City- und Cargobike in einem - das Convercycle im Test

Jochen Donner

 · 28.01.2022

City- und Cargobike in einem - das Convercycle im TestFoto: Daniel Simon
City- und Cargobike in einem - das Convercycle im Test

Mit einem Faltkonzept will Convercycle ein Rad für alle Fälle erschaffen: Der ausklappbare Hinterbau lässt die Wahl zwischen kurzem Citybike und langem Lastenrad.

Bewusst hatten wir bei der Bestellung unseres Testrads die motorlose Version gewählt: endlich ein ausgewachsenes Lastenrad, das auf pure Muskelkraft vertraut! Das ist wenigstens mal eine kon­sequente Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens. Und den verfolgt auch das sympathische Start-up-Projekt aus Frankfurt/Main bis hin zur Materialwahl: Der aufwendige Gitterrohr-Rahmen mit seinem Faltmechanismus besteht aus verschweißten Stahlrohren. Denn die lassen sich energieeffizient herstellen, sind reparabel und optimal recyclingfähig. Rahmenbau und Teilemontage finden in Ungarn statt. Das reduziert im Vergleich zur Asien-Fertigung die Transportwege und erleichtert die Kommunikation.

  Die Faltelemente werden jeweils mit Federstiften gesichert.Foto: Daniel Simon
Die Faltelemente werden jeweils mit Federstiften gesichert.

Wandel vom City- zum Cargobike

Die innovative Idee zum Klapprahmen hatte Industriedesigner und Convercycle-Gründer David Maurer-Laube bereits 2017 beim Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Offenbach: Nur ein vielseitiges Fahrrad, das Personen- und Lastentransport vereint, hat ernsthafte Chancen, in Ballungsräumen das Auto zu ersetzen. Ein Alltagsrad muss jedoch wendig, gut fahrbar, langlebig und gut zu verstauen sein. Das sind Lastenräder von Haus aus eher nicht. Deshalb wandelt sich sein Convercycle bei Bedarf vom City- zum Cargobike, indem man seinen Hinterbau um einen Drehpunkt hinter dem eingeklappten Hinterrad nach hinten ausklappt. Dadurch wächst die Gesamtlänge von 2,08 auf stattliche 2,74 Meter, und eine etwa 60 Zentimeter lange und 40 Zentimeter breite Ladefläche entsteht. Sie nimmt eine entsprechende Normkiste passgenau und rutschfest auf, doch in ihrer Mitte bleibt der Spalt, durch den im Citybike-Modus das Hinterrad lief. Der Konstruktionsaufwand dafür resultiert in einem ausgesprochen unhandlichen Gesamtgewicht von 36 Kilo. Das Rad in eine enge Garage oder gar über Treppen, Stufen und selbst Bordsteine zu bewegen ist schwierig. Der Rahmen setzt im (kurzen) City-Modus an Stufen mit dem Hinterbau auf, der nur eine äußerst knappe Bodenfreiheit von 12,5 Zentimetern lässt. An Treppen scheitert man oft am Zweibeinständer, der unter dem Tretlager die lichte Höhe reduziert.

  Drei Einzel-Ketten auf Umsetzrollen machen den Faltmechanismus erst möglich.Foto: Daniel Simon
Drei Einzel-Ketten auf Umsetzrollen machen den Faltmechanismus erst möglich.

Schon der Citybike-Modus ist speziell. Radelt man auf ebener Straße dahin, erfordern das hohe Gewicht, die straffe Feder, die den Lenkeinschlag dämpft, und der um das Sitzrohr herum 18 Zentimeter breite Gitterrohr-Rahmen eine gewisse Gewöhnungszeit. Beim Pedalieren streifen Wade und Ferse am Rahmen; eine nötige leichte O-Beinigkeit trainiert man sich schnell an. Hier möchten die Macher durch stärkere Biegung der Streben künftig mehr Beinfreiheit erreichen. Es ist jedoch definitiv nicht leichtfüßiges Radfahren, was das Convercycle im City-Modus bietet. Die stufenlose Nabenschaltung arbeitet effektiv und bietet 380 Prozent Übersetzungsumfang. Bergauf ließe sich das Rad aber aufgrund des Eigengewichts höchstens mit Motorunterstützung gut treten – unser Fehler bei der Bestellung? Die Sitzposition ist entspannt-aufrecht ausgelegt, dank großzügiger Oberrohrlänge lässt sich die Kraft der Beine gut umsetzen. Auch der breite Lenker und die hydraulischen Scheibenbremsen generieren gute Kontrolle und Sicherheit. Ein klarer Schwachpunkt ist der dünne Vorbau mit Schaftklemmung und Verstell-Gelenk: Er kann den Längsverwindungen im Rad nicht widerstehen, soll jedoch in der nächsten Rahmengeneration durch ein stabileres Aheadset-System mit Außenklemmung ersetzt werden.

  Der eingefaltete Hinterbau reduziert die Bodenfreiheit am Heck auf zwölf Zentimeter.Foto: Daniel Simon
Der eingefaltete Hinterbau reduziert die Bodenfreiheit am Heck auf zwölf Zentimeter.

Über lang oder kurz

Wechseln wir in den Cargo-Modus: Man dreht das etwas wackelige Alu-Schutzblech um 180 Grad nach hinten, entriegelt eine Zapfen-Sicherung, hebt den Hinterbau an seinen Griffstücken an und bringt mit dem linken Fuß die Hinterbauschwinge nach unten in Schwung: Voilà, das Convercycle gibt seine Transportfläche frei. Wir setzen die passende Kiste ein und beladen sie üppig. Zwar schwankt das Rad bedenklich auf seinem Zweibeinständer, doch am Ende sind es 57 Kilo Nutzlast, gefahren von einem 75 Kilo schweren Fahrer. Die Addition inklusive Fahrrad ergibt 168 Kilo Gesamtgewicht, nur noch zwölf Kilo vom maximal zulässigen Gewichtslimit (180 Kilo) entfernt. Beide Tester waren sich einig: „Gerade noch so fahrbar!“ Der riesige Radstand, die dünnen Rohre und die Faltgelenke machen die Fuhre stark anfällig für seitliche Verwindung. Auch präzises Steuern ist anfangs ungewohnt und schwierig: Vor engen Kurven muss man weit ausholen, da das Hinterrad aufgrund der Gesamtlänge eine wesentlich engere Kurve fährt. Zwischen Gabel und Unterrohr spannt sich eine kräftige Spiralfeder. Sie verhindert, dass der Lenker in Parkposition auf dem Zweibeinständer unkontrolliert umschlägt. Beim Fahren arbeitet sie jedoch spürbar gegen die Lenkkraft des Fahrers. Im engen, schnellen City-Radverkehr erfordert das viel Übung und ausgefeilte Fahrmanöver. Unser Eindruck nach diversen Runden: Zu verkehrsarmen Zeiten, auf ebener Strecke und mit viel Platz drumherum kann ein kräftiger, geübter Fahrer mit dem ambitioniert gedachten Convercycle allerhand bewegen. Seine Grundidee ist bestechend, doch leider sind die Kinderkrankheiten noch nicht ganz ausgestanden.

  In den Cargo-Modus wechselt das Rad durch Ausklappen des Hinterbaus. Der Drehpunkt liegt beim hintersten Ritzel.Foto: Daniel Simon
In den Cargo-Modus wechselt das Rad durch Ausklappen des Hinterbaus. Der Drehpunkt liegt beim hintersten Ritzel.

Test-Fazit des Convercycle Standard

Nimm eins, fahr zwei – so einfach wie gedacht ist die Umsetzung des Convercycle noch nicht gelungen. Das schwerlastgeeignete Klapprad überzeugt weder im City- noch im Cargo-Modus wirklich.

Das Fahrrad kostet 2.848 Euro.

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