Barbara Merz-Weigandt
· 18.08.2014
Das Thema Radreisen wird in der TREKKINGBIKE-Redaktion von allen Mitarbeitern gelebt. Wir haben unsere erfahrensten Autoren um ihre persönlichen Tipps gebeten.
Tilmann Waldthaler ist wohl mit Abstand Deutschlands bekanntester Reiseradler. Er geht heute mit einem top ausgestatteten Reiserad auf Tour und hat damit so gut wie keine Panne. Doch das war nicht immer so. Wer mit Tilman über seine Erfahrungen spricht, erfährt schnell, dass auch er auf seinen Radreisen manche Anfängerfehler machte: Weiche Gepäckträger, zu leichte Laufräder, mangelhafte Bremsen. Mit Notlösungen ging es trotzdem weiter – bis heute über 200.000 Kilometer weit.
Auch wenn Sie für Ihre Radreise weit weniger Kilometer anpeilen, sollten Sie dennoch bei der Wahl des Rades nicht zu blauäugig sein. Wichtig sind folgende Punkte:
• Gute Übersetzung: Auch wenn der Flussradweg oder die Bodenseerunde keine nennenswerten Höhenmeter aufweisen: Die erste Steigung kommt bestimmt. Und damit das Ende von einfachen Nabenschaltungen. Ein Tourenrad braucht eine vernünftige Übersetzung. Nur damit meistert man unbeschwerlich den Abendberg. Am leichtesten und besten erledigt dies die 3fach-Kettenschaltung. Natürlich sind auch Edelnaben wie Rohloff oder Pinion eine gute Wahl, aber nicht unbedingt nötig.
• Solide Laufräder: Sie tragen die ganze Last von Gepäck und Fahrer und müssen auf ruppigem Asphalt harte Schläge schlucken. Zwei gute Laufräder sind deshalb Pflicht. Vor Fahrtantritt auch unbedingt die Speichenspannung prüfen und kleinste Achter auszentrieren. Von vielen Neulingen wird dies missachtet.
• Kontaktpunkte: Sattel, Lenker, Griffe, Pedale. Gerade bei ungewohnt langem Fahren sollten alle Kontaktpunkte stimmen. Etwas geneigteres Sitzen erleichtert Gegenwind-Fahrten erheblich, griffige Pedale (am besten Klick) erhöhen den Kraftschluss und die Rutschsicherheit bei Nässe. Griffe sollten mehr als eine Griffposition erlauben. Hier haben sich beispielsweise Ergon-Griffe mit kurzen Lenkerhörnchen bestens bewährt.
• Gute Bremsen: Scheibenbremsen haben sich auch beim Tourenrad mittlerweile aus gutem Grund etabliert. Sie bringen das beladene Rad zuverlässig bei jeder Witterung zum Stehen. Doch auch andere Bremssysteme sind erlaubt, sofern Sie wirklich gut funktionieren. Ersatz-Bremsbeläge gehören grundsätzlich ins Reisegepäck.
• Neue Reifen: Jetzt ist der Zeitpunkt, Ihrem Rad neue Reifen zu gönnen. Sie bilden den wichtigsten Kontaktpunkt zwischen Straße und Rad. Machen Sie dabei jedoch nicht Pannensicherheit zur obersten Prämisse. Auf einer Radreise sollte auch immer genug Zeit zum Plattenflicken sein. Geringeres Gewicht und gute Abrolleigenschaften erhöhen dagegen den Fahrspaß enorm. Zur Beruhigung: Die Pannenanfälligkeit ist bei neuen Reifen äußerst gering.
• Solider Gepäckträger: Eine wackelnde Ladung bringt schnell Unsicherheit ins Rad. Im schlimmsten Fall führt ungewolltes Aufschaukeln sogar zum Sturz. Dies möchte im Urlaub wirklich keiner erleben. Die meisten Serienträger sind nicht optimal für Gepäcktaschen geeignet: Entweder stört die Federklappe oder das Gestell ist zu wenig steif. Gepäckträger der Firma Tubus haben sich unter Reiseradlern den besten Namen gemacht. Das Modell Cosmo ist beispielsweise aus Edelstahlrohren geschweißt und verbessert den Gepäckschwerpunkt durch eine Hakenschiene auf tiefer Ebene. Packtaschen unbedingt genau und wackelfrei anpassen. www.tubus.com
Mittlerweile bin ich Packprofi, wenn es um eine Radtour geht. Ich habe mit dem Fahrrad schon die halbe Welt bereist und bin dabei meist zwischen einer und vier Wochen unterwegs. Stets mit meiner Frau. Die wichtigste Erkenntnis dabei: Weniger ist mehr. Je leichter das Gepäck, desto flexibler ist man unterwegs. Das fängt beim Abstellen des Rades an und hört beim Einladen in den Zug auf. Je leichter die Fuhre, desto einfacher die Handhabung. Insofern lege ich auf das Gewicht meiner Ausrüstung großen Wert. So breite ich vor der Tour mein gesamtes Gepäck sorgsam auf den Boden aus und löse viele Entscheidungen mit der Küchenwaage. Unglaublich, was die Bekleidungsindustrie da in den letzten Jahren geleistet hat. Mit wenigen, leichten Teilen meistert man alle Wetter. So packe ich schon lange keine drei T-Shirts mehr ein. Ein Hemd oder Poloshirt aus Funktionsmaterialien genügt. Wichtig ist, dass alles über Nacht trocknet. Denn ich wasche unterwegs jeden Tag. Besonders bei Schmuddelwetter. Für Notfälle bin ich eher spartanisch gerüstet. Die Erfahrung zeigt, dass ein Radladen oder die Apotheke meist nicht weit sind. Zudem sind die Mitmenschen unterwegs hilfreicher als man erwartet. Ganz gleich in welchem Land. Im schlimmsten Fall muss ein Taxi helfen.
Weniger ist mehr gilt für mich auch bei der Streckenplanung. Viele muten sich hier zu viel zu. So sind Erschöpfung und Streit vorprogrammiert. Das schmälert das Urlaubsvergnügen enorm. Meine Habe verteile ich auf vier Stationen. Zwei Packtaschen sind für alle Sommerreisen genug. Hier muss auch noch Platz für Reiseproviant bleiben. Werkzeug und Ersatzsschlauch stecken immer in der Satteltasche. Für alles, was schnell greifbar sein muss, ist die Lenkertasche ideal.
Wetterkapriolen passieren häufiger als man denkt. Das hat Reiseredakteur Armin Herb auf vielen Radreisen in Europa immer wieder feststellen müssen: Im Süden Portugals zeigte am Morgen das Thermometer plötzlich nur noch -2° Grad Celsius. An den Fjorden Norwegens überraschte ihn die Natur mehrmals täglich mit frischen Regenschauern. Oder in alpinen Gefilden kühlte selbst im Frühsommer oft noch eine geschlossene Schneedecke die Luft. Aus solchen Erfahrungen lernt jeder Tourenradfahrer – vor allem, wenn er sich womöglich einen kräftigen Schnupfen dabei geholt hat. Vor der nächsten Reise informiert er sich penibel über die Wettervorhersagen und die ansonsten normalen Wetterverhältnisse im Tourenrevier. Danach kann man im Detail seine Bekleidung zusammenstellen. Regenjacke und -hose, Windweste sowie ein Trikot und Funktionsunterhemd zum Wechseln gehören immer zur Basisausstattung. Gegen die Kälte und zur Gewichtsreduktion helfen moderne, superleichte Isolationsjacken, ergänzt durch ein 35g leichtes Polyestertuch (Buff) für Hals und Kopf. Für kühle Pausenplätzchen hat der Reiseredakteur immer noch eine dünne Wollmütze im Rucksack.
Allerdings kann es klimatisch auch mal ganz anders sein: Bei einer sommerlichen Recherche im Veneto stiegen die Temperatur-Spitzenwerte zehn Tage lang immer über 40 Grad. Dann hilft meist nur noch ein Plätzchen im Schatten und das Verschieben der Etappen in die frühen Morgen- und Abendstunden. Dabei freut sich der Radler über luftig-leichte Shorts und Shirts aus schnell trocknendem Material. Und für den Sonnenschutz steckt bei Armin Herb immer eine kleine Tube Sonnencreme LSF 30 zum Nachcremen in der Tasche.
Fahrrad und Beruf gehen bei mir seit Jahren Hand in Hand. Als Fotograf diverser Bücher zum Thema Radreparatur kenne ich viele Tricks. Mich konnte noch nie ein Schaden am Rad an der Weiterfahrt hindern. Außerdem ist moderne Radtechnik heute so ausgereift, dass Pannen immer seltener werden. Wenn aber unterwegs doch mal ein Defekt auftritt, sind viele Tourenradler hilflos, weil ihnen das entsprechende Wissen, meist aber die richtige Ausrüstung fehlt. Dabei ist es kein Hexenwerk, das Rad mit ein wenig Know-how und etwas Werkzeug wieder flott zu bekommen.
Mein wichtigster Tipp: Defekte schon im Vorfeld vermeiden. Wenn ich vor jeder Tour die wichtigsten Sicherheits-Checks an meinem Bike durchführe, muss ich mir unterwegs keine großen Gedanken mehr um Pannen machen.
Bevor ich das erste Mal mit einem neuen Rad auf Tour gehe, teste ich, ob die Werkzeuge meines Tools an alle Schrauben des Rades passen, um unterwegs keine unliebsamen Überraschungen zu erleben. Meine Reparatur-Ausrüstung brauche ich daher selten. Wenn doch, dann meist für andere Biker, die mit Defekten am Wegesrand stehen. Sie sind dann immer ganz erstaunt, wie einfach und schnell die Reparatur erledigt ist.
Vier Jahre liegt mein letzter Fahrradsturz zurück. Meine Notfall-Ausrüstung ist aber beim Radfahren und mittlerweile jeder anderen Outdoor-Sportart immer dabei. Glücklicherweise kann bei den meisten Stürzen eine schwere Verletzung ausgeschlossen werden, oft ist aber an einigen Stellen die Haut aufgeschürft und blutet und es drohen Prellungen und blaue Flecken. Bei der Behandlung von Schürfwunden bin ich mittlerweile schon beinahe Experte. Sie sind ja auch die häufigste Verletzung beim Radfahren. Zur Erstversorgung habe ich immer das Nötigste auf der Radtour dabei. Am wichtigsten sind ein Desinfektionsspray und ein Pflaster bzw. sterile Wundauflage und Mullbinde. Mein persönlicher Favorit ist ein Netzverband. Der lässt sich wie ein elastischer Strumpf über die verletzte Stelle ziehen und fixiert die Wundauflage sicher. Gerade am Knie hält das besser als ein Verband mit Mullbinde. Zusätzlich habe ich auch immer leichte, nicht verschreibungspflichtige Schmerztabletten dabei und, auch wenn es widersprüchlich erscheinen mag, meine Arnica-Globuli. Zumindest die Tagesetappe kann man mit einer sauber versorgten Wunde und Schmerzstillern erstmal zu Ende fahren. Ich habe bewusst nicht zu einem fertig gepackten Erste-Hilfe-Set gegriffen, sondern stelle mir mein Set selbst zusammen und packe es in einen durchsichtigen Zipper-Beutel. Vorteil: Ich muss nicht erst kramen, bis ich etwas finde, es sind nur die Dinge drin, die ich auch brauche und diese sind luftiger verpackt, als in den meisten Sets. Bei jeder schwereren Verletzung fordere ich sicherheitshalber ärztliche Hilfe an. Einige Apps leisten mir hier mittlerweile hilfreiche Dienste. Über diese Anwendungen kann nicht nur der Notruf abgesetzt, sondern auch die genaue Position übermittelt werden.
Abschließend mein persönlicher Tipp: Machen Sie mal wieder einen Erste-Hilfe-Kurs! Dann sind Sie für den nächsten Ernstfall gewappnet.
Von Mittelhessen nach Marseille, auf einem Tourenrad, in acht Tagen. Das Reisebudget betrug insgesamt 100 Mark. Wir haben von Magerquark und Obst, Baguette und Wasser gelebt. Abends stand das Zelt meist hinter einem Gebüsch an einem Feldweg, Dosenfutter blubberte auf einem Gaskocher. Das ist jetzt schon sehr lange her, und die Verklärung irgendwelcher Jugenderlebnisse und ihrer kargen Umstände gehört in Wohlstandsgesellschaften zur Folklore. Doch für mich ist es eine Reise, die in die Gegenwart reicht. Auch wenn das "Taschengeld" mittlerweile etwas höher ausfällt und andere Unterkünfte zuließe: Noch immer erlebe ich Reisen am intensivsten, wenn sie etwas mit Selbstversorgung und Eigenverantwortung zu tun haben. Das Zelt ist dabei ein ganz zentrales Gepäckstück – weil es mich vor den Nervereien der Natur (Wind, Regen, Mücken) schützt, ohne dabei die Luft und die Geräusche auszusperren. Je wilder und menschenleerer die Gegend, desto intensiver wirkt die Magie dieses federleichten Schutzraumes. Auf Radreisen bewegt man sich nur ausnahmsweise in so abgelegenen Regionen, doch noch intensiver wird das Erlebnis, wenn man auch das Essen für mehrere Tage dabeihat. Beim Trekking ist das Standard. Die Notwendigkeit zur Planung führt einen dabei dichter an sein Zielgebiet: Werde ich dort Trinkwasser finden, muss ich im Zelt kochen, erfordern Kälte oder Anstrengung besonders viele Kalorien? Was bekomme ich vor Ort, wie lange halten sich meine Vorräte in diesem Klima, zwingen extreme Höhenunterschiede zu besonders leichtem Gepäck Wenn ich gut geplant habe, weiß ich schon viel über das Zielgebiet. Einmal mussten wir das komplette Essen für drei Wochen planen, weil es unterwegs kaum Nachschub geben würde. Dank der immensen Vorräte konnten wir das Zelt aufstellen, wo es gerade besonders schön war und abends mit dem Benzinkocher seltsame Gerichte köcheln, die angesichts der Umgebung den Erlebniswert feinster Delikatessen hatten. Am Ende der Reise waren noch zwei Teebeutel und eine Handvoll Nüsse übrig – und die tiefe Gewissheit, dass Essen und Trinken nicht so selbstverständlich sind, wie es manchmal scheint.
Eine Radreise ist der perfekte Urlaub für Familien. Eltern und Kinder verbringen den Tag gemeinsam, sammeln spannende Entdeckungen am Wegrand und fallen abends müde und zufrieden ins Bett. Bereits vor der Tour können Mama und Papa vorsorgen, dass kleinen Selbstfahrern unterwegs die Lust nicht so schnell vergeht:
Route finden: Familien sollten auf autofreien bzw. sehr verkehrsarmen Wegen fahren. Ideal sind flache Strecken, z.B. entlang von Flüssen oder Eisenbahnlinien. Auf Asphalt rollen die Reifen leichter, und die Kinder benötigen weniger Kraft und werden kaum durchgerüttelt.
Tagesetappen festlegen: Gut, wenn die Eltern bewusst kurze Tagesetappen planen. Mit dem Motto "Der Weg ist das Ziel" kommt auch dann kein Stress auf, wenn das Kind zum wiederholten Mal anhält, um einen glänzenden Käfer zu bewundern oder einen Spielplatz zu testen. Die Leistungsfähigkeit von Kindern ist individuell verschieden: Sechsjährige sollten maximal sechs Kilometer am Tag fahren, 9- bis 12-Jährige schaffen rund 35 Kilometer.
Pausen planen: Beim Radfahren müssen sich Kinder stark konzentrieren, um gleichzeitig zu lenken, treten, balancieren und auf andere zu achten. Unter acht Jahren brauchen Kinder spätestens alle eineinhalb Stunden eine Pause, damit sich Muskeln und Geist entspannen können. Planen Sie diese Rastplätze ruhig im Voraus: Geeignet sind Spielplätze, Teiche, Badeseen, Eiscafés oder auch ein Gestüt mit Pferdekoppel.
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