Jochen Donner
· 01.09.2022
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Intensiv-Radler schwören auf die Rohloff-Nabenschaltung: Das 14-Gang-Getriebe im Hinterrad punktet seit über 25 Jahren mit Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. Wie sich “die Rohloff” in aktuellen Radmodellen schlägt, zeigt der MYBIKE-Test.
“Das ist aber ein hübscher, kleiner Nabenmotor!“ Anerkennend schürzt der Passant an der Ampel die Lippen und deutet auf die blitzeblank polierte Rohloff-Nabe in unserem Testrad. Eine aufklärende Antwort verhindert der unvermittelte Wechsel auf Grün. Doch der sicherlich wohlmeinende Kommentar zeigt, dass die Rohloff-Schaltung auch nach gut 25 Jahren erfolgreicher Existenz nicht unbedingt im Mainstream angekommen ist. Sie ist ein technisches Highlight für Viel- und Intensiv-Radler. Stand heute wurden über 360.000 Exemplare ausgeliefert, alle mit fortlaufender Seriennummer. Die allermeisten rotieren wohl noch immer eifrig in ihrem ersten Hinterrad. Einige Schaltnaben arbeiten bereits in einem zweiten oder dritten Rahmen.
„Eine der ersten verkauften Naben fahre ich selbst in meinem Stadtrad“, erwähnt Rohloff-Pressesprecher Marco Rauch fast nebenbei. „Doch das hat leider gerade einen Rahmenbruch.“ Die allerersten Serien-Exemplare wurden Ende 1998 an Utopia ausgeliefert. Dort fügte sich die neuartige Langlauf-Schaltung ideal ins Konzept: Die saarländische Radmanufaktur legt seit jeher höchsten Wert auf Funktion, Langlebigkeit und Robustheit ihrer Räder. Ehrensache, dass ein Utopia-Roadster denn auch in unserem Testfeld auftaucht.
Die Idee zum Getriebe kam Entwickler Bernd Rohloff, als er ein paar entspannte Tage an der französischen Atlantikküste verbrachte. Der Hersteller hochwertiger Fahrradketten hatte aus geschäftlichen Gründen die Tour de France besucht, wo seine S-L-T 99 von einigen Profis quer durch Frankreich und von Greg Lemond und Miguel Indurain sogar auf die ersten Plätze getreten wurden. Doch auf einer lockeren Bikerunde am Strand setzten salziges Atlantik-Wasser und Sand Rohloffs Kettenschaltung außer Gefecht. Da keimte die Idee, dass das Schalten am Rad doch besser gehen müsste. Als seine Schaltnabe mit der Übersetzungsbandbreite einer Kettenschaltung und 14 gleichmäßig abgestuften Gängen etliche Jahre später serienreif war, stießen die Getriebe bei Weltumradlern und Vielfahrern auf riesiges Interesse – und nicht, wie von Rohloff gedacht, bei Mountainbikern.
Doch gerade Fernradlern boten die hohe Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit unter extremen Belastungen wie ruppigen Strecken mit Gepäck weit größere Vorteile als Mountainbikern. Diese lehnten die Nabe aufgrund von etwa einem Kilo Mehrgewicht zu einer Kettenschaltung und der „Gedenksekunde“ beim Wechseln der Gänge im Doppelkupplungsgetriebe eher ab. Die kontinuierliche Unterstützung von Rad-Globetrottern durch die Rohloff AG trug zudem dazu bei, dass die Schaltnabe weltweit geschätzt wird: Bei Defekten oder Ausfällen geht notfalls ein Päckchen mit Ersatzteilen in den Hindukusch oder an den Amazonas. Hauptsache, die Reise muss nicht aufgrund eines Defekts abgebrochen werden.
Mit dem Radreise-Boom Anfang der 2010er-Jahre wurden Rohloff-Räder so etwas wie der Mercedes unter den Trekkingrädern: Viele, auch weniger ambitionierte Tourenradler, leisteten sich die smarte Technik. Schlicht, weil sie das Beste repräsentierte. Auch Großserien-Radhersteller wie KTM, Kalkhoff, Sinus, Stevens oder Pegasus mussten mindestens ein Rohloff-Modell im Angebot haben. Das hat sich mit dem Boom der E-Bikes verändert – wie auch der Kommentar des Ampelnachbarn eingangs belegt.
Jochen Donner, Testredakteur: „Die Rohloff-Nabe hat sich schnell zur Legende entwickelt. Wer ihre bauartbedingten Eigenheiten akzeptiert, hat gut investiert. Denn eine Nabe hält oft mehrere Fahrrad-Leben lang.“
Heute ist der Rohloff-Antrieb vorwiegend in hochwertigen Rädern kleinerer, spezialisierter Fahrradhersteller mit handwerklichem Ansatz, oft umfangreichem Custom-made-Anteil und zahlungskräftiger Kundschaft zu Hause.
Ein großer technischer Vorteil der Rohloff-Nabe: Sie passt mit nur wenigen Anpassungen in konventionell konstruierte Rahmen. Neben einer Mindeststeifigkeit im Hinterbau muss für den Rohloff-Antrieb eine Drehmoment-Abstützung am Ausfallende und eine Vorrichtung zum Regulieren der Ketten- oder Riemenspannung vorhanden sein. Das erlaubt es vielen Radherstellern, dieselben Rahmen mit Naben- oder Kettenschaltung zu planen. Paart man die Schaltnabe mit Gates-Riemen, erfordert das zusätzlich eine teilbare Hinterbaukonstruktion, um den geschlossenen Riemen einzubauen. Damit fällt auch das Kettenschmieren weg. Die Nabe selbst benötigt nur einen Ölwechsel alle 5.000 Kilometer oder einmal pro Jahr sowie die gelegentliche äußerliche Reinigung von Gehäuse, Ritzel, Kettenblatt und Kette oder Riemen. Zudem müssen eine Gliederkette und die Schaltzug-Ansteuerung der Seilbox gelegentlich nachgeschmiert sowie eventuell die Schaltzüge erneuert werden.
Unsere Bewertung zeigt ein breites Komfort-Spektrum in dieser Klasse. Dafür liegen die Fahrsicherheit (mit zwei rahmenbedingten Ausnahmen) und die Antriebs-Noten nahe an der Spitze und eng beieinander. Die jeweilige Zugverlegung beeinflusst minimal Bedienkräfte und Schalt-Performance. Fehlende oder störend montierte Alltagsausstattung sowie Gewichtsunterschiede erklären die Spreizung in der Praxis-, verschiedene Garantiezeiten die der Service-Note. Die guten Gesamtnoten stehen für kompetent umgesetzte Radkonzepte, Qualität und Performance in einem hochpreisigen Testfeld.
Den kompletten Vergleichstest der Rohloff-Räder aus MYBIKE 4/2022 inkl. aller Einzelbewertungen können Sie hier kostenpflichtig als PDF herunterladen.