Classified

Potenzial und Performance der Classified-Schaltung sind auf ganzer Breite überzeugend. Doch die Komplexität der Technik und der hohe Preis von 5.299 Euro mögen viele abschrecken.

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