Radreise SlowenienVon den Julischen Alpen ans Meer

Christiane Bertelsmann

 · 17.04.2023

Postkarten-Motiv: der Jasna See
Foto: Martin Kirchner
Die MYBIKE-Radreise durch Slowenien verbindet abwechslungsreiche Landschaften mit Kultur und Kulinarik.

Radreise Slowenien: Berge, Höhlen, Flüsse, Seen, sogar ein winzig kleines Stückchen Meer und überall Geschichte – in der Wundertüte Slowenien ist so ziemlich alles drin. Und am allerbesten lässt sich das überraschende kleine Land per Rad erkunden.

In die Berge oder ans Meer? Diese Frage zum ­Urlaubsziel hat schon Beziehungen scheitern und Ehen zerbrechen lassen. Gut, dass es Slowenien gibt: Dort findet sich auf kleinem Raum beides. Flächenmäßig gerade mal halb so groß wie die Schweiz, ist das Land mit so ziemlich allem gesegnet, was sich das Urlauberherz wünscht. Dann mal los!

Die meisten Radtouristen folgen dem Fluss Soča von der Quelle in den Bergen aus, durchqueren das Soča-Tal und biegen dann nach Italien ab, wo die Soča – auf Italienisch „Isonzo“ – in den Golf von Triest mündet. Wir machen’s anders und bleiben, so weit es möglich ist, in Slowenien: über die Julischen Alpen, durchs Weinland und über den Karst bis ans Meer – ans ­slowenische Mittelmeer.

25 Kehren hinauf zum Vršič-Pass

Kranjska Gora, unseren Startpunkt, kennen Skifans von den jährlichen Weltcup-Rennen. Von hier aus windet sich eine Passstraße in exakt 25 Serpentinen hoch zum Vršič-Pass – und in genauso vielen Kurven wieder runter ins Soča-Tal. Kurz nach Kranjska Gora stoppt ein postkartenschöner kleiner künstlicher See die Auffahrt: der­ Jasna-See. Jede Menge Ausflügler flanieren um den Jasna, machen Selfies, testen die Wassertemperatur. Es ist eindeutig zu kalt zum Baden. Doch das Wasser ist so klar, dass man kaum sieht, wo das Ufer aufhört und der See anfängt. Martin, der Fotograf, holt sich beim ­Fotografieren gleich zwei Mal nasse Füße. Zum Glück hat er in der Packtasche trockene Ersatzsocken. Weiter geht’s nach oben, Kurve um Kurve. Nett, dass jede Kehre nummeriert ist. So weiß man genau, wie viele es noch bis zur Passhöhe von 1.611 Metern sind. Der Vršič-Pass ist übrigens Sloweniens höchster asphaltierter ­Gebirgspass – und einer mit dramatischer Geschichte: Für den Bau der Straße wurden während des Ersten Weltkriegs russische Kriegsgefangene zwangsverpflichtet. Bei einem Lawinenunglück kamen über einhundert ­dieser Zwangsarbeiter ums Leben, heute steht zur ­Erinnerung daran mitten im Wald eine russische Kapelle mit Zwiebeltürmen.

Passagen mit Kopfsteinpflaster ­erschweren die Bergauffahrt zum Vršič-Pass ­zusätzlich.Foto: Martin Kirchner
Passagen mit Kopfsteinpflaster ­erschweren die Bergauffahrt zum Vršič-Pass ­zusätzlich.

Kurve um Kurve schraubt sich die Passstraße nach oben. Die nackten Felsen kommen näher, über uns spannt sich ein blauer Spätsommerhimmel, das macht den Aufstieg etwas leichter. Die Kehren haben an ihren Scheitelpunkten übrigens Kopfsteinpflaster – etwas gewöhnungs­bedürftig, aber machbar. Kehre 23, 24 und dann endlich 25 – wir sind oben! Dort treffen wir Chris aus Devon, der sich am Kiosk zur ­Belohnung ein Eis und ein Pass-Bier ­geholt hat. Er hat sich in Bled ein Rennrad geliehen und ist den Pass in ­umgekehrter Richtung hochgefahren. „Just great“, sagt er noch, bevor er sich eine Windjacke überstreift und abwärts nach Kranjska Gora kurvt.

Wir rauschen in der Gegenrichtung den Pass runter. Bei Kurve Nummer 49 zeigt der Wegweiser zur Soča-Quelle – da müssen wir hin. Also noch mal ordentlich bergan, die Räder sicher unterhalb des Wanderwegs ­abgestellt und zu Fuß weiter. Weit ist es nicht, aber der Weg zur Quelle hat eine Überraschung parat: Immer ­schmaler und ­steiler wird er, die letzten paar Meter heißt es, durch den Fels klettern, gesichert mit einem Drahtseil, an dem man sich festhalten kann. Klettersteig-Feeling! Die Quelle selbst liegt versteckt in einer Höhle, aus der sie sich über Felsen steil bergab ­ergießt.

Ab jetzt bleiben wir in Soča-Nähe. Aus dem Bach wird schnell ein Flüsschen und bald ein breiter Fluss mit ­türkis schimmerndem Wasser. In Velika Koritka schäumt unsere Soča durch eine tiefe Schlucht, ihr Tosen hört man schon von der Straße aus.

Geschichte am Wegesrand

Wo man heute die schönsten Gebirgstouren machen kann, wütete vor mehr als 100 Jahren eine der schlimmsten Schlachten des Ersten Weltkriegs: Entlang der Soča verlief die Isonzo-Front. Mehr als 300.000 Menschen ­kamen bei den insgesamt zwölf Offensiven ums Leben. Im Weltkriegsmuseum in Kobarid erinnern große Schwarz-Weiß-Fotos an 36 von mehreren Hundert­tausend Menschen aus 17 Nationen, die in diesem grauenvollen Krieg ihr Leben lassen mussten: vom weiß­bärtigen Großvater über die fröhliche Krankenschwester bis zu hoffnungsvoll strahlenden jungen Männern, die in ihren Uniformen stolz vor der Kamera posieren – alle sind sie im Krieg umgekommen. „Jeden Abend, bevor wir Museumsmitarbeiter nach Hause gehen, verneigen wir uns vor diesen Menschen“, sagt Frau Arcet, die im ­Museum ­Kobarid an der Kasse sitzt. Ernest Hemingway hat ­übrigens den Ereignissen ­damals mit seinem Roman „Wem die Stunde schlägt“ ein literarisches Denkmal ­gesetzt.

Mehr als 300.000 Menschen kamen im 1. Weltkrieg in den Schlachten an der Isonzo-Linie ums Leben.Foto: Martin Kirchner
Mehr als 300.000 Menschen kamen im 1. Weltkrieg in den Schlachten an der Isonzo-Linie ums Leben.

Nachdenklich fahren wir weiter. Jetzt erst kommt uns ins Bewusstsein, wie jung Slowenien als eigenständige Nation ist, wie sehr es ringen musste, um seine Identität zu behalten. Innerhalb von 100 Jahren wehten über ­Slowenien zehn Landesflaggen, erst seit 1991 ist es ­beständig die slowenische.

Abstecher in die Weinberge

Bei Plave verlassen wir unsere Soča, weil wir hoch ins Weinland wollen. Die Landschaft hier hat etwas von ­einer Mini-Toskana – mit Weinbergen, sanften Hügeln und weiten Blicken übers Land. In Šmartno treffen wir Vesna Valentinčič. Sie hat mit ihrer Familie im alten Schulhaus ein Hotel aufgezogen und weiß alles über die Region. Wein gab es hier schon zuzeiten der Österreich-Ungarn-Monarchie, erzählt sie uns. Als Slowenien Teil von Jugoslawien war, blühte der Schwarzmarkt. „Meine Oma hat unter ihren weiten Röcken Grappa über die ­italienische Grenze geschmuggelt“, sagt Vesna, „und ­unser Fiat 1300 hatte im Boden einen Extra-Raum für die Fünf-Liter-Flasche mit Olivenöl.“ Das war allerdings ­sicher nicht so edel wie das, das Timon Bratasevec in ­seinem Oliven-Weingut Vila Eva herstellt. Sein Öl ist fast so ­etwas wie flüssiges Gold. Es brennt leicht im Hals, schmeckt etwas bitter und unvergleichlich würzig. Stolz zeigt uns Timon seine Olivenbäume – 600 hat er davon. Pressen lässt er in Koper am Meer, bei einem Mann, den er seinen Maestro nennt. „Du brauchst Geduld, um das ­alles zu lernen“, sagt Timon. Es lohnt sich – mit ­seinem exquisiten Öl hat er schon viele internationale Preise ­gewonnen. Früher wuchsen in ­Timons Olivenhain übrigens Reben. Denn schon zuzeiten des ­jugoslawischen Staatspräsidenten Tito – nach dem ­Zweiten Weltkrieg bis 1980 – wurde hier Wein angebaut, dessen Qualität aber zu wünschen übrig ließ. „Es gab nur Genossenschaften“, erinnert sich Vesna, „die hatten ein Produktionssoll von 20 Millionen Liter Wein pro Jahr. Das ging nur mit ­Wasser und Sulfit.“ Heute produzieren 450 Bauern und 120 Privatwinzer Wein – „nur“ noch zehn Millionen Liter pro Jahr. Dafür stimmt die ­Qualität.

Die Weinregion Goriska Brda erinnert stark an die Toskana.Foto: Martin Kirchner
Die Weinregion Goriska Brda erinnert stark an die Toskana.

Weiter geht es runter ins Vipava-Tal, wieder durch die Weinberge. Dekorativ zieht der Nebel die Berge hoch, als wir uns einen Tag später frühmorgens in Richtung Karst aufmachen. Dort fahren wir schweren Herzens am ­Abzweig zu den Höhlen von Skocjan vorbei – denn für die Besichtigung der ­Höhlen und unterirdischen Canyons braucht es Zeit, und wir haben bis zum Meer noch einige Kilometer vor uns.

Und da ist es dann, endlich! Das Meer. Schimmernd liegt es vor uns, beschienen von der Frühabendsonne. Eintauchen und schwimmen, sofort! Aber es braucht noch ein paar Kurven und Anstiege, bis wir endlich in Strunjan sind. Kurz vor Sonnenuntergang klappt es dann noch mit einem Abendbad. Was nicht klappt, ist ein Bummel durch die Altstadt von Piran, denn die ist gesperrt ­wegen Filmarbeiten. Netflix dreht dort gerade einen Agententhriller mit Stars wie Mark Wahlberg und Halle Berry. Auch Filmleute wissen, wo es schön ist.

Radreise Slowenien - Tourencharakter

Von den Alpen über die Karst-­Hochebene bis ans Meer nach Strunjan – das ist die Tour. Die größte Hürde lauert gleich am Anfang in den ­Julischen Alpen: die Passstraße zum Vršič-Pass. Sie windet sich über zehn Kilometer fast 800 Höhenmeter hoch. Belohnt wird man mit einer wunder­schönen Abfahrt ins ­Soča-Tal. Dann geht’s die Soča ­entlang über Bovec bis Plave und einmal etwas steiler hoch ins ­toskanisch anmutende, direkt in ­Italiennähe liegende Weinland nach Šmartno in Brda. Vor der Fahrt über die Karst-­Hochebene führt die Tour über ­Nova Gorica durchs Vipava-Tal.

Ab dem Karst kann man es laufen ­lassen – den Parenzana-Radweg folgend, rollt man gemächlich ­Richtung Mittelmeer. Nur an der Küste ­gibt’s ein paar Steigungen – die Blicke aufs ­Meer ­versöhnen.

Tourenverlauf­ & GPS-Daten

Kranjska Gora – Bovec – Kobarid – Tolmin – Šmartno in Brda – Nova Gorica – Dornberk – Štanjel – Sežana – Divača – Koper - Strunjan

Die GPS-Daten zur Radreise durch Slowenien können Sie hier kostenlos herunterladen oder finden Sie in der MYBIKE Collection auf komoot

Infos zur Radreise durch Slowenien

Anreise

Auto: Start ist in Kranjska Gora, ­eine halbe Autostunde von Villach in Österreich entfernt. Ab München über Salzburg (A8, A10) dauert die Anreise etwa vier Stunden. Ab Frankfurt sind es sieben Stunden, ab Hamburg stolze zehn, ähnlich lang dauert’s ab Berlin

Bahn: Der nächstgelegene Bahnhof ist in Jesenice, von wo aus Busse alle halbe Stunde weiter ins 20 km entfernte Kranjska Gora fahren.

Busverbindungen: www.ap-­ljubljana.si/en (auf Englisch)

Flug: Nur wenige Fluglinien (z. B. Lufthansa ab Frankfurt) fliegen direkt die Hauptstadt Ljubljana an. Von dort weiter per Mietwagen oder Bus.

Beste Reisezeit für einen Radurlaub in Slownien

Mai bis Anfang Oktober

Sehenswertes auf der Radreise durch Slowenien

Kobarid: Kobarid-Museum - Das in Privatbesitz befindliche Museum klärt umfassend über die Kämpfe im Soča-Tal während des 1. Weltkriegs auf. Unbedingt sehenswert, wenn auch ein düsteres Kapitel der Geschichte.

Tolmin: Tolminka Klamm/Dolina Soče Eingang zum Triglav-Nationalpark. Die Schluchten des Gebirgsflusses sind bis zu 60 Meter tief. Der zwei Kilometer lange Rundweg dauert etwa eine Stunde und kostet Eintritt.

Höhlen von Škocjan Unterirdische Canyons, durch die der unterirdische Fluss Reka schäumt, Schluchten, Grotten und Tropfsteinhöhlen – die „Škocjanske Jame“ wurden schon von Plinius dem Älteren und Vergil besungen und sind UNESCO-Welterbe. ­Absolut lohnend!

Empfehlenswerte Unterkünfte für die Radreise durch Slowenien

Kranjska Gora: Hotel Kotnik

Zentral gelegenes freundliches ­Hotel mit angeschlossener Pizzeria. Ab 120 Euro/Doppelzimmer mit Frühstück

Nahe Bovec: Hotel Boka

Etwas außerhalb von Bovec in der Nähe des Boka-Wasserfalls gelegen, größeres Hotel mit super Blick ins Soča-Tal und sehr gutem Restaurant. Ab 120 Euro/Doppelzimmer mit Frühstück

Šmartno in Brda: Hotel San Martin

Sehr angenehmes Öko-Hotel im Weinland Goriška brda in einer ­ehemaligen Schule mit empfehlenswertem Restaurant. Ab 110 Euro/Doppelzimmer mit Frühstück

Dornberk: Wine and Glamping Saksida, Campingplatz in den Weinbergen mit Pool und Ferienhäuschen (ab 98 Euro, Aufpreis bei einmaliger Übernachtung). Abends sollte man sich das Degustationsmenü (68 Euro, für 6 Gänge ohne Getränke) gönnen.

Strunjan: Hotel Salinera

Großes Hotel direkt am Strand ­zwischen Strunjan und Piran. Ab 80 Euro/Doppelzimmer mit Frühstück

Essen und Trinken

Regionale, oft österreichisch inspirierte Küche dominiert. Immer mehr Köche greifen zu regionalen und saisonalen Zutaten. Eine Spezialität ist der luftgetrocknete Pršut, roher Schinken, der im Wind des Karst mehrere Monate getrocknet wird. Insbesondere in der Toskana-ähnlichen Weinregion Goriška brda gedeihen ausgezeichnete Weine. Eine slowenische Besonderheit ist der dunkelrote Teran-Wein, der unter anderem in der Karst-Region angebaut wird. Wirklich gut schmecken auch Sloweniens Mineral­wässer, allen voran das Radenska-Wasser mit den drei Herzen.

MYBIKE-Tipp: Mamma Marija in Kranjska Gora.

Küchenchef Miha hat sich schon mehrere Auszeichnungen erkocht, u. a. einen Eintrag im Guide Michelin: Der junge Koch setzt traditionelle Rezepte modern um und nutzt regionale Zutaten, lässt sich aber auch von der Küche der Nachbar­länder Italien und Österreich inspirieren. Zu jedem Gang gibt es die passende Weinbegleitung.

Radverleih in Kranjska Gora:

  • Intersport Bernik
  • Bike Kekec

Gepäcktransport:

www.bike-kekec.si oder: via-avantura.si/en/transfers

Weitere Adressen

Slowenisches Tourismusamt: www.slovenia.info

Veranstalter vor Ort: https://slovenia-outdoor.com

Sehr hilfreich sind die örtlichen ­Tourismusbüros, etwa in Kranjska Gora: kranjska-gora.si/de