Patrick Kunkel
· 20.02.2023
Rund um Villingen treffen verschwiegene Schwarzwaldtäler und aussichtsreiche Höhenzüge auf die sanft gewellte Hochebene der Baar – ein perfektes Revier für entspannte bis sportliche Fahrrad-Touren.
Der Schwarzwald: wild und gefährlich. Die Wälder düster und zerzaust. Die Wege steil und unbeschwerlich. Das Klima rau. „Der Winter muss schrecklich in dieser Gegend sein, spürten wir doch selbst heute, mitten im Juli, auf diesen Höhen ein sehnliches Verlangen nach einem warmen Stübchen“, schrieb ein Schwarzwald-Reisender des 19. Jahrhunderts damals in einem Reiseführer über seine fünftägige Schwarzwald-Durchquerung: „Gewittergüsse folgten uns fortwährend“, klagte er. Und: „Mit jeder vorüberziehenden Wolke mehrte sich aber auch die Rauheit der Luft.“ Brrr.
Wir haben es dagegen bequem: Auf dem makellosen Asphalt eines schmalen Bergsträßchens pedalieren wir durch ein wildromantisches Schwarzwaldtal bergan. Mächtige Bauernhöfe mit tief heruntergezogenen Walmdächern thronen über den Wiesen. Auf den Weiden rupfen Rindviecher ihre Tagesration Grünfutter. Üppige Blumengärten liegen am Wegesrand. Im Wald rauscht eine Brise durch die Baumwipfel. Und die Sonne schmeichelt vom hellblauen Himmel. Hach. Was für ein Idyll!
Erst rollen wir ein Stück am Donauquellfluss Brigach entlang, dann durch das Kirnachtal und zuletzt geht es ordentlich rauf auf den Kesselberg, ehe wir runter nach Furtwangen rauschen. Genauso haben wir uns das vorgestellt: zwei Tage lang auf einsamen Nebenstrecken und Radwegen durch den Mittleren Schwarzwald cruisen und Höhenluft genießen.
Unser Basislager haben wir in Villingen aufgeschlagen, der alten Zähringerstadt am Ostrand des Schwarzwalds. Hier treffen nicht nur die Mittelgebirgsketten des Schwarzwalds auf die Baar-Hochebene. Sondern auch Baden auf Württemberg. Die Grenze verläuft durch die Doppelstadt Villingen-Schwenningen. Sie ging 1972 aus dem katholischen Villingen in Baden und dem schwäbisch-protestantischen Schwenningen hervor. Aber richtig zusammengewachsen scheinen die beiden bis heute nicht: Nach wie vor gibt es zwei Rathäuser, zwei Bahnhöfe und nahezu jeden Verein in doppelter Ausführung – aber keine gemeinsame Stadtmitte.
Was womöglich ganz vernünftig ist. Schwenningen ist eine Industriestadt mit geringem Charme, Villingen dagegen historisch gewachsen mit einer schönen Altstadt. Schon 1218 wurde Villingen Reichsstadt. Der schwäbische Nachbar dagegen galt bis 1907 als das größte Dorf Württembergs, ehe es Stadtrechte erhielt.
Bis heute liegen ein paar Kilometer Puffer zwischen beiden Städten: Gewerbegebiete, Felder – aber viele verbindende Radwege. Am ersten Tag fuhren wir also entspannt über unsichtbare Grenzen von Baden nach Württemberg: einrollen durch die sanft gewellten Hügel der Baar-Hochebene auf einer 50-Kilometer-Runde ohne nennenswerte Anstiege von Villingen über Donaueschingen nach Schwenningen und wieder zurück.
„Die Baar ist aus Radfahrersicht ein Eldorado“, schwärmt Wolf Hockenjos aus Donaueschingen. Als einstiger Villinger Forstdirektor kennt er den Landstrich in- und auswendig, bei jeder Gelegenheit streift er mit dem Bike durch Felder und Wälder: „Die Baar hat den topografischen Vorzug flacher, seniorengerechter Einrollstrecken“, meint der Pensionär. „Und je nach Wetter, Lust und Laune gibt es von Donaueschingen oder Villingen aus schier unerschöpfliche Möglichkeiten zu anspruchsvolleren Touren, wahlweise in den Schwarzwald, auf die Alb oder in den Hegau.“
Auch uns zieht es an Tag zwei unseres Wochenendabenteuers richtig ins Gebirge: mitten rein in den Schwarzwald, rauf nach Furtwangen. Die Stadt und die Dörfer ringsum gelten als Wiege der Schwarzwälder Uhrmacherkunst. In dem kargen, zerzausten Landstrich hätten die Bauern einst eher schlecht als recht von der Landwirtschaft leben können, sagt Hockenjos – und begannen wohl auch deshalb mit Tüfteln und Erfinden, um ein anderweitiges Auskommen zu finden.
So schnitzten die Schwarzwälder Uhrmacher einst an langen Winterabenden in ihren Stuben die ausgefeilten hölzernen Uhrwerke, erschufen kunstvoll bemalte Zifferblätter und erfanden den weltberühmten Uhren-Kuckuck. Um die begehrte Ware in die weite Welt hinauszutragen, schnallten sich die Uhrenträger hölzerne Gestelle auf den Buckel und stiegen voll beladen über wilde Straßen und Knüppelpfade ins Flachland hinab. Beschwerlich, aber lukrativ – ein Großteil der Weltproduktion an Holzuhren wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Schwarzwälder Werkstätten produziert. Und auch Schwenningen wurde zum Weltzentrum der Uhrenindustrie.
Als wir gegen Mittag in Furtwangen ankommen, stecken uns reichlich Höhenmeter in den Beinen. Nach einem Blick ins dortige Uhrenmuseum hängen wir noch eine Extraschleife hinauf auf den Brend dran. Dem können wir kaum widerstehen. Nicht nur die Aussicht vom Brendturm ist hinreißend. Sondern oben lockt die Donauquelle: Zwischen Fichten und Tannen sprudeln die ersten Tropfen des Donauquellflusses Breg aus dem Felsen.
Moment mal! Waren wir nicht tags zuvor schon an der Quelle von Europas zweitlängstem Strom? Die liegt doch im 30 Kilometer entfernten Donaueschingen? Dort jedenfalls pilgerten wir mit etlichen anderen Touristen einmal rund um den protzig ummauerten Donauquelltopf im Fürstlich Fürstenbergischen Schlossgarten.
Auch wenn jedes Schulkind weiß: „Brigach und Breg bringen die Donau zuweg“, stritten Donaueschinger und Furtwanger jahrhundertelang darüber, wo die wahre Donauquelle liege. Der uralte Streit scheint inzwischen gelöst: Seit 2022 dürfen beide Städte, hochoffiziell abgesegnet vom Stuttgarter Innenministerium, die Zusatzbezeichnung „Donauquellstadt“ tragen.
Uns soll es recht sein. Ehe wir zurück nach Villingen kurbeln, beschäftigen uns ohnehin eher ganz handfeste kulinarische Fragen – die Mägen knurren. Doch im Höhengasthaus Kolmenhof, das praktischerweise direkt neben der Donauquelle liegt, schafft der nette Gastwirt umgehend Abhilfe.
Er tischt frisch gefangene Forelle auf, kross angebraten, und dazu ein kühles Pils aus der Region. Ob das in Schwaben oder Baden gebraut wird oder die Forelle wirklich aus der Donau stammt? Egal. Hauptsache, es schmeckt.
Neckar und Donau entspringen hier und etliche weitere Flüsse und Bäche. Kein Wunder also, dass die zwischen Schwarzwald und Baar-Hochebene gelegene Region sich inzwischen unter dem griffigen Namen „Quellenland“ vermarktet. Mit dem Rad fährt es sich auf dieser kurzen Runde durch die wellige Hügellandschaft recht entspannt. Längere und steile Anstiege gibt es nicht, dafür reichlich Natur, Weitblicke und natürlich erfrischend kühles Wasser für heiß gefahrene Radlerfüße. In Städten und Dörfern wie Bad Dürrheim, Villingen-Schwenningen, Brigachtal und Donaueschingen warten zudem viele Sehenswürdigkeiten und urige Einkehrmöglichkeiten direkt an der Strecke.
Eine echte Bergetappe! Nach dem entspannten Pedalieren am Vortag durch die Baar-Hochebene geht’s nun so richtig zur Sache: Im Schwarzwald zwischen Villingen und Furtwangen warten reichlich Höhenmeter und steile Rampen. Einsame Bergsträßchen und Forstwege schlängeln sich durch tiefe Wälder, vorbei an stattlichen Schwarzwaldhöfen und durch lauschige Flusstäler. Höhepunkt ist die Donauquelle am Brend bei Furtwangen. Eine Tour, bei der man den Schwarzwald mit all seinen Facetten kennenlernt!
Sie können die GPX-Tracks zum Kurztrip Villingen hier kostenlos herunterladen oder finden sie in der MYBIKE Collection auf komoot.
Direkt in der historischen Altstadt von Villingen liegt das ehrwürdige Gasthaus Bären. Die Gastgeber sind herzlich, das Frühstück reichlich und gut. Leider zog das Traditionshotel vor einigen Jahren vom jahrhundertealten Stammhaus in einen daneben gelegenen Zweckbau ohne jeglichen Charme. Die Zimmer sind entsprechend: modern, sauber, komfortabel und funktional.
Fleig Bike, Klosterring 13, 78050 Villingen-Schwenningen,
Abends: Im Gasthaus Ott in der Färberstraße brodelt die gute Stimmung. Dazu fließt frisches Bier, und es gibt gut zubereitete Hausmannskost.
Unterwegs: Das Höhengasthaus Kolmenhof liegt direkt an der Donauquelle und praktischerweise genau auf halber Strecke unserer Tour 2. Ideal also, um die leeren Energiespeicher wieder aufzufüllen. Gereicht werden hervorragende regionale Spezialitäten, alleine deshalb lohnt sich der knackige Anstieg hinauf.
Topografische Freizeitkarten: Villingen-Schwenningen (F507) und Titisee-Neustadt (F506), 1:50.000, je 7,90 Euro.
Bestellen Sie die MYBIKE versandkostenfrei nach Hause , als Digital-Ausgabe oder lesen Sie MYBIKE in der DK Kiosk App für Ihr Apple-iOS- oder Android-Gerät. Besonders günstig und bequem erleben Sie MYBIKE im Abo.