Antriebs-NeuheitenDer Mivice M070 und der Fazua Ride 60 im Test

Uli Frieß

 · 28.12.2022

Mivice M070: Leicht, fein geregelt, hohes Drehmoment über einen weiten Bereich.
Foto: MYBIKE

Flinke und schicke Design-Pedelecs für den Stadtverkehr sind schwer angesagt. Zwei Antriebs-Neuheiten erweitern das Motorenangebot für die leichte Klasse.

Was viele Autofahrer nicht akzeptieren wollen, ist für Fahrradfahrer gelebter Alltag: Kurzstreckenfahrten und alltägliche Trips durch das urbane Verkehrsgetümmel bewältigen leichte Fahrzeuge deutlich besser als hochgerüstete, leistungsstarke Schwergewichte. So ist der Trend zum leichten Pedelec ungebrochen, der Markt für geeignete Antriebskomponenten wächst kontinuierlich mit. Die beiden Antriebe unseres Motorentests, der Mivice M070 und Fazuas neuer Ride 60, sind typische Vertreter des Low-Assist-Segments, sie passen vortrefflich zu leichten City- und Alltags-Pedelecs. Mit einer maximalen Leistung von gut 350 Watt und einem am Hinterrad gemessenen Drehmoment von etwa 60 Nm eignen sie sich trotz unterschiedlicher Charakteristik uneingeschränkt für die Stadt und gemütliche Kurztouren.

Mehr Freiheit durch kleine Motoren

Solche kleinen, leichten und leistungsreduzierten Motoren bieten Pedelec-Konstrukteuren viele Freiheiten. Unscheinbare Hinterradmotoren wie der Mivice M070 benötigen keinen Kontaktpunkt zur Aufnahme am Rahmen, ihre kleinen Akkus sind leicht und können in filigranen Rahmenrohren versteckt werden. Der 2017 in China gegründete Motorenhersteller Mivice hat derzeit fünf Motormodelle im Programm. Mit dem Hinterradnabenmotor M070 legt der Hersteller ein gelungenes Debüt im Low-Assist-Umfeld aufs Parkett, der kleine Antrieb ist überraschend drehmomentstark und ebenso intuitiv wie sensibel geregelt. Der 252 Wh große Akku unseres leichten Testrads liefert für den Einsatz im urbanen Umfeld ausreichend Energie. Radhersteller können zwischen mehreren Mivice-Farbdisplays mit unterschiedlicher Informationstiefe und Funktion wählen.

Mivice M070: Leicht, fein geregelt, hohes Drehmoment über einen weiten Bereich. Foto: MYBIKE
Mivice M070: Leicht, fein geregelt, hohes Drehmoment über einen weiten Bereich.

Unscheinbarer Mittelmotor

Mittelmotoren mit überschaubarer Leistung wie Fazuas brandneuer Ride 60 folgen demselben Entwicklungsziel, übertragen ihre Kraft aber per Kettenblatt, Kette und Ritzel. Anders als seine Vorgängermodelle lässt sich der Fazua nicht mehr aus dem Rahmen entnehmen, sondern ist fest in Unterrohr und Rahmenknoten verbaut. Der 430 Wh großen Akku lässt sich nach wie vor aus dem Rahmen entnehmen. Gesteuert wird der Ride 60 über die minimalistischen Ringschalter am Lenker. Mittels Boost-Funktion können Fazua-Fahrer die Maximalleistung auf Wunsch kurzzeitig auf knapp 500 Watt steigern. Akku-Ladestand oder die Unterstützungsstufe lassen sich auf der im Oberrohr integrierten Fazua-LED-Anzeige ablesen. Für tiefere Eingriffe ins Motorsystem und einen erweiterten Funktionsumfang gibt es die Fazua-Smartphone-App.

Fazua Ride 60: Laufruhig, kräftige Boost-Funktion mit hohem Anfahrdrehmoment. Foto: MYBIKE
Fazua Ride 60: Laufruhig, kräftige Boost-Funktion mit hohem Anfahrdrehmoment.

Der Mivice M070

Hinterradnabenmotoren wie der M070 eignen sich ideal für stylische und leichte Pedelecs mit fragilen Rahmenformen. Der Antrieb lässt sich feinfühlig über die Pedalkraft steuern, seine Motorkraft setzt sanft und berechenbar ein. Hört man auf, zu treten, stoppt der Motor mit nur minimaler Verzögerung. In der höchsten Unterstützungsstufe leistet der Mivice je nach Geschwindigkeit beziehungsweise Kadenz zwischen 250 und 350 Watt. Für den Alltagsbetrieb und entspannte Kurztouren reicht das locker aus. Das Kombiinstrument mit Display am linken Lenkerende unseres Testrads ist unauffällig und funktional. Erst nach Eingabe eines vierstelligen Zahlencodes am Display erwacht der Antrieb zum Leben. Es gibt drei gut differenzierte Unterstützungsstufen.

Motorenleistung des Mivice M070 auf der höchsten Stufe in Abhängigkeit der Tretleistung Foto: MYBIKE
Motorenleistung des Mivice M070 auf der höchsten Stufe in Abhängigkeit der Tretleistung
Motorenleistung des Mivice M070 auf höchster Stufe in Abhängigkeit der Trittfrequenz Foto: MYBIKE
Motorenleistung des Mivice M070 auf höchster Stufe in Abhängigkeit der Trittfrequenz

Die Motorleistung des M070 variiert je nach Geschwindigkeit. Je schneller das Pedelec bewegt wird, desto mehr Leistung liefert der Antrieb und gleicht damit ansteigende Fahrwiderstände aus. Wie kraftvoll der Fahrer in die Pedale tritt, spielt dabei keine Rolle. Gut gefällt der Drehmomentverlauf beziehungsweise die Kraftentfaltung. Schon bei niedrigen Kadenzen drückt der Motor mehr als 60 Nm aufs Hinterrad, und das Drehmoment verringert sich mit ansteigender Kadenz nur minimal. Damit eignet sich der Mivice für Fahrer, die auch mit wenig Tretkraft und über alle Kadenzen hinweg und auch schon beim Anfahren möglichst stark unterstützt werden wollen.

Testrad mit Mivice M070 Antrieb: Das Tenways CGO600

Das Tenways CGO600 Foto: MYBIKE
Das Tenways CGO600
  • Preis: 1599 Euro
  • Rahmen: Alu
  • Motor/Akku: Mivice M070/252 Wh
  • Schaltung: Singlespeed; 60/22 Zähne
  • Reifen: CST Urban Reflex 47-622
  • Gewicht: 17,1 Kilogramm
  • Das Tenways CGO600 im MYBIKE-Test

Fazua Ride 60

Neben den konstruktiven Änderungen – der Motor ist nicht mehr aus dem Rahmen entnehmbar – ist das maximale Drehmoment gegenüber dem Fazua Evation um 10 Nm gesteigert worden. Seine Charakteristik unterscheidet sich dagegen kaum von der des Vorgängers. Die Leistung verläuft bei allen Tretleistungen stetig in gleicher Höhe. Für schnelle Antritte hat der Motor eine Boost-Funktion, sie steigert die Maximalleistung während der Fahrt auf Knopfdruck zwölf Sekunden lang auf knapp 500 Watt. Wird der Boost vor dem Anfahren aktiviert, setzt er für vier Sekunden ein. Die drei Unterstützungsstufen und die Boost Funktion werden mit der unscheinbaren und haptisch gelungenen „Ring-Control“ am linken Lenkerende angewählt.

Motorenleistung des Fazua Ride 60 auf höchster Stufe in Abhängigkeit der TretleistungFoto: MYBIKE
Motorenleistung des Fazua Ride 60 auf höchster Stufe in Abhängigkeit der Tretleistung
Motorenleistung des Fazua Ride 60 auf höchster Stufe in Abhängigkeit der Trittfrequenz Foto: MYBIKE
Motorenleistung des Fazua Ride 60 auf höchster Stufe in Abhängigkeit der Trittfrequenz

Mit Ausnahme ganz niedriger Kadenzen verharrt die Leistung des Ride 60 unabhängig von der Tretleistung bei etwa 350 Watt. Bei weniger als 50 Pedalumdrehungen liefert der Fazua nur noch zwischen 150 und 250 Watt ans Hinterrad. Mit aktiviertem Boost steigt die Maximalleistung kurzzeitig bis auf knapp 500 Watt. Das Drehmoment erreicht sein Maximum ohne Boost erst bei einer Kadenz von etwa 50 Pedalumdrehungen und hilft damit beim Beschleunigen erst aus mittleren Geschwindigkeiten heraus. Mit aktiviertem Boost liegt das maximale Drehmoment von knapp 70 Nm dagegen viel früher an und hilft Fazua-Fahrern aktiv beim Anfahren. Ein idealer Antrieb für Fans leichter Pedelecs, die kurzzeitig dynamische Spurts mit hoher Leistung schätzen.

Testrad mit Fazua Ride 60 Antrieb: Das Riese & Müller UBN Five Touring

Das Riese & Müller UBN Five Touring Foto: MYBIKE
Das Riese & Müller UBN Five Touring

Fahrtest

Nicht alles, was ein Antrieb kann, lässt sich auf einem Prüfstand messen. Wie sensibel ein Motor auf den Pedaldruck reagiert und wie stark er beschleunigt, zeigt sich nur auf einer Testfahrt. Das gilt auch fürs Ansprechund Abschaltverhalten. Der Antrieb muss beherrschbar einsetzen und beim Anfahren am Berg möglichst sofort anlaufen. Wenn man aufhört, zu treten, sollte der Motor sofort abschalten und nicht nachschieben.

Prüfstandtest

Die maximale Dauerleistung der Motoren haben wir auf unserem Prüfstand gemessen. Sie differiert, abhängig von der Trittfrequenz (Kadenz), mehr oder weniger stark. Gemessen wurde bei 20 km/h und, je nach Gangabstufung, mit Kadenzen nahe 40, 50, 60, 70, 80 und 90 Umdrehungen pro Minute. Die Tretleistung des Fahrers haben wir mit 100, 120, 140, 160 und 180 Watt simuliert. Aus den Kurven auf S. 36 lässt sich der Leistungsverlauf abhängig von Kadenz und Tretleistung ablesen. Das Drehmoment haben wir bei 70 Kurbelumdrehungen pro Minute und 140 Watt Tretleistung gemessen.

Die Räder aus dem Test