Jochen Donner
· 27.01.2017
Optisch beeindruckt das Stevens P-Carpo durch markant-muskulösen Auftritt. Sitzt man im Sattel, verhält sich der souveräne Tourer wie ein schnurrendes Kätzchen.
Am Anfang hatte der Tester schlicht Angst. Angst, dass das Stevens P-Carpo so ein Brummer sein könnte, dass schon auf der Kellertreppe die Bandscheibe zwackt. Und davor, das Rad mit anstrengendem Körpereinsatz über den Testparcours wuchten zu müssen, den er eben noch mit dem Leichtgewicht Crossway überfliegen durfte. Auf der Treppe vorsichtige Entwarnung: Das Rad trägt sich optimal, wenn man es am Sitzrohr-Versatz angreift. Es hängt dann genau ausbalanciert und lässt sich prima die Treppe hoch deichseln. Im Hof dann der totale Flash, wie man neudeutsch sagen könnte: Sitzt man erst mal im Stevens (jawoll, "im", nicht "auf"!), mit perfekter Ausgewogenheit zwischen den riesigen 29er-Reifen, den über 70 Zentimeter breiten Lenker in den Händen, und tritt an, geht das P-Carpo los wie Schmidts Katze. Die muss ein äußerst geschmeidiges Tierchen sein: So seidenweich rollten wir noch selten! Durch langen Radstand (1152 mm) und Hinterbau (496 mm), die schön mittig zentrierte Balance und einen niedrigen Schwerpunkt entwickelt der Tourer eine überragende Handlichkeit.
Die Lenkgeometrie ist perfekt abgestimmt, es lenkt sich mühelos und exakt, mit einer wohltuenden Portion Laufruhe, die dem Stevens zu majestätischem Fahrverhalten verhilft. Verwindung kennt das Rad nicht, Gabel, Steckachse und die Vielzahl an Rahmendreiecken verleihen echte Unerschütterlichkeit, auch mit Gepäck. Sein Bauplan weist das P-Carpo als Pedelec-Modell aus, dem eine jeweils andere Brücke erlaubt, entweder Mittelmotor oder Pinion zu tragen. Die P1.18 hat für uns klar die Nase vorn: Ihre feine Abstufung und riesige Bandbreite ergänzen das P-Carpo perfekt zum kultivierten Alltags- und Tourenrad. Selbst am kreuzungsfreien Isar-Radweg spürt man diese Vorzüge in Form von gleichbleibender Kadenz und flotter Fahrt bei niedrigem Puls – es rollt halt so gut! Daran sind die Reifen nicht unschuldig, denn ein Big Apple dieser Größe wiegt nur 810 Gramm und kann bei 1,8 bar die 75 Tester-Kilos mit perfekter Mischung aus Rollfreude und Dämpfung vorwärts befördern. Einem beteiligten Designer mit Motorrad-Erfahrung verdanken wir das einzige Manko des P-Carpo: waagerechte Ausfallenden! Zum Radausbau muss man zuerst die Riemenspannung völlig auf Null stellen, um den Riemen ab- und das Laufrad entnehmen zu können. Das möchte auch Stevens baldmöglichst wieder ändern.
Der komplette Artikel „Top-Räder 2017“ stand in Trekkingbike-Ausgabe 1/2017.