E-Bike KaufberatungSind spezielle E-Bike-Komponenten sinnvoll oder Marketing?

Jörg Spaniol

 · 02.03.2023

 | Illustration: Dorothea Pluta

E-Bike-Komponenten und Rahmen grenzen sich immer mehr vom herkömmlichen Fahrrad ab. Sind speziell für Pedelecs entwickelte Komponenten sinnvoll oder reine Marketing-Strategie? Experten geben einen Kommentar über die Gründe der Unterschiede.

Weil das Radgewicht dank Motorkraft oft eine geringere Rolle spielt, kommen teils schwerere und robustere Teile zum Einsatz – die das ohnehin schwere Rad noch schwerer machen. Die Verfügbarkeit von reichlich Strom ermöglicht neue Lösungen wie ABS-Bremsen. Bislang zeigt sich der Trend vor allem bei den stärker belasteten E-Mountainbikes, doch auch für andere Pedelecs entwickelt die Industrie separate Lösungen. Sind spezielle E-Bike-Komponenten sinnvoll, oder ist das bloß Marketing? Geht der Trend bei den Komponenten zur kompletten Trennung zwischen E und Nicht-E?

Lothar Schiffner, Ergon: “wir bieten für jede Rad-Disziplin ein passendes Produkt”

Lothar SchiffnerFoto: Tino Pohlmann 2022
Lothar Schiffner

“Im Portfolio von Ergon haben wir ein Sattelmodell für E-Mountainbikes, in zwei Ausführungen. Das liegt an unserer Philosophie, für jede Rad-Disziplin ein passendes Produkt anzubieten, und E-Mountainbiking ist so eine Disziplin mit neuen Anforderungen: Man fährt steilere Anstiege rauf, und das fast gar nicht im Stehen, weil das mit Motor wenig Sinn macht. Also hat dieser Sattel hinten eine Rampe, die die Position stabilisiert, und vorne eine breite, weiche Nase, wenn das Fahrergewicht bergauf ganz nach vorne muss. Außerdem ist die Polsterung etwas komfortabler. Darüber hinaus sehen wir derzeit keine ergonomische Problemstellung durch das E-Bike, die nicht mit bestehenden Sattelmodellen zu lösen wäre.”

Dominik Voss, Magura Bosch Parts & Services: “die Anforderungen an Komponenten sind gestiegen”

Dominik VossFoto: Magura
Dominik Voss

”E-Bikes sind schwerer, fahren schneller, transportieren oft höhere Lasten und sind als Autoersatz auch öfter im Einsatz. Die gestiegenen Anforderungen an Komponenten wie Bremsen liegen deshalb auf der Hand! Magura bietet daher speziell für E-Bikes entwickelte Bremskomponenten an: Zusätzlich versteifte Bremsscheiben bieten noch mehr Bremskraft und überhitzen später, optimierte Belagsmischungen erhöhen die Dauerhaltbarkeit. Doch Entwicklungen wie diese sind erst der Anfang. Wir sind der Überzeugung, dass E-Bikes und E-Lastenräder spezielle Komponenten benötigen.”

Stefan Franken, Schwalbe: “Beim E-Bike sehen wir erhöhte Anforderungen an die Reifen”

Stefan FrankenFoto: Schwalbe
Stefan Franken

”Generell sehen wir beim E-Bike schon erhöhte Anforderungen an die Reifen. In der Haltbarkeit, vor allem aber beim Kurvengrip und beim Pannenschutz. Weniger versierte Fahrerinnen und Fahrer gehen oft zu schnell in die Kurve, und eine Reifenpanne nervt beim E-Bike noch mehr als beim Fahrrad. Die E-Bike-Empfehlung tragen deshalb bei uns nur Reifen der zwei höheren von drei Qualitätsklassen. Die entsprechende Kennzeichnung ist für uns natürlich auch hilfreich in der Kommunikation mit Händlern und Endkunden, denn sie erleichtert den Überblick in unserer riesigen Modellvielfalt. Doch seit wir vor über zehn Jahren die ersten E-Bike-Reifen eingeführt haben, hat sich auch die Reifentechnologie weiterentwickelt. Der Trend geht dahin, dass irgendwann alle höherwertigen Produktlinien e-tauglich sein werden, aber trotzdem für Normalradler keine Nachteile beim Gewicht oder Rollwiderstand haben.”

Moritz Dittmar, SRAM: “... die Zweiteilung in ‘E’ und ‘Nicht-E’ wäre damit vom Tisch.”

Moritz DittmarFoto: SRAM/Dennis Stratmann
Moritz Dittmar

”Wir sind ganz überwiegend im sportlichen Segment aktiv, aber die Technik der E-Mountainbikes kommt ja auch bei SUV-Pedelecs und E-Tourenbikes zum Einsatz. Die EX1 als E-MTB-Schaltung mit acht Gängen, hoher Robustheit und Schalten unter Volllast war technisch sicher sinnvoll, aber der Markt hat sie nicht angenommen. Das Konzept wird nicht weiterverfolgt. Stattdessen gehe ich davon aus, dass alle Mountainbike-Komponenten – den immer radikaleren Fahrwerken und Trails folgend – künftig auf mehr Robustheit und Verschleißfestigkeit ausgelegt sein werden. Die Zweiteilung in „E“ und „Nicht-E“ wäre damit vom Tisch. Wenn es um Federgabeln oder Bremsen geht, könnte sich ein Hersteller schwerer E-Bikes einfach in der nächstrobusteren Klasse bedienen, also Enduro-Teile für ein E-Allmountainbike vorsehen.”

Jörg Spaniol, MYBIKE: “Der Trend zu speziellen Pedelec-Teilen startet in manchen Fällen sogar einen Teufelskreis”

Jörg SpaniolFoto: Kerstin Leicht
Jörg Spaniol

”Die Behauptung, ein E-Biker sei pauschal schneller unterwegs oder müsse ein höheres Gewicht bändigen, erscheint mir gewagt: Radrennfahrer fahren mit sieben Kilo leichtem Material 100 Stundenkilometer schnell. Auch das Mehrgewichts-Argument ist bei Mainstream-Pedelecs nicht unbedingt schlagkräftig: Um etwa acht Kilo erhöhen Antrieb und Akku das Systemgewicht aus Rad, Fahrer und Gepäck. Das sind bei insgesamt 120 oder 130 Kilo nur ein paar Prozent. Sie erzwingen in den wenigsten Fällen höher belastbare Teile. Der Trend zu speziellen Pedelec-Teilen startet in manchen Fällen sogar einen Teufelskreis: Die robusteren Teile sind schwerer und rechtfertigen damit weitere Teile speziell für schwere Fahrräder ... Bei vielen der angebotenen Teile ließe sich die Bewerbung als „E-Bike-geeignet“ einfach durch „besonders robust“ ersetzen. Solche „Heavy Duty“-Produkte auch für unmotorisierte Intensivnutzer, Lastenradler oder Schwergewichtige wären eine echte Bereicherung des Angebots.”


Liegt der Schwerpunkt bei E-Bike-Komponenten auf Komfort?

Auch wenn Pedelecs letztlich Fahrräder sind, kommen manche Komfortteile an ihnen gehäuft zum Einsatz – auch, weil Gewicht weniger zählt.

Federstützen

Hochwertige Parallelogramm-Stützen sind wirksamer als die serienmäßig verbreiteten Teleskop-Modelle.Foto: byschulz
Hochwertige Parallelogramm-Stützen sind wirksamer als die serienmäßig verbreiteten Teleskop-Modelle.

Wer mit Motorhilfe fährt, tritt weniger fest in die Pedale und sitzt daher „schwerer “ im Sattel. E-Bike-Komponenten wie eine gefederte Sattelstütze sind auf jeden Fall ein Plus – wenn sie denn funktionieren. Hochwertige Parallelogramm-Stützen (siehe oben) sind wirksamer als die serienmäßig verbreiteten Teleskop-Modelle. Trotz ihres teils üppigen Mehrgewichts sind sie auf Touren sinnvoll.

Federgabeln

Federgabel: Suntour NEXFoto: Hersteller
Federgabel: Suntour NEX

E-Bike-Komponenten wie spezielle Pedelec-Federgabeln (beispielsweise die abgebildete Suntour NEX) sind nicht zwingend nötig. Wenn die serienmäßige Federgabel eine Verstellung der Federhärte zulässt, kann das hilfreicher sein. Das ist bei den teureren Gabeln mit Luftfeder immer der Fall, bei Stahlfeder-Gabeln dieser günstigen Preisklasse aber selten. Die Suntour NEX kommt deshalb ab Werk mit etwas härteren Federn und verdrehsteifen Stahl-Standrohren.

Reifen

Dickere Reifen verringern definitiv das Risiko, an Kanten und Hindernissen den Schlauch per Durchschlag zu beschädigen.Foto: Hersteller
Dickere Reifen verringern definitiv das Risiko, an Kanten und Hindernissen den Schlauch per Durchschlag zu beschädigen.

Dass auch E-Bikes fahrdynamisch in erster Linie Fahrräder sind und deshalb auch auf Fahrradreifen rollen können, steht außer Frage. Doch neben einer Betonung von Grip und Pannensicherheit (siehe das Statement von Schwalbe) spricht eine Praxiserfahrung für überlegte Reifenwahl: Beim Pedelec lassen sich Vorder- und Hinterrad schwerer entlasten, um Bordsteinkanten zu überwinden. Dickere Reifen verringern definitiv das Risiko, an Kanten und Hindernissen den Schlauch per Durchschlag zu beschädigen.

Bremsen

Eine Eigenheit am E-Bike ist die ABS-Bremstechnik von Bosch und Magura.Foto: Hersteller
Eine Eigenheit am E-Bike ist die ABS-Bremstechnik von Bosch und Magura.

Ob Pedelecs wirklich spezielle Bremsen brauchen oder ob es auch kräftige Modelle aus dem Fahrrad-Programm tun, ist diskussionswürdig – siehe die Aussagen von SRAM und Magura. Eine Eigenheit am E-Bike ist jedoch die ABS-Bremstechnik von Bosch und Magura. Sie ist bei muskelgetriebenen Rädern derzeit nicht einsetzbar. Auch eine neue Automatikschaltung von Shimano greift zwingend auf Strom und Elektronik von E-Bikes zurück.