Uli Frieß
· 12.04.2023
Beim Kauf eines neuen Pedelecs ist nicht zuletzt der Blick auf den E-Bike Motor und Akku ein wichtiges Kriterium. Entscheidend sind Vorlieben und Einsatzzweck.
Das richtige Motorsystem kann das Fahrerlebnis entscheidend bereichern. Aber Motor ist nicht gleich Motor. Marktübliche Pedelec-Antriebe unterscheiden sich deutlich in Leistung und Charakter. Welcher Antrieb der richtige ist, entscheiden nicht zuletzt persönliche Vorlieben.
Nabenmotoren sitzen direkt auf der Achse von Vorder- oder Hinterrad. Sie übertragen ihre Kraft beinahe lautlos und verlustfrei aufs Laufrad, können sehr leistungsstark sein und sensibel reagieren. An Pedelecs mit Hinterrad-Nabenmotoren kann aber keine Getriebenabe, wie beispielsweise die beliebte Shimano Nexus oder die stufenlose Enviolo, verbaut werden. Weil Kette und Ritzel nicht in den elektrischen Antriebsstrang eingebunden sind, ist deren Verschleiß deutlich geringer als bei Mittelmotoren. Kraftvolle Hinterrad-Nabenmotoren eignen sich deshalb nicht zuletzt sehr gut für Reise- und Tourenräder.
Sie sind ideale Allround-Antriebe: Die meisten Pedelecs sind mit Mittelmotoren ausgerüstet. Mittelmotoren sitzen zwischen den Kurbeln und übertragen ihre Kraft über das Tretlager aufs Kettenblatt und von dort über die Kette zum Hinterrad. Kettenblatt, Kette und Ritzel verschleißen deshalb schneller als bei Nabenmotoren. Durch die Motor-Einbaulage im Rahmenknoten liegt der Schwerpunkt des Rads tief und zentral, das ist vorteilhaft fürs Fahrverhalten. Leider lässt sich bei den meisten Modellen nur ein Kettenblatt montieren. Mittelmotoren sind mit Naben- und Kettenschaltungen kombinierbar.
Low-Assist-Antriebe sind erste Wahl für leichte Urban-Pedelecs, Commuter und Designräder. Die leistungsreduzierten Antriebe sitzen meist auf der Hinterradnabe, es gibt sie aber auch als Mittelmotoren. Aufgrund ihrer Baugröße und des geringen Gewichts eignen sie sich für Räder, denen man die Motorisierung nicht ansehen soll. Gegenüber potenteren Antrieben verbrauchen sie weniger Energie, somit kommen sie auch mit kleineren Akkus aus. Die Systeme bieten Designern viele Freiheiten bei der Konstruktion filigraner Rahmen. Die leichten Räder kompensieren einen Teil der geringeren Motorleistung.
Marktübliche Motormodelle unterscheiden sich untereinander teils deutlich in Leistung und Drehmoment. Die Harmonie zwischen Pedelec und Fahrer bestimmen also nicht nur die Fahreigenschaften des Rades, sondern auch die Charakteristik des Antriebs. Ein E-Bike Motor, der schon bei wenig Tretkraft und niedriger Trittfrequenz kräftig anschiebt, passt zu einer kraftsparenden und entspannten Fahrweise mit vielen Stopps. Legt der Antrieb dagegen proportional zur Tretkraft an Leistung zu, eignet er sich eher für sportliche Radfahrer.
Auch der Energieverbrauch hängt zum großen Teil von der Leistungscharakteristik ab: Antriebe, deren Leistung langsam, aber stetig mit der Pedalkraft ansteigt, laufen in der Regel sparsamer als solche, die schon geringen Pedaldruck maximal verstärken. Wer also selbst mehr Beinkraft investiert, kommt mit einer Akkuladung weiter. Die meisten Pedelec-Antriebe leisten übrigens deutlich mehr, als ihre Nennleistung von 250 Watt suggeriert. Dauerleistungen von mehr als 500 Watt sind eher die Regel als die Ausnahme.
Die obere Grafik zeigt den Leistungsverlauf eines Pedelec-Antriebs in Abhängigkeit von der Tretleistung bei verschiedenen Kadenzen (Trittfrequenzen). Gut zu sehen: Seine maximale Leistung erreicht der Motor erst bei höheren Kadenzen (hellblau, grün).
Die untere Grafik zeigt Drehmoment- und Leistungsverlauf abhängig von der Kadenz. Das hohe Drehmoment von mehr als 80 Nm bei niedriger Trittfrequenz hilft beim Anfahren und Beschleunigen.
Die Kapazität von Lithium-Ionen-Akkus für Pedelecs hat sich innerhalb von zehn Jahren beinahe verdoppelt. Große Akkus sind jedoch deutlich schwerer und teurer als solche mit geringerer Kapazität. Auch bei den Energiespendern gilt also: Entscheidend ist der Einsatzzweck.
Bis vor wenigen Jahren waren Akkus mit maximal 500 Wattstunden (Wh) Energieinhalt Standard. Ab 2020 gerieten die Dinge in Bewegung. Innerhalb eines Jahres kletterte die Kapazität der Akkus einiger marktrelevanter Motorsystemhersteller zuerst auf 625 Wh und schließlich auf 725 bis 750 Wh. Weil sich die abrufbare Motor-Leistung innerhalb des gesetzlichen Rahmens und damit ihr Energieverbrauch kaum mehr steigern lässt, stieg die mögliche Reichweite der Pedelecs damit deutlich an; 90 Kilometer sind problemlos möglich.
Allerdings schlägt sich die hohe Kapazität im Gewicht nieder. Ein üblicher 500-Wh-Akku wiegt knapp drei Kilo, ein 725-Wh-Modell schon mehr als vier. Der 250-Wh-Akku eines Low-Assist-Systems wiegt dagegen nur etwa 1,5 Kilo. Ein leichtes Stadtrad muss damit erst nach etwa 30 bis 40 kräftig unterstützten Kilometern an die Steckdose. Bei schweren Touren-Pedelecs spricht die deutlich höhere erzielbare Reichweite allerdings klar für einen großen, hochkapazitiven Akku. Aus Designgründen bevorzugen die meisten Hersteller Intube-Akkus. Ab der Mittelklasse sind sie mittlerweile Standard. Ontube-Akkus, die außerhalb der Rahmenrohre montiert sind, lassen sich jedoch deutlich einfacher abnehmen – als Diebstahlschutz, oder um sie in der Wohnung aufzuladen. Die kleinen „unsichtbaren“ Stromspender von Low-Assist-Antriebssystemen lassen sich oft nicht ohne Werkzeug aus dem Unterrohr entfernen.