Tom Bierl
· 28.06.2016
Weniger ist mehr Was nehme ich bloß mit? Diese Frage stellt sich jeder Radler vor der großen Sommertour. Chefredakteur Tom Bierl ließ sich in die Packtaschen schauen und mahnt: Weniger ist mehr!
An meine erste große Tour erinnere mich noch genau. Ich setzte mit der Fähre nach England über und radelte los. Wir hatten alles dabei – inklusive Campingausrüstung. Doch in Richtung Irland türmten sich überraschend viele Berge auf. Jeder Hügel nagte extrem an unseren Kräften. Plötzlich vor uns ein einsamer Radler. Ein Holländer saß mit seinem voll beladenen Rad erschöpft am Straßenrand. Wir kamen ins Gespräch. Mit 100 Kilo(!) Zuladung war der junge Mann gestartet. 30 Kilo seiner Ausrüstung hatte er in England bereits abgespeckt. Doch das Rad war immer noch zu schwer. Er hatte die Rechnung ohne die Berge gemacht und war regelrecht verzweifelt.
Auch heute, über 35 Jahre später, begegnen mir auf jeder Tour viele Leidensgenossen des Holländers. Mit übervollen vier Packtaschen und noch einer Reisetasche auf dem Gepäckträger starten sie in die Sommertour und schmälern damit das Erlebnis enorm. Eine Radtour lebt für mich auch von der Leichtigkeit der Fortbewegung. Ich habe alles dabei und kann stoppen, wo ich will. Aus diesem Grund habe ich meine Ausrüstung seit Jahren optimiert. Jedes Gramm, das ich sinnvoll sparen kann, wird gespart.
Die Gewissenserforschung steht deshalb an erster Stelle beim Zusammenstellen der Ausrüstung. Selbst Profi-Globetrotter Tilmann Waldthaler gestand mir in einem Interview: „Nach jeder Tour entdecke ich ein T-Shirt, das ich zu viel eingepackt habe.“ Deshalb auch Waldthalers wichtigster Tipp: „So wenig wie möglich einpacken!“
Ratgeber Küchenwaage
Moderne Textilien und Funktionsfasern machen es dem Radler leicht, den ungeliebten Schwergewichten auf den Leib zu rücken. Sinnvolles Gewichtsparen fängt bei mir bei den Schuhen an. Hier lässt sich extrem viel erreichen. Ein Paar leichter Tourenschuhe, wie der Click’r von Shimano, wiegt mit Klicksystem unter 500 Gramm und taugt sogar für die Wanderrunde. Da ich auf zusätzliche Restaurant-Schuhe nicht verzichten will, packe ich noch Leicht-Exemplare von Timberland ein. Schnell ist so insgesamt ein Kilo gespart.
Beim Zusammenstellen der restlichen Ausrüstung ist die Küchenwaage ein wichtiger Ratgeber. Von der Mütze bis hin zur Badeshort wird alles auf die Waage gelegt. Kaum zu glauben, welche Unterschiede schon bei einzelnen Teilen bestehen. In der Summe spart man da jede Menge Gewicht, ohne einen Wettersturz fürchten zu müssen. Im Gegenteil: Ich liebe meine warme Daunenjacke (Peak Performance, 200g). In Kombination mit einem langärmeligen Merino-Unterhemd (Icebreaker, 160g) leichtem Fleece (Arcteryx, 380g) und Regenjacke als äußerste Schicht, lassen sich damit sogar Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt ertragen.
Begeistert bin ich zudem von den neuesten Radklamotten. Auf dem Bild trage ich eine aktuelle Sommerkombi von Vaude. Hose mit leichtem Einsatz, Trikot und ein Löffler Netzunterhemd. Das Gesamtgewicht aller Teile: knapp 500 Gramm.
Radcheck wichtig
Manche mögen über meine kleine Werkzeugtasche schmunzeln. Ich bin damit schon über viele 1000 Kilometer gut gefahren. Ersatzschlauch, ein kleiner Leatherman, eine gut funktionierende Minipumpe, Handy-Tool und zusätzlich ein paar Kleinteile genügen immer, um die nächste Fahrzeugwerkstatt zu erreichen. Viele schleppen hier aus Angst vor möglichen Pannen unnötige Kilos wochenlang mit sich herum. Der kritische Radcheck vor der großen Tour ist hier weit wichtiger, als gewichtige Nothelfer in der Werkzeugtasche.
Selbst wenn ich für fünf Wochen auf Tour gehe, sind meine zwei Hecktaschen nicht prall gefüllt. Ziel ist dabei immer die 10-Kilo-Marke. Um gleichzeitig Platz zu sparen und Ordnung zu schaffen, helfen mir verschiedenfarbige, wasserdichte Packsäcke. Gefüllt mit den Textilien, lassen sich diese luftdicht komprimieren.
Bücher und schwere Reiseführer habe ich aus meiner Tasche verbannt. Mein iPad ist unterwegs der Draht zur Welt und trägt nebenbei ganze Bibliotheken. Gepaart mit meinem GPS-Gerät (Garmin GPSmap 62) und dem Smartphone kann ich auf keiner Tour verloren gehen. Ich achte hier auf kleine Netzgeräte und möglichst kurze Kabel.
Beste Dienste leistet mir zudem ein Leicht-Rucksack von Deuter. Auf der Tour macht er sich zusammengerollt in der Packtasche ganz klein. Beim Kulturbummel am Nachmittag trägt er alle wertvollen Utensilien. Beim Zusammenstellen der Freizeit-Klamotten, lohnt der Besuch im Oudoor-Shop. Meine gesamte Ausrüstung muss nicht nur leicht, sondern auch schnelltrocknend sein. Über Nacht müssen Trikot, Hemd und auch Radunterhose trocknen. Ein kleiner Trick hilft mir dabei. Ich rolle die gewaschenen Teile in ein trockenes Handtuch ein und wringe diese darin aus.
Viel Ballast lässt sich auch im Kulturbeutel sparen. Shampoo und Rasierschaum gibt es in kleinen Reisegrößen, anderes lässt sich in kleinere Plastikfläschchen umfüllen.
Und das Rad? Hier zählen natürlich viele Parameter. Für meine letzte Tour habe ich bewusst auf ein Superrad mit Rohloff- oder Pinion-Schaltung verzichtet. Shimano XT, schöner Alurahmen, Starrgabel, robuste 26-Zoll-Laufräder, Tubus-Träger und bequeme Ergon-Griffe – fertig ist für mich das leichte Reiserad.
Der komplette Artikel stand in Trekkingbike-Ausgabe 3/2016. Sie können das gesamte Heft in der Trekkingbike-App (iTunes und Google Play) lesen oder die Ausgabe im DK-Shop bestellen.
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