Mächtig SchubPedelec-Antriebe im Vergleichstest

Uli Frieß

 · 19.02.2021

Mächtig Schub: Pedelec-Antriebe im VergleichstestFoto: Daniel Simon
Mächtig Schub

Der Markt für Pedelec-Antriebe ist in Bewegung. Neue Hersteller stellen sich vor, die etablierten erneuern ihre Modellpalette. Hier stellen wir die wichtigsten neuen Pedelec-Motoren vor

Das Modelljahr 2020 startet mit einer Motoren-Offensive. Gleich mehrere Hersteller haben ihr Portfolio überarbeitet und gehen mit neuen Motormodellen in die Saison. Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr: Etablierte Hersteller wie Bosch, Brose, Yamaha und andere sind mit ihren Antrieben schon mehrere Jahre präsent, neue Anbieter wie Bafang oder Sachs ringen um Marktanteile. Gleichzeitig verlangen Radhersteller und Kunden vermehrt nach Aggregaten für spezielle bzw. unterschiedliche Einsatzzwecke. Hatte ein Hersteller noch vor wenigen Jahren gerade mal einen Motor im Programm, sind es bei den Marktführern heute mindestens drei. Und weil die Konkurrenz nicht schläft, braucht es alle paar Jahre ein Update.

Moderne Pedelec-Motoren deutlich verbessert

Tatsächlich haben sich Pedelec-Motoren über die Jahre deutlich weiterentwickelt. Sie sind spürbar effizienter geworden, laufruhiger und leiser, und ihre Leistung lässt sich heute viel sensibler und intuitiver nutzen.

Qualitativ gibt es unter den bekannten Herstellern kaum mehr Unterschiede, im Fahrverhalten diffe­rieren die Antriebe jedoch fühlbar. Weil der Gesetzgeber die Nennleistung von Pedelec-Motoren auf 250 Watt begrenzt, liegen die Unterschiede weniger in der maximalen Leistungsabgabe. Die ist zwar durch die Bank deutlich höher als die Nennleistung. Trotzdem lässt sich die Maximalleistung, die ein Antrieb über längere Zeit abgeben kann, nicht unbegrenzt ausreizen; bei den meisten Motoren liegt sie zwischen 450 und 550 Watt. Vielmehr unterscheiden sich die Motoren in der Art und Weise, wie sie auf die Pedalkraft des Fahrers reagieren. Setzt ihre Kraft sanft ein, oder treiben sie das Pedelec schon bei geringer Pedalkraft ungestüm nach vorn? Wie schnell muss sich die Kurbel drehen und wie kräftig muss man treten, um dem Antrieb die maximale Kraft zu entlocken? Ganz wichtig: Stoppt der Antrieb nicht sofort, wenn man aufhört zu treten?

Bosch und Brose im Vergleich

MYBIKE beleuchtet in den nächsten Ausgaben detailliert, wie sich die Motoren der aktuellen Generation verhalten. In diesem Heft beginnen wir mit drei neuen Motoren: zwei Modelle ­stammen von Bosch – Performance Line und Performance Line CX –, eines von Brose. Das Unternehmen, wie Bosch ein großer Auto­mobil-Zulieferer, fertigt den neuen Drive T Mag wie alle seine ­Pedelec-Motoren in Berlin. Boschs neue Performance Line wurde für Alltags- und Trekking­räder entwickelt und zieht mit einem maximalen Drehmoment von 65 Nm (Newtonmeter) an der Kette. Gegenüber seinem Vorgänger ist der Antrieb deutlich leiser geworden. Der neue Performance Line CX ist mit maximal 75 Nm Drehmoment für Mountainbikes konzipiert. Auch er ist etwas leiser geworden und arbeitet in einem neuen, kleineren Magnesiumgehäuse. Ein neuer E-MTB-Modus macht den Wechsel der Unterstützungsstufe überflüssig. Broses Drive T Mag für Tourenräder läuft auch in einem Magnesiumgehäuse. Damit konnte der Antrieb 500 Gramm leichter und 15 Prozent kleiner werden als sein Vorgänger. Wie sich die drei neuen Motoren im Test schlagen, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Die Pedelec-Motoren im Fahrtest

Will man Pedelec-Motoren seriös beurteilen, kommt man um Fahrtests nicht herum. Denn nicht alles, was ein Antrieb kann, lässt sich auf einem Prüfstand abbilden und messen. Wie sensibel ein Antrieb auf den Pedaldruck reagiert, erfährt man nur während einer Testfahrt. Gleiches gilt fürs Ansprech- und Abschaltverhalten. Der Motor muss sanft und beherrschbar einsetzen und sollte beim Anfahren am Berg nicht erst nach einer halben Kurbel­umdrehung anlaufen. Wenn man aufhört zu treten, muss der Motor sofort abschalten. Selbst ein kurzes Nachschieben kann gefährliche ­Situationen provozieren.

  Zur Beurteilung von Pedelec-Antrieben ist eine Testfahrt unerlässlichFoto: Daniel Simon
Zur Beurteilung von Pedelec-Antrieben ist eine Testfahrt unerlässlich

Der Prüfstandstest

Mit Tests auf unserem Rollenprüfstand haben wir den Motoren auf den Zahn gefühlt und ge­messen, wie hoch ihre maximale Dauerleistung ist. Die unter­scheidet sich deutlich von der Nennleistung von 250 Watt. Die ­Prüfstandsläufe haben zudem ­gezeigt, dass die Leistungsab­gabe abhängig von der Trittfrequenz (Kadenz) bei den einzelnen Motoren mehr oder weniger stark diffe­riert. Gemessen wurde bei 20 km/h und mit Kadenzen von rund 60, 70, 80 und 90 Umdreh­ungen pro Minute. Die Tretleistung des Fahrers haben wir mit 100, 130, 160, 190 und 200 Watt simuliert. Die Ergebnisse finden Sie in den Leistungskurven auf den Seiten 24 und 25. Daraus lässt sich neben dem für jeden Antrieb charakteristischen Leistungsanstieg auch ablesen, bei welcher Trittfrequenz und welcher Tretleistung ein Motor seine ­maximale Unterstützung liefert.

Den Einfluss der Unterstützungsstufen auf die Motorleistung ­haben wir ebenfalls geprüft. ­Dazu wurde in jeder Unterstützungsstufe die maximale Leistungsabgabe bei 70 Kurbel­umdrehungen pro Minute gemessen.

Die Test-Ergebnisse

Bosch Performance Line

Foto: Daniel Simon

Mit diesem Motor bietet Bosch Trekkingradlern und sportlichen Pendlern ein Antriebssystem, das schon bei niedrigen Trittfrequenzen kraftvoll unterstützt und sich betont natürlich fährt. Der Antrieb stellt ein maximales Drehmoment von 65 Newtonmetern bereit und verstärkt die Trittkraft des Fahrers mit bis zu 300 Prozent. Der deutlichste Unterschied zum Vorgänger ist die Geräusch­entwicklung; Der Antrieb ist sehr leise und laufruhig geworden. Dabei bleibt seine kraftvolle Leistungsentfaltung nur knapp hinter dem Performance CX zurück. Ansprech- und Abschaltverhalten sind, typisch für Bosch, untadelig, die vier Unterstützungsstufen gut differenziert.

Bosch Performance Line CX

Foto: Daniel Simon

Das aktuell stärkste Bosch-Aggregat. Ursprünglich wurde der Motor für Mountainbikes entwickelt. Weil aber viele Kunden Wert auf maximale Power legen, findet er sich auch an anderen Radgattungen, sogar an Tiefeinsteigern. Der ­Performance CX arbeitet in einem Magnesiumgehäuse und wiegt 2,9 Kilo, er ist 25 Prozent leichter als sein Vorgänger und nur noch halb so groß. Damit können die Kettenstreben kürzer werden, was vor allem das Fahrverhalten von E-MTBs verbessert. Der Motor liefert ein Drehmoment von maximal 75 Newtonmeter, unterstützt im Turbo-Modus mit bis zu 340 Prozent der Fahrerleistung. Der ­Motor agiert gewohnt sensibel, Ansprech- und Abschaltverhalten sind tadellos.

Brose Drive T Mag

Foto: Daniel Simon

Den Brose Drive T gibt es in einer Aluminium-Version und als T Mag mit Magnesiumgehäuse. Damit ist der Motor um etwa 500 Gramm leichter und 15 Prozent kleiner. Die T-Version ­wurde speziell für Trekkingbikes entwickelt und soll eine signifikant höhere Reichweite ermöglichen. Der Motor ist äußerst lauf­ruhig und leise. Seine Kraft entfaltet er auf deutlich niedrigerem Niveau als die Top-Version S Mag. Für ausgedehnte Touren ist die Leistung absolut ausreichend, Trekkingradler werden seinen sehr sensiblen und laufruhigen Charakter schätzen. Einziger Kritikpunkt: etwas zu wenig Anfahrleistung am Berg.

Den kompletten Vergleichstest inkl. aller Testurteile und Einzelbewertungen können Sie unter dem Artikel als PDF herunterladen. Der Test kostet 1,99 Euro.

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