Jochen Donner
· 14.01.2023
Das Cannondale Topstone Carbon 1 RLE ist ein Gravelbike mit einer Extraportion Fahrkomfort. Für die Rücksicht sorgt eine Radaranlage.
Vor ziemlich genau 50 Jahren trat in der legendären ZDF-Musiksendung „Disco“ die Gitarrenband Golden Earring auf und spielte in sehr engen Satinhosen ihren größten Hit: Radar Love. Ein halbes Jahrhundert später hat die US-Marke Cannondale ihre Liebe zum Radar entdeckt: Ihr Gravelbike-Modell namens Topstone schaut mit Hightech-Augen, ob Gefahr von hinten droht. Ein Radar-Detektor im Rücklicht erfasst bis zu acht schnellere, sich annähernde Fahrzeuge wie Pkw und Lkw, aber auch Motorräder und sogar Fahrräder. Sie lösen ab einer Distanz von 140 Metern ein Signal am Lenkerdisplay aus. Gleichzeitig erhöht das Rücklicht seine Leuchtkraft. Auch ein Warnton lässt sich per App zuschalten. So ist man auf der Landstraße immer informiert, was sich hinter einem tut.
Die Radar-Technik stammt von Navi-Spezialist Garmin und ist unter dem Namen Varia dort auch separat in Form von Akku-Rückleuchten erhältlich. Erfahrene Touren- und Rennradler schätzen dieses System außerorts als hilfreich und praktisch. Am Topstone kombiniert Cannondale den Garmin-Sensor mit einer leistungsstarken, zugelassenen Lezyne-Frontleuchte und einem Akku, der sich samt innen verlegtem Kabel am Unterrohr befindet. Das komplette System nennt sich „Cannondale Smart Sense“ und hinterließ gemischte Eindrücke: In der reizstarken Stadtumgebung oder auf einem straßenbegleitenden Radweg löste es gelegentlich Fehlalarme aus. Zudem ist die Akkulaufzeit derzeit mit etwa drei bis vier Stunden (bei eingeschaltetem Licht) sehr kurz. Ein Nabendynamo-Anschluss könnte also künftig eine sinnvolle Ergänzung sein.
Einen Volltreffer landete das Unternehmen jedoch mit der Rahmenkonstruktion. Sie macht das neue Cannondale Topstone zu einem der komfortabelsten Fahrräder seiner Art. Das Geheimnis sind Carbonrohre mit stark unterschiedlichen Durchmessern und einem diskreten Gelenk. Wo höchste Biegesteifigkeit gefragt ist, sind sie wuchtig und kantig. Am Hinterbau, aber auch im Sitzrohr, schließen sich fast zierliche, abgeflachte Bereiche an. Sie machen die Rohre dort flexibel, ähnlich wie eine Blattfeder. So schlucken die Kettenstreben Stöße von unten weg und geben sie an die aufwärts flexiblen Sitzstreben weiter. Diese enden in einem Gelenk, das den Rest der Stoßenergie ins Sitzrohr weiterleitet. Das weicht im flachen Bereich etwas nach vorn aus, der Sattel selbst bewegt sich dabei minimal nach hinten – und trägt so wiederum seinen Teil zur spürbar erfolgreichen Stoßabsorption bei.
Das funktioniert natürlich nur bei kleinen, kurz aufeinanderfolgenden Stößen wie von Schotteroberflächen oder Kopfsteinpflaster optimal. Doch selbst eine hohe Wurzel oder eine Geländestufe quer zum Wegverlauf werden spürbar abgefedert. Auch die ebenfalls flexende Sattelstütze und die dicken 40-Millimeter-Pneus arbeiten am Komfort-Effekt mit. Das Cannondale Topstone läuft so auf ruppigen Wegen schön ruhig und bleibt auch auf Passagen mit schwierigem Untergrund sauber in der Spur. Bei kompakter Sitzposition und dem so effektiven Komfort-Konzept sind selbst lange Touren durch Wald und Feld ohne frühzeitige Ermüdung souverän fahrbar. Und auf den letzten Metern zurück nach Hause bleibt genug Wachheit für die kleinen, bunten Radarpunkte am Lenker.
Das Potenzial, das in der Radar-Technik steckt, ist riesig: Sind die Kinderkrankheiten wie gelegentliche Fehlanzeigen und geringe Akkulaufzeit einmal im Griff, könnte der Radverkehr innerorts in Zukunft dank Radar-Rückblick sicherer werden.