Jörg Spaniol
· 28.09.2016
US-Komponentenhersteller Sram schafft den Umwerfer ab – und legt hinten eins drauf: Das Zwölffach-Ritzel liefert mit 10 bis 50 Zähnen annähernd den Übersetzungsbereich einer Rohloff-Nabe. Aber ist es für Trekkingbiker wirklich eine Option?
Ein Zwölffach-Ritzel von Sram, alles klar. Was soll man schon denken, wenn diese Meldung ausgerechnet im April lanciert wird? Man hält es für einen Scherz – bis Sram zur Probefahrt einlädt.
Der neueste Coup der Marke ist aus deren Sicht nur konsequent: Nachdem sie 2012 mit nur einem vorderen Kettenblatt und elf Ritzeln hinten am Mountainbike einen Trend gesetzt hatte, kamen von etlichen Testern Beschwerden. Mit einem Übersetzungsspektrum von 10 bis 42 Zähnen fehlte auch sehr geübten Sportlern entweder bergauf ein leichterer oder bergab ein länger übersetzter Gang. Rennfahrer bereiteten sich mit einem Kettenblattwechsel auf die jeweilige Strecke vor – ein immenser Aufwand, den Freizeitradler nicht treiben wollen.
Doch die Möglichkeit, alle Gänge ohne weiteres Nachdenken über Kettenlinie oder die Funktion des Umwerfers hintereinander weg zu schalten, ist zweifellos sexy, nicht nur im Rennbetrieb. Mit der neuen "Eagle"-Serie und ihrem 500-Prozent-Übersetzungsbereich sind die 524 Prozent einer genauso zu bedienenden Rohloff-Nabe in greifbare Nähe gerückt, ebenso der 536-prozentige Übersetzungsumfang einer standardmäßigen Shimano XT-Trekkinggruppe (Ritzel 10fach, 11-32 Zähne). Und dabei ist eine 1x12-Schaltung mehrere hundert Gramm leichter als diese beiden Platzhirsche im gehobenen Trekking-Revier. Auch optisch reizt die klare Linie ohne Umwerfer und mit weniger Zügen – wenngleich ein 50er Ritzel vorerst ein gewöhnungsbedürftiger Anblick bleiben dürfte.
Noch ist die neue Technik nicht auf Trekkingradler, sondern auf leistungsorientierte Mountainbiker ausgelegt. Vor allem die Topgruppe XX1 besteht zu großen Teilen aus Carbon, Titan und Aluminium, alleine das Riesen-Ritzelpaket schlägt mit fast 460 Euro ein Loch in die Freizeitkasse. Zudem gibt es derzeit keine Trekking-Laufräder mit dem speziellen Freilaufkörper, den das kleinste (10er) Ritzel erfordert. 29er-Laufräder vom Mountainbike wären eine mögliche Alternative.
Dass die aktuellen 12fach-Topkomponenten mit ihren immens teuren Ritzeln an Trekking-Bedürfnissen vorbeigehen, ist klar. Doch prinzipiell hat die Technik auch für Nutzer außerhalb des Leistungssports unbestreitbaren Charme.
» Für Mountainbikes mag das interessant sein, doch am Trekkingbike überwiegen aus meiner Sicht die Nachteile: konzeptbedingt höherer Wartungsbedarf und höhere Defektanfälligkeit, größere Gangsprünge und vor allem die deutlich höheren Betriebskosten. Dem steht nur das geringere Gewicht gegenüber. Aber das ist für die meisten Trekkingbiker nicht so wichtig. «
Gerrit Gaastra, Idworx
» Die Sram Eagle ist auch für Alltagsradler geeignet, und sie lässt sich an jedes übliche Trekkingrad nachrüsten. Bei gleicher Übersetzungsbreite wie eine 2x10-Mountainbikeschaltung ist sie das effizientere und leichter zu bedienende Antriebskonzept. Sie ist viel mehr als einfach nur ein zusätzliches Ritzel. « Frank Ripper, Sram
Der Artikel stand in Trekkingbike-Ausgabe 4/2016. Sie können die Ausgabe in der Trekkingbike-App (iTunes und Google Play) laden oder im DK-Shop bestellen.