Top-Mountainbikegruppe künftig auch elektrisch

Jörg Spaniol

 · 20.10.2014

Top-Mountainbikegruppe künftig auch elektrischFoto: Werksfoto
Top-Mountainbikegruppe künftig auch elektrisch

Ein Schalter für alle Gänge, und nie mehr verschalten: Shimanos Top-Mountainbikegruppe XTR gibt es künftig auch in einer elektrisch betätigten Version. Fakten, Meinungen und erste Praxis-Erfahrungen.

Vieles lässt sich am Bedien-Computer der neuen XTR programmieren, doch die wohl spannendste Funktion heißt "Synchroshift": Wie bei einer Nabenschaltung lassen sich die Gänge auf Wunsch hintereinander durchklicken, mit einem einzigen Schalter. Die Entscheidung, ob vorne am Kettenblatt oder hinten am Ritzel geschaltet wird, übernimmt die Elektrik – und setzt sie mit kleinen Elektromotoren auch superschnell, präzise und fast unbemerkt um, wenn man den Erfahrungen erster Probefahrten trauen darf. Damit vermeidet die Technik selbständig verschleiß- und reibungsintensive Kettenverläufe. Rennfahrer müssen keinen Gedanken an die Schaltstrategie verschwenden, für Trekkingbiker könnte es einen Komfortgewinn bedeuten. Diese Schaltlogik gab es bei den bisherigen Di2-Schaltungen fürs Rennrad nicht.
Ein weiterer wichtiger Unterschied zu bisherigen Mountainbike-Schaltgruppen ist die Festlegung auf ein einziges Ritzelpaket. Das ist elffach und hat die gewaltige Spreizung von 11 bis 40 Zähne. Gleichzeitig gibt es die XTR-Kurbel neuerdings auch mit nur einem Kettenblatt vorne – eine Option, die wohl nur für Flachländer und Rennfahrer infrage kommen dürfte. Wer ein größeres Übersetzungsspektrum braucht, kann weiterhin ein Doppel- oder Dreifachkettenblatt wählen. Mit der neuen Topgruppe stößt Shimano auch preislich in neue Dimensionen vor:
der Importeur rechnet mit einem um mindestens 50 Prozent höheren Preis als bei der mechanischen XTR.

Elektrisch schalten am Trekkingbike?

Das sagen die Experten:

„Für mich ist das zunächst ein kulturelles Thema, wie die Debatte umenge oder weite Radhosen, Fully oder Hardtail. Technisch wird das irgendwann funktionieren, selbst wenn sich noch Kinderkrankheiten herausstellen sollten. Bis die Trekkingbiker elektrisch schalten, dürfte aber noch eine Weile vergehen: sie sind radkulturell eher auf der konservativen Seite."
Uwe Matthies, MAXX

  Der Akku liefert Saft für mehr als 1500 Schaltvorgänge.Foto: Werksfoto
Der Akku liefert Saft für mehr als 1500 Schaltvorgänge.


"Vor vielen Jahren gab es einen mechanischen Drehgriff, der genau das gemacht hat, was für Trekkingradler an der Di2 sinnvoll ist: Er hat alle Gänge mit einem einzigen Schalter hintereinander durchgeschaltet und starken Schräglauf vermieden. Das Teil ist aus verschiedenen Gründen gescheitert, aber die Synchroshift-Funktion der Di2 macht genau das, nur eben elektronisch. Für Trekkingbiker ist der technische und finanzielle Aufwand aber übertrieben, selbst wenn die Technik an die XT-Gruppe weitergereicht wird. Doch die Schaltfunktion hat mich bei einer Probefahrt überzeugt."
Volker Dohrmann, STEVENS


"Ich sehe bei der Trekking-Kundschaft nur eine sehr kleine Nutzergruppe: Gelegenheitsradler brauchen es technisch nicht, auch wenn sie mit der Schaltlogik einer Kettenschaltung oft überfordert sind und kreuz und quer schalten. Der klassische Fernreise-Radler wird aber weiterhin mit Rohloff schalten, da Di2 die Kettenschaltungsprobleme wie Quietschen, Versanden, Verschleißen nicht behebt – und Elektronik kommt denen ohnehin nicht ans Rad. Ich sehe es am ehesten bei den Randonneuren, die viel und schnell fahren. Aber die haben einen Rennlenker. Da wäre eine elektrisch gesteuerte Dreifach-Rennradgruppe auf Niveau der ‚105‘ sicher vielversprechender."
Stefan Stiener, VELOTRAUM

  Umwerfer: Auch der Wechsel der vorderen Kettenblätter funktioniert elektrisch.Foto: Werksfoto
Umwerfer: Auch der Wechsel der vorderen Kettenblätter funktioniert elektrisch.


"Solange Di2 bei den Mountainbike-Gruppen bleibt, ist es ohnehin von den Übersetzungen her noch zu bergauflastig – und es ist zu teuer: Trekkingbiker geben für das ganze Rad 1500 oder 2500 Euro aus, damit kommt man noch nicht in diese Bereiche. Wenn sich das ändert, kann ich es mir schon am Trekkingrad vorstellen. Es ginge dann aber nicht um Schaltgeschwindigkeit und -präzision, sondern um Komfort und die Vermeidung von Fehlbedienungen. Bei Pedelecs ist die Elektronik noch viel sinnvoller, beispielsweise in einem integrierten Antriebskonzept, das die Motorleistung zum Schaltzeitpunkt herunterregelt, damit das Schalten unter Last die Nabenschaltung nicht auf Dauer zerlegt."
Jonathan Herget, CUBE

  Das Display dient auch als Ladeanschluss.Foto: Werksfoto
Das Display dient auch als Ladeanschluss.


"Ich konnte es ausprobieren: Shimano hebt das Gängewechseln mit der XTR Di2 auf eine neue Ebene. Ich bezweifle weder die Langlebigkeit noch die Zuverlässigkeit der XTR Di2. Die cleane Optik mit im Rahmen verlegten Kabeln und integriertem Akku runden die innovative XTR Di2 standesgemäß ab. Doch warum elektronisch schalten, wenn es auch mechanisch perfekt funktioniert? Ich will selbst schrauben und nicht beim kleinsten Hakeln sofort zum Fachhändler laufen. Lieber selbst das Schaltseil wechseln oder die Seilspannung erhöhen, statt das Display an den Laptop zu hängen. Deshalb würde ich mir trotz der makellosen Funktion am Ende eine mechanische XTR-Version ans Bike schrauben."
Stefan Loibl, BIKE-Redakteur