Intelligenter Fahrrad-Leichtbau

Jochen Donner

 · 18.08.2015

Intelligenter Fahrrad-LeichtbauFoto: Daniel Simon
Intelligenter Fahrrad-Leichtbau

Nicht mehr als 14 Kilo Gewicht, aber bitte mit 15 Kilo Gepäck-Kapazität. Und egal, zu welchem Preis. So lautete unsere Testanforderung. 10 Radhersteller setzten diese Rahmenbedingungen in schicke, aber vor allem flinke Tourenräder um.

Neu erfinden lässt sich das (Fahr-)Rad nicht mehr. Doch alle paar Jahre etablieren sich neue Technik und Techniken, die weitere Schritte in Richtung Gewichts-Verzicht möglich machen. Oft geschieht dies eher indirekt: Kann man Alu-Rahmen etwa durch Hydroforming-Rohre belastungsgerechter konstruieren, lässt sich dadurch Material einsparen. Neue Kunststoffe und Fertigungstechniken im Reifenbau erlauben den Verzicht auf schwere Pannenschutzeinlagen. Und je höher der Verkaufspreis eines Bikes, desto prestigeträchtiger – und damit leichter – meist auch die Anbauteile: Beispiele sind Edelux-Dynamo, XT- und Ultegra-Schaltung, DT-Swiss-Naben, Acros-Steuersätze, Carbon-Sattelstützen. Zudem liegen starre, aber leichte Gabeln wieder voll im Trend: Es hat sich herumgesprochen, dass Federgabeln im Normalfall, also auf Asphalt- und befestigten Fahrbahnoberflächen, nur wenige echte Vorteile bringen. Konsequenterweise spezifizieren Fahrradhersteller deshalb ganze Modellreihen wieder mit leichter Starrgabel. Dabei sammeln sie für die Rahmen- und Gabelfertigung sowohl neue, als auch bereits verlorengegangene Erfahrungen, was eine gute Starrgabel ausmacht. Denn völlig starr soll eine gute Gabel gar nicht sein. Definiert eingesetzt, verschafft ein vertikaler Flex der Gabelholme dem Vorderrad permanenteren Bodenkontakt und damit besseres Lenk- und Fahrverhalten. Vibrationen durch Bodenunebenheiten kappt das die Spitzen, sie gelangen nicht mehr zum Fahrer durch. In Längsrichtung jedoch darf eine Gabel nur wenig nachgiebig sein, um beim Bremsen keine Verzögerungsenergie zu verschenken oder gar ins Stottern zu geraten. Scheibenbremsen beanspruchen die Gabel asymmetrisch und oft mit brachialer Gewalt – auch diese einseitige Belastung gilt es von Beginn an konstruktiv zu berücksichtigen. Dazu kommen weitere Optionen wie das Tapering, also die Konifizierung des Gabelschafts aus Stabilitätsgründen, Direktkontakt zum Nabendynamo, die optimale Verlegung von Lichtkabel und Bremsleitung und eine optisch gefällige Einbindung der Gabel in den Rahmen – all dies macht es den Konstrukteuren nicht einfacher. Der hohe Aufwand, der heute in eine moderne Starrgabel fließt, erfordert zunehmend, dass Rahmen und Gabel eng aufeinander abgestimmt entwickelt werden. Universell verwendbare Starrgabeln als Ersatzteil gibt es deshalb so gut wie gar nicht mehr zu kaufen.

Drössiger RSA Street 1
Foto: Daniel Simon

Es war ein großer Spaß, mit den Leichtgewichten durch den Testparcours zu wedeln und ihre hohe Fahrdynamik zu erspüren. Doch überschätzen sollte man das Fahrradgewicht nicht: In der Praxis schlägt es nur zu Buche beim Anfahren, Beschleunigen und, analog dazu, Verzögern, sowie beim Bergauffahren und im Handling. Beim Pedalieren in der Ebene, was die mit Abstand häufigste Fahrsituation sein dürfte, ist weit wichtiger, wie und wo das Gewicht am Fahrrad verteilt ist. Denn seinen unangenehmsten Effekt hat hohes Gewicht am Laufrad: Je weiter vom Drehpunkt entfernt, desto störender wirkt sich Mehrgewicht hier aus. Über die Hebelgesetze vervielfacht sich eine Gewichtsauswirkung um so mehr, je größer die Hebellängen sind. Die Folgen sind fehlende Agilität, träges Fahr- und unruhiges Lenkverhalten durch die hohen Kreiselkräfte der rotierenden Masse. Schwere Reifen, Schläuche und Felgen sind also echte Spaß-Bremsen. Doch gleichzeitig ist hier auch Stabilität gefordert: Scheibenbremsen zerren einseitig an den Speichen, Gepäck belastet das hintere Laufrad, einen Bordsteinrumpler sollte jedes Laufrad unbeschadet wegstecken können. Deshalb sind stabil gebaute Laufräder eine der wichtigsten Zutaten für intelligenten Fahrrad-Leichtbau.


Fazit:

Leichte Räder machen einfach mehr Spaß – das lässt sich zweifelsfrei behaupten. Im allgemeinen Handling, beim Beschleunigen und bei jeder Fahrt bergauf machen sich fehlende Kilos durch Lustgewinn bemerkbar. Wer maßvoll packt, kann mit einem Leicht-Tourer guten Gewissens auf Tour gehen: 15 Kilo Testlast brachten keinen unserer Kandidaten ins Schleudern. Achten Sie auf leichte Laufräder und Reifen: Hier spürt man das Gewicht am stärksten.


Der komplette Artikel stand in Trekkingbike-Ausgabe 4/2015.


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