Mulderadweg nach Grimma

Moritz Cehak

 · 25.07.2018

Mulderadweg nach GrimmaFoto: Marcus Gloger
Mulderadweg nach Grimma

„Stop and Go“ im Muldental: Eine kurze Radtour zu beiden Seiten des Muldentals – so war das geplant. Doch vor lauter Überraschungen kommt man hier kaum zum Radeln: Ein idyllisches Dorf aus vergangenen Zeiten, barocke Aha-Erlebnisse und ein Ausflug in die Geschichte der Chemie sind willkommene Bremsgelegenheiten.

Das Grün der Landschaft steckt voller Ruhe. Im Muldental südlich von Grimma scheint das hektische Treiben von Leipzig oder Dresden Lichtjahre entfernt, obwohl es nur ein paar Dutzend Kilometer sind. Egal – die Räder rollen über den Asphalt des Mulderadwegs dahin, zwischen weiten Feldern, fort von der Zwickauer Mulde und über ihre Freiberger Schwester, die sich bei Sermuth vereinen werden. Schwarz auf gelbem Grund rast der Ortsname „Kössern“ vorbei. Das Rittergut am Wegesrand entlockt den passierenden Pedaleuren ein erstes „Ooh“ und nur ein paar Ecken weiter folgt auf das „Aah“ eine Vollbremsung. Barock-Alarm! Frisch restauriert steht hier ein Jagdhaus, das man in dem Örtchen nicht erwarten würde. Die Tür zu diesem architektonischen Kleinod steht einladend offen und schon ist der Besucher mittendrin in einer Geschichte voller großer Namen. Der des Sachsenfürsten August der Starke ist dabei, sein Lieblingsbaumeister Daniel Pöppelmann und Wolf Dietrich von Erdmannsdorff, um nur einige zu nennen. Letzterer war Oberhofjägermeister des Ersteren und hatte von Zeit zu Zeit die Aufgabe, die höfischen Jagdgesellschaften zu bespaßen – über mehrere Tage, versteht sich. Dafür war sein Rittergut freilich viel zu bescheiden, weshalb er den aufstrebenden Pöppelmann für den Bau eines Jagdhauses verpflichtete. Bedeutsam ist das vor allem darum, weil der Architekt 1711 gemeinsam mit dem Bildhauer Balthasar Permoser in Dresden die Arbeit am Zwinger aufnahm und dort auch die Entwürfe für das Japanische Palais und Schloss Pillnitz lieferte. Besonders sehenswert: der Barocksaal im Obergeschoss. Im edlen Eichenparkett spiegeln sich die hohen Fenster zum Garten und über allem spannt sich ein farbenprächtiges Deckengemälde in Trompe-l’oeil-Malerei. Die dargestellten Szenen aus der griechischen Mythologie bleiben im Kopf und wehen erst mit dem Fahrtwind auf dem Mulderadweg wieder davon.

Erst Wissenschaft, dann Zeitreise

Nordwestwärts quert der Weg erneut die Mulde und ein Abstecher vom bestens ausgeschilderten Radweg führt nach Großbothen, ein kaum bekanntes Ziel von Rang. Denn was dort heute liebevoll hergerichtet „Wilhelm Ostwald Park“ genannt wird, war einst das Refugium seines bedeutenden Namensgebers. Der forschte um die Wende zum 20. Jahrhundert als Chemiker und für seine Arbeiten etwa zur Katalyse wurde er 1909 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Ab 1901 lebte und arbeitete Wilhelm Ostwald mit Unterbrechungen bis zu seinem Tod im Jahre 1932 hier. In seinem Haus „Energie“ ist heute seine wissenschaftliche Bibliothek mit mehreren zehntausend Bänden zu besichtigen und die historische Laborausstattung erlaubt interessante Einblicke in die Arbeitswelt des Gelehrten. Und von aller wissenschaftlichen Bedeutung einmal abgesehen, ist das gepflegte Anwesen ein perfekter Ort zum Rasten. Zurück auf dem Radweg ruft Grimma mit seiner historischen Innenstadt, doch schon nach wenigen Kilometern wird klar – es wird noch ein wenig dauern. Diesmal stoppen die Radler beim Anblick einer traditionellen Gierseilfähre, wie sie hier schon seit 1513 Mensch und gelegentlich auch Tier mit Muskelkraft übersetzt. Der Radweg muss warten, denn am anderen Ufer scheint die Zeit tatsächlich stehen geblieben. In Höfgen – dem „Dorf der Sinne“ - duftet es zwischen schmucken Fachwerkhäusern nach frischem Brot, ein historisches Mühlrad klappert am Fluss und in den Gärten picken Hühner im Gras nach Körnlein. Verzaubert wird diese ländliche Idylle mit Kunstwerken an allen Ecken und Enden. Und spätestens beim Blick auf die Vielfalt der Kulturveranstaltungen im Jahreslauf ist klar: Nur für eine kurze Stippvisite ist hier einfach zu viel los. Es muss ein nächstes Mal in Höfgen geben, doch heute wird es beim Bummel durch die Gassen bleiben, vorbei an der historischen Schiffmühle und nach einer weiteren gemütlichen Fährfahrt geht es wieder in den Sattel. Ein Schild am Weg weist zum Kloster Nimbschen. Was war dort noch mal? Fast einen Radelkilometer braucht es bis zur erlösenden Eingebung: Luther! Oder besser: seine bessere Hälfte Katharina von Bora. Sie lebte vor ihrer Ehe als Nonne in Nimbschen. Vom Kloster zeugt heute nur mehr eine Ruine, aber für eine romantische Erinnerung an längst vergangene Zeiten genügt das allemal. Noch ein Merker für die Rückfahrt, doch wer weiß, welche Überraschungen noch in Grimma warten...

Foto: David Schunack

Informationen

"Zwickauer Mulde (156 km)"
Start: Schöneck (Vogtland)
Ziel: Sermuth

Unterkunftsempfehlung
• Hotel Ratskeller Eibenstock, www.ratskeller-eibenstock.de
• Hotel Neustädter Hof, Schwarzenberg, www.neustaedterhof.de
• Jugendherberge Schloss Colditz, www.colditz.jugendherberge.de

Sehenswert
• Zwickau: Robert-Schumann-Museum, August Horch Museum
• Schloss Rochlitz

Aktiv & Vital
• Badegärten in Eibenstock
• "ErzWay"-Segway Touren in Eibenstock
• Talsperren: Muldenberg in Grünbach, Sosa in Eibenstock


"Freiberger Mulde (120 km)"
Start: Quelle in Tschechien (Moldava),
auf deutscher Seite Holzhau
Ziel: Sermuth

Unterkunftsempfehlung
• Hotel Saigerhütte, Olbernhau, www.saigerhuette.de

Sehenswert
• Freiberg: Besucherbergwerk, Dom St. Marien, Schloss Freudenstein mit "terra mineralia" - einer der größten
und schönsten Mineralienausstellungen der Welt
• Klosterpark Altzella in Nossen
• Burg Mildenstein und Kloster Buch bei Leisnig

"Vereinigte Mulde (126 km)"
Start: Sermuth, Ziel: Dessau-Rosslau

Unterkunftsempfehlung
• Erlebnishotel Zur Schiffsmühle, Grimma-Höfgen, www.schiffsmuehle.de
• Heide SPA Hotel & Resort, Bad Düben, www.heidespa.de
• Hotel Kloster Nimbschen – Restaurant und Klosterschänke, www.kloster-nimbschen.de

Sehenswert
• Sachsens längste Hängebrücke überspannt mit 80 Metern die Mulde bei Grimma
• Klosterruine in Nimbschen
• Museum "Göschenhaus" mit Seume-Gedenkstätte in Grimma
• Denkmalschmiede und Museum Schiffsmühle in Höfgen
• Evangelische Kirche mit Renaissance Holzkassettendecke in Löbnitz

Aktiv & Vital
• Bad Düben – staatlich anerkanntes Moorheilbad

Weitere Routenvorschläge
• Radfahren: Neuseenland-Radroute, Kohle-Dampf-Licht-Radroute, Elsterradweg

Allgemeine Informationen und Kontakt
Koordinierungsstelle Mulderadweg
c/o Leipzig Tourismus und Marketing GmbH
Augustusplatz 9, 04109 Leipzig
+49 (0)341 7104-372
www.mulderadweg.de