Jochen Donner
· 21.05.2021
Es gibt eine verwirrend große Zahl an Schaltsystemen, die die Tretkraft des Radlers in Vortrieb verwandeln. Die vielen Optionen lassen sich aber gut nach ihren Einsatzbereichen sortieren.
Über die beste Schaltung lässt sich unter Fahrrad-Freaks lange und trefflich streiten– allein, es gibt sie nicht! Denn die Schaltung eines Bikes muss vor allem dazu passen, was ihr Besitzer damit vorhat. Sind lockere Nahverkehrs-Fahrten innerorts bei ebener Topografie die Regel, oder ist eine heldenhafte Alpenüberquerung über steile Pässe mit vollständigem Reisegepäck für die anschließende 3-wöchige Italienrundfahrt geplant? Führt der Arbeitsweg auch über grobe Feld- und Waldwege oder nur über glatten Asphalt? So konträr die Anforderungen, so beruhigend die Tat- sache: Für jedes Profil innerhalb des umfangreichen Spektrums gibt es das passende Rad mit der richtigen Schaltung. Es kommt eben darauf an. Grundsätzlich ist der Unterschied, ob man ein klassisches Fahrrad mit reiner Muskelkraft bewegt oder ob man sich mit Motorunterstützung auf Touren bringen lassen will. Im ersten Fall liegt der Schwerpunkt auf möglichst hoher Effizienz der Schaltung, was geringes Gewicht, eine große Anzahl von Gängen und gleichmäßige Abstufung bedeutet. Denn der menschliche Muskel-Apparat mag keine großen Drehzahllöcher, sonst kommt er aus der Puste oder zu schnell in den roten Bereich. Doch auch der nötige Aufwand für Wartung und Pflege will bedacht sein. Wer das selbst erledigt, weil er Spaß daran hat, kommt mit einer wartungsintensiven Kettenschaltung besser zurecht als jemand, dem schon Fahrrad-Putzen ein Greuel ist. Bei E-Bikes liegen die Dinge etwas anders: Der Motor ist nicht so unbedingt auf eine feinmaschige Übersetzung angewiesen. Deshalb wirken hier Nabenschaltungen mit großen, unregelmäßigen Gangsprüngen oder Kettenschaltungen mit geringerer Ganganzahl nicht negativ auf die Fahrdynamik. Bei Schaltgetrieben ist zudem der Wartungsbedarf deutlich niedriger. Dazu kommt, dass viele E-Biker ihr hochkomplexes Fahrzeug sowieso lieber als Ganzes zu Service, Wartung und eventuellen Reparaturen in eine professionelle Werk- statt geben. Das ist erst recht bei elektronischen Schaltungen wie der Stufenlos-Automatik Enviolo oder der elektrifizierten Rohloff E14 angemessen.
STANDARDSCHALTUNGEN
KETTENSCHALTUNG
PLUS - riesige Bandbreite, enge Gangsprünge, leicht; exakte Performance
MINUS - pflege- und wartungsintensiv; hohe Verschleißanfälligkeit
In abwechslungsreichen Revieren, wenn neben ebenen Strecken auch Hügel oder gar Berge zu erklimmen sind, ist sie optimal. Die Kettenschaltung schränkt fahrtechnisch am wenigsten ein, ist leicht und preisgünstig. Auch wer mit Gepäck unterwegs ist, weiß die feine Gangabstufung und große Bandbreite zu schätzen. Varianten mit einem, zwei oder drei Kettenblättern und 10, 11 oder 12 Ritzeln hinten bieten feine Unterschiede, die je nach Nutzungsintensität, Landschaftsprofil und persönlicher Fitness zu bewerten sind.
NABENSCHALTUNG
PLUS - geringster Wartungsbedarf und Störanfälligkeit; lange Lebensdauer
MINUS - weniger, weiter und unregelmäßig gestufte Gänge; relativ hohes Gewicht
Die empfindliche Mechanik in ein geschlossenes Gehäuse zu packen ist für eine Fahrradschaltung eine gute Idee. Störungs- und Wartungsniveau sinken, die Lebensdauer steigt. Mittelklasse-Naben wie Shimanos Nexus und Alfine mit 8 respektive 11 Gängen bieten deutlich weniger und teils gröber gestufte Gänge als eine Kettenschaltung. Das macht sie ideal in vorwiegend ebenen Gegenden mit nur wenigen, leichten Steigungen. Auf Kurz- und Mittelstrecke sowie im Alltagsverkehr spielen sie ihre Vorteile bestens aus.
PREMIUMSCHALTUNGEN
ROHLOFF-NABE
PLUS - extrem zuverlässig, langlebig und effizient; gleichmäßige Gangsprünge
MINUS - etwas schwerer als Kettenschaltung
Mit 14 gleichmäßig gestuften Gängen und von legendärer Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ist die Rohloff-Schaltung aus Nordhessen ein Technik-Klassiker. Seit 1998 bildet die Premium-Nabenschaltung die Bandbreite einer Kettenschaltung in höchster mechanischer Qualität ab. Nässe oder Schmutz können ihr nichts an- haben, härteste Einsatzbedingungen und hohe Laufleistungen steckt die Rohloff locker weg. Ideal für Ganzjahres-Biker und Reiseradler rund um den Erdball, die ohne Defekte einfach nur fahren wollen.
PINION-GETRIEBE
PLUS - extrem große Bandbreite und Robustheit; niedrigster Wartungsaufwand
MINUS - relativ schwer; hochpreisig
Als tiefstmöglichen Punkt platziert Pinion sein Schaltgetriebe mit 18, 12, 9 oder 6 Gängen am Tretlager. Der Getriebeblock benötigt eine spezielle Rahmenanbindung, Kurbel und Tretlager sind integriert. Alle Getriebe bieten eng, gleichmäßig und seriell gestufte Gänge sowie hohe Betriebssicherheit und Lebensdauer. Wie bei Rohloff schaltet man per Drehgriff, es gibt aber auch Trigger- Schalter. Die P1.18 ist ideal für höchste Beanspruchungen durch Reise- und Vielfahrer, 12er und 9er mehr für Touren- und Alltagsradler.
ELEKTRONIKSCHALTUNGEN
Pedelecs und ihr Bordstromnetz machen elektrisch gesteuerte Schaltungen möglich. Stellmotoren übernehmen an Shimanos Nexus E5 und der 14-gängigen Rohloff-Nabe das Einlegen der Gänge, am Lenker gibt eine Schalttaste das Kommando. Die stufenlose AutomatikSchaltung Enviolo geht einen Schritt weiter: Ein Sensor überwacht am Tretlager die Trittfrequenz. Der Fahrer wählt seine Wohl- fühl-Kadenz, die Automatik regelt permanent die passende Übersetzung nach.