Kai Hilbertz
· 14.06.2020
Für manche Radfahrer ist das Thema Scheibenbremsen ein Buch mit sieben Siegeln. Wir beantworten 20 häufig gestellte Fragen rund um Scheibenbremsen – Basiswissen für alle Neugierigen.
In diesem Artikel beantworten wir euch folgende Fragen:
Vorteile
Nachteile
Das geht nur, wenn die Gabel und/ oder der Rahmen über die entsprechenden Aufnahmen für Scheibenbremsen verfügen. Das sind jeweils zwei Befestigungspunkte in der Nähe des linken Ausfallendes. Wer unbedingt will, kann seine Starr- oder Federgabel durch eine Gabel ersetzen, die für Scheibenbremsen ausgelegt ist. Wenn jedoch der Rahmen keine Aufnahmen hat, kann man hinten keine Scheibenbremsen montieren. Laufräder müssen Disc-tauglich sein.
Aktuell gibt es zwei Standards: Postmount und IS2000 (International Standard). Bei Postmount liegen die Befestigungspunkte 74,2 mm auseinander und sind entlang der Längsachse ausgerichtet.
Bei IS2000 liegen die Bohrungen der Aufnahme 51 mm auseinander und quer zur Fahrtrichtung . Die Aufnahmen werden bisher meistens so angebracht, dass man vorne und hinten Bremsscheiben mit 160 mm Durchmesser als Standard montieren kann. Das bedeutet auch, dass man keine kleineren Discs als 160er anbringen kann.
Allerdings gibt es mehr und mehr Mountainbikes mit Direkt-Postmount; sie nehmen standardmäßig 180 mm Discs auf. Da der Trend eindeutig in Richtung größere Bremsscheiben geht, wird sich diese Anordnung möglicherweise auch irgendwann bei Trekkingbikes durchsetzen.
Es gibt unzählige verschiedene Adapter für IS2000 und Postmount. Sie alle dienen einem Zweck: Sie rücken den Bremssattel in die passende Position zur entsprechenden Scheibengröße. Dadurch wird es möglich, größere Discs zu montieren. Diese gibt es in vielen verschiedenen Größen. Im Zweifel sollten Sie immer die größere Scheibe wählen. Sie ermöglicht höhere Bremsleistungen, wiegt etwas mehr und belastet Rahmen und Gabel mehr. Nicht jede Gabel darf Bremsscheiben größer als 180 mm aufnehmen.
Manche Cross- und Rennräder benutzen 140 mm Discs, während es bei Trekkingbikes erst bei 160 mm losgeht. Wer entweder etwas mehr Gewicht auf die Waage bringt oder aber mit viel Gepäck unterwegs ist, ist gut beraten mit 180 mm Scheiben. Wer in den Alpen unterwegs ist, tendiert wahrscheinlich eher zu 203 mm Scheiben. An Tandems und Transporträdern sind oft Scheiben mit 220, 240 oder sogar 254 mm Durchmesser (Santana) montiert.
Mechanische Scheibenbremsen werden, ähnlich wie klassische Felgenbremsen, über einen Bowdenzug gebremst. Je länger das Kabel, umso größer die systemimmanente Reibung.
Hydraulische Scheibenbremsen werden dagegen mit Bremsflüssigkeit gebremst. Weil ihre Reibungsverluste geringer sind, sind auch Dosierbarkeit und Bremskraft besser. Diese Vorteile werden mit den Nachteilen höherer Kosten und höherer mechanischer Komplexität erkauft.
Die meisten mechanischen Bremsen arbeiten einseitig mit nur einem Kolben. Der bewegliche Kolben drückt die Scheibe gegen den fest im Bremssattel verankerten inneren Belag. Dagegen arbeiten hydraulische Bremsen in der Regel mit zwei Kolben, die die Bremsscheibe von beiden Seiten symmetrisch anbremsen.
Hydraulische Bremsen sind meist sehr zuverlässig, benötigen aber für die Wartung Spezialwerkzeug. So müssen sie beispielsweise bei der Erstmontage, und häufig auch später bei der Wartung, entlüftet werden. Verglichen damit, sind die Bremszüge mechanischer Bremsen anfällig für Rost und Schmutz, aber sie lassen sich leichter reparieren.
Nein. Manche Hersteller verwenden DOT-(Auto-)Bremsflüssigkeit, andere Hersteller Mineralöl. Die zwei Arten der Bremsflüssigkeit sind nicht miteinander kompatibel.
Avid/SRAM, Formula, Hayes und Hope verwenden entweder DOT 4 oder 5.1, die jeweils auf Glykolbasis arbeiten. Achtung: DOT 5 ist auf Silikonbasis aufgebaut und nicht mit DOT 4 oder 5.1 kompatibel! DOT-Flüssigkeit hat den Vorteil eines hohen Siedepunkts, hat aber den Nachteil sowohl giftig als auch hygroskopisch zu sein. Das bedeutet, dass sie Wasser aus der Luft aufnimmt. DOT-Flüssigkeit ist sowohl für die Haut wie für Fahrradlack ätzend und sollte daher möglichst schnell abgewischt werden, wenn sie mal austritt. Der Siedepunkt von DOT 5.1 liegt etwas höher, dafür ist DOT 4 fast überall zu bekommen. Man kann beide untereinander austauschen.
Mineralöl ist dagegen chemisch neutral und zieht kein Wasser. Es kann auf Jahre im Bremssystem verbleiben, ohne ausgetauscht werden zu müssen. Es wird von Magura, Shimano und Tektro eingesetzt. Laut Auskunft unserer Mechaniker kann man bedenkenlos das bei Magura und Shimano verwendete Mineralöl untereinander austauschen.
Wenn man bei der Wartung die falsche Bremsflüssigkeit einfüllt, dann ist das etwa so wie der größte anzunehmende Unfall. Die Kombination DOT-Flüssigkeit und Mineralöl-Bremse sorgt dafür, dass die Dichtungen „angefressen“ und weich werden. Sie sind damit zerstört, sämtliche Dichtelemente muss man gegen neue austauschen und die Bremse danach neu zusammenbauen. Wenn Mineralöl in eine DOT-Bremse gelangt, dann tritt ein Art Viagra-Effekt ein: Die Dichtungen schwellen an und müssen ebenfalls alle ausgetauscht werden. Daher sollte man immer auf die korrekte Bremsflüssigkeit achten.
Bei Scheibenbremsen müssen die Vorder- und Hinterradnaben auf der linken Seite jeweils über eine Aufnahme für die Scheibe verfügen. Die Aufnahme kann unterschiedlich ausgeformt sein, siehe Frage acht. Ferner müssen die Speichen abgewinkelt zur Felge verlaufen, sodass sie sich gegenseitig kreuzen. Ein Rad mit radialer (= ungekreuzter) Einspeichung ist aus Stabilitätsgründen nicht für Scheibenbremsen geeignet.
Die meisten Naben verwenden die IS2000-Aufnahme, auch „6-Loch Aufnahme“ genannt. Die Scheibe wird mit sechs M5-Torxschrauben auf die Nabe aufgeschraubt.
Shimano hat mit Centerlock ein eigenes System mit Vielzahnprofil und Verschlussring eingeführt. Damit geht die Montage bzw. Demontage etwas schneller, die Flanschgröße der Naben kann ein wenig reduziert werden. Den Ring kann man mit dem normalen Kassetten-Verschlussring-Werkzeug festdrehen. Rohloff verwendet wegen der Form seiner Hinterradnabe ein eigenes, 4-Loch-Befestigungssystem für Bremsscheiben. Neben Rohloff bieten Avid, Formula, Hope, Magura und Trickstuff diverse Discs im 4-Loch-Format an.
Pinion-Räder brauchen kein eigenes System, jede geeignete Nabe kann verwendet werden.
Ja. Es muss nur ein Centerlock-Adapter auf die Scheibe montiert werden, und schon kann man sie auf einer Centerlock-Nabe befestigen.
Derartige Adapter gibt es sowohl von Shimano als auch von Drittherstellern und sind relativ günstig.
Die Scheiben können sehr heiß werden! Das Hauptproblem bei allen Scheibenbremsen ist der Abbau von Wärme. Wer in ebenem Gelände ohne Gepäck unterwegs war und kürzlich auch nicht stark gebremst hatte, bei dem werden die Discs auch nicht allzu warm sein. Aber wenn Sie gerade mit vielen Taschen oder in den Bergen unterwegs sind, dann können die Scheiben richtig heiß werden. Gehen Sie also im Zweifelsfall lieber kein Risiko ein – Finger weg!
IS oder 6-Loch-Scheiben bestehen oft aus einem Stück Edelstahl. Das ist einfach und zuverlässig. Centerlock-Bremsscheiben haben dagegen immer ein inneres Profil aus Alu, um das Vielzahnprofil der Nabe aufzunehmen. Wenn das Profil etwas größer ausgeformt wird und über mehrere Arme verfügt, heißt es „Spider“.
Die äußere Scheibe aus Stahl wird mit der Spider vernietet. Auch 6-Loch-Scheiben werden oft mit einer Spider hergestellt. Gerade bei großen Scheiben verleihen Spider zusätzliche Stabilität und können bei großer thermischer Belastung vorteilhaft sein. Wenn sich eine Bremsscheibe zu stark erhitzt, kann sie sich verformen. Spider-Konstruktionen sind allgemein etwas resistenter gegen derartige Verformungen.
Nicht unbedingt. Es hat auch schon Discs aus Titan gegeben, die allerdings sehr teuer waren und vor allem schnell verschlissen sind. Die meisten Bremsscheiben sind aus massivem Edelstahl, ein Material, dass sich seit Langem bewährt hat. Seit ein paar Jahren hat Shimano mit „IceTech“ eine neue Verbundkonstruktion auf den Markt gebracht.
Die Bremsflächen der Discs sind aus Stahl, während der Aluminiumkern in der Mitte besser in der Lage sein soll, Bremswärme abzuführen. Dazu gesellen sich neue „IceTech“ Bremsbeläge.
IceTech-Bremsbeläge werden mit Kühlrippen versehen. Bei der „Freeza“-Technik wird der IceTech-Alukern der Scheibe vergrößert und zu Kühlrippen geformt, um sie nochmals kühler zu halten. Tests von BIKE und TOUR haben gezeigt, dass IceTech-Beläge und -Verbundscheiben tatsächlich Wärme gut ableiten. Unter normalen Bedingungen funktionieren IceTech-Bremsscheiben tadellos. Werden sie jedoch unter extremen, aber dennoch realistischen Bedingungen zu stark erhitzt, so kann der Alukern schmelzen – die Bremsleistung lässt schlagartig nach. Daher sollten alpine Radler und Tourenfahrer mit viel Gepäck lieber möglichst große Bremsscheiben aus massivem Stahl montieren.
Ja. Zunächst sollte natürlich die Größe stimmen. Wenn die Scheibe etwas zu klein ist, dann ist das nicht katastrophal, aber auch nicht vorteilhaft. Eine etwas zu große Scheibe kann dagegen oben an der Aussparung des Bremssattels schleifen. Kontrollieren Sie auch, dass der Spider (sofern vorhanden) nicht den Bremssattel berührt. Da die neue Scheibe weniger abgenutzt sein wird als die alte, müssen die Bremsbeläge eventuell neu eingestellt werden, sofern man sie nicht beim Scheibenwechsel ersetzt. Manche neuen Bremsscheiben, wie z. B. die Shimano SM-RT54, dürfen nur mit organischen Belägen gefahren werden.
Der Begriff „organische“ Beläge ist missverständlich, es handelt sich nicht um ökologische Bremsklötze. Organisch bedeutet lediglich, dass derartige Beläge weniger Metallelemente und mehr Fiberglas und Harz beinhalten. Sie bremsen besser, vor allem bei Nässe, und sie sind leiser. Metallische Beläge haben eine längere Lebensdauer und quietschen tendenziell mehr.
Ja, unbedingt! Lesen Sie dazu immer die Bedienungsanleitung. Speziell bei organischen Belägen müssen die Beläge durch starkes Dauerbremsen im Gefälle auf über 200 Grad erhitzt werden, damit Lösungsmittel ausgasen können. Beim Ausgasen vermindert sich die Bremskraft stark, es kommt zum sogenannten „Fading“. Daher beim Einbremsen möglichst immer nur mit einer Bremse bremsen, die zweite in Reserve halten. Sicherheitshalber sollte man diese Prozedur fernab von jeglichem Verkehr durchführen.
Wenn die Bremsen richtig eingebremst worden sind, dann liegt es wahrscheinlich daran, dass entweder die Beläge oder die Scheiben dreckig sind. Denken Sie daran, dass zum Beispiel Kettenöl nie auf die Beläge geraten darf, in diesem Fall müssen sie ersetzt werden. Die Scheiben lassen sich mit Alkohol oder speziellem Bremsenreiniger reinigen. Die Beläge kann man mit feinem Sandpapier vorsichtig reinigen und anrauhen.
Eine Scheibenbremse sollte man nie betätigen, wenn sich keine Scheibe im Bremssattel befindet, also wenn zum Beispiel die Laufräder für den Transport ausgebaut sind.
Für diesen Fall bieten Hersteller wie Magura Transportsicherungen aus Kunststoff an, die in den Bremssattel gesteckt werden. Wenn die Bremsbeläge aber doch zusammengedrückt wurden, bitte nicht mit einem Schraubenzieher auseinanderdrücken – das kann die Beläge zerkratzen! Nehmen Sie dazu lieber die Transportsicherung oder etwas anderes aus Kunststoff.
Bei mechanischen Bremsen sollte man die Züge auf Leichtgängigkeit kontrollieren. Hydraulische Bremsen mit DOT-Flüssigkeit muss man hin und wieder neu befüllen. Scheibenbremsen sollte man mindestens einmal im Jahr kontrollieren. Tauschen Sie die Bremsbeläge spätestens ab einer Reststärke von 0,5 mm aus. Messen Sie auch die Scheibenstärke. Wenn die Mindeststärke (manchmal auf den Scheiben aufgedruckt, sonst Herstellerangaben checken) unterschritten wird, muss man auch sie auswechseln.