Bremsbeläge bei Scheibenbremsen austauschen

Jochen Donner

 · 14.08.2022

Bremsbeläge bei Scheibenbremsen austauschenFoto: Skyshot/Greber

In diesem Artikel verwenden wir sogenannte Affiliate Links. Bei jedem Einkauf über diese Links erhalten wir eine Provision vom Händler. Alle vermittlungsrelevanten Links sind mit * gekennzeichnet. Mehr erfahren.

Abgenutzte Bremsbeläge lassen sich leicht selbst auswechseln. Zur Not sogar unterwegs. MYBIKE zeigt Tipps zum Belagwechsel und zur Verschleißvorbeugung. Wir zeigen den Belagwechsel beispielhaft an Shimanos weitverbreiteter, aktueller XT-Trekking-Bremse BR-M8100.

Dieses Disc-Modell hat sich als einer der Standards in der oberen Mittelklasse etabliert und wird an vielen Fahrrädern und E-Bikes verwendet. Doch die Modellvielfalt ist gerade bei Scheibenbremssystemen riesig. Aktuell sind Bremsbeläge aufgrund weltweit gestörter Lieferketten oft Mangelware in den Shops und beim Großhandel. Das macht auch die Beschaffung von Ersatzbelägen nicht einfach.

Unser Tipp: Greifen Sie bei Ersatzbelägen immer zu Markenware (Jagwire, BBB, Galfer, Trickstuff, Swissstop etc). Oft stammen die Beläge von Bremsspezialisten aus dem Automotive-Bereich. Namenlose oder Billig-Produkte können unserer Erfahrung nach qualitativ meist nicht mithalten.

Bei Bremsanlagen anderer Fabrikate, aber selbst an Shimano-Modellen älterer Baujahre, treten Unterschiede zu unserer Beispielbremse auf, da Details technisch häufig anders umgesetzt werden. So kann beispielsweise die Art der Belägesicherung, Maße und Form der Beläge und Distanzfeder sowie Bauart der Brems­zange und Anzahl der anders aussehen.

Das Prinzip von Bremszange, Kolben und Belägen funktioniert jedoch immer und überall vergleichbar. Egal, ob Ihre Bremsanlage von Magura, SRAM, Tektro, TRP oder anderen Herstellern stammt: Gehen Sie immer schrittweise und sinn­gemäß vor. Optimal arbeiten können Sie, wenn Ihr Bike an Sattelstütze oder Oberrohr stabil in einem Montageständer hängt. Blockieren Sie die Gabel mit einer Lenkerklammer, damit sie sich beim Arbeiten nicht verdrehen kann. Bauen Sie beide Laufräder aus.

Jochen Donner, Testredakteur: „Bremsen sind sicherheitsrelevante Bauteile. Arbeiten Sie hier immer mit besonderer Sorgfalt und Umsicht. Bringen Sie im Zweifelsfall oder bei unklaren Problemen das Bike lieber zur Reparatur in die Fachwerkstatt. Das ist keine Schande, sondern dient der Verkehrssicherheit.“

Bremsbeläge wechseln in 9 Schritten

Schritt 1: Klammer ziehen

Ziehen Sie die kleine Klammer von der Belagsicherungsschraube. Legen Sie sie zur Seite, damit sie zum Zusammenbau nicht verloren geht.

Bremsbeläge sind mit einer Sicherungsschraube befestigt und diese wiederum mit einer Klammer gesichert. Die Klammer muss als erstes entfernt werden.Foto: MYBIKE
Bremsbeläge sind mit einer Sicherungsschraube befestigt und diese wiederum mit einer Klammer gesichert. Die Klammer muss als erstes entfernt werden.

Schritt 2: Bellagsicherung entfernen

Drehen Sie dann die Halte­schraube der Beläge aus der Bremszange. Legen Sie die Belag­sicherung zur Seite, um sie nachher wieder zu verwenden. Bei anderen Modellen wird statt der Schraube ein am Ende aufgebogener Splint verwendet. Den sollten Sie aufgrund der Mate­rialbelastung durch das Aufbiegen bei einem Belagwechsel ersetzen. Neue Sicherungssplinte liegen den Ersatzbelägen bei.

Bevor die Bremsbeläge entnommen werden können, wird die Sicherungsschraube entfernt.Foto: MYBIKE
Bevor die Bremsbeläge entnommen werden können, wird die Sicherungsschraube entfernt.

Schritt 3: Bremsbelege entfernen

Ziehen Sie das Bremsbeläge-Paar mitsamt seiner Spreizfeder nach hinten aus der Bremszange. Kontrollieren Sie nun die Bremsflächen der Altbeläge darauf, wie stark sie ab­genutzt sind und ob sie überhaupt schon ersetzt werden müssen.

Für den Wechsel der Bremsbeläge werden sie mitsamt Rückstellfeder aus der Bremszange gezogen.Foto: MYBIKE
Für den Wechsel der Bremsbeläge werden sie mitsamt Rückstellfeder aus der Bremszange gezogen.

Schritt 4: Belagdicke messen

Messen Sie zunächst die Dicke des gesamten Altbelags. Im zweiten Schritt misst man die Dicke der Trägerplatte am Überstand und zieht dies von der Gesamtdicke ab. So erhält man die aktuelle Belag­dicke. Shimano-Beläge unter 0,5 mm gelten als abgefahren. Mitbewerber Tektro gibt eine Gesamtdicke von 2,5 mm als Verschleißgrenze an. Checken Sie die Hersteller-Website, welche Maße dort vorgegeben sind.

Messen der BelagdickeFoto: MYBIKE
Messen der Belagdicke

Shimano arbeitet zwei gewölbte Ausbuchtungen in die Rückenplatte ein. Sie dienen als Indikator für minimale Belagdicke und werden dann in der Belagoberfläche sichtbar.

Verschleiß-Indikator für den BremsbelagFoto: MYBIKE
Verschleiß-Indikator für den Bremsbelag

Schritt 5: Bremskolben zurück drücken

Um Platz für neue, dickere Beläge zu schaffen, schieben Sie zunächst die verschlissenen Altbeläge wieder in die Bremszange. Drücken Sie dann mit einem geeigneten Werkzeug (breiter Schraubendreher, stabiles Buttermesser) die Beläge und damit die Bremskolben in ihre Nullstellung ganz zurück. Vorsicht, dies hinterlässt Druckstellen. Verwenden Sie immer die Altbeläge als Puffer, niemals neue Beläge. Drücken Sie niemals mit Werkzeug direkt auf die Kolben selbst. Sie können sehr leicht verkanten oder zerbrechen (viele Bremskolben bestehen aus Keramik).

Das Auseinanderdrücken der Bremskolben funktioniert auch mit einem Schraubendreher. Wichtig: Immer die alten Beläge als Schutz zwischen Tool und Bremszange lassen!Foto: MYBIKE
Das Auseinanderdrücken der Bremskolben funktioniert auch mit einem Schraubendreher. Wichtig: Immer die alten Beläge als Schutz zwischen Tool und Bremszange lassen!

Zum gefahrlosen, aber gründlichen Zurückdrücken der Bremskolben gibt es Spezial-Werkzeug, das sich aber nur lohnt, wenn man es häufig benutzt. Anbieter sind Parktool*, Topeak* oder Birzman*. Besonders komfortabel und verkantungsfrei arbeitet das Werkstatt-Tool von Goose-Bikeparts. Dessen Pressflächen setzt man direkt ohne Beläge auf die Kolben.

Mit dem Bremsen-Tool von Goose-Bikeparts ist das Zurückdrücken der Bremskolben besonders einfach.Foto: MYBIKE
Mit dem Bremsen-Tool von Goose-Bikeparts ist das Zurückdrücken der Bremskolben besonders einfach.

Schritt 6: Reinigen

Nehmen Sie die Altbeläge endgültig heraus. Werfen Sie sie noch nicht weg, falls Sie das Zurückstellen der Kolben später beim Laufradeinbau noch einmal wiederholen müssen. Befreien Sie die Innenseite der Bremszange mit einer alten Zahnbürste von Staub und Belagabrieb.

Reinigen  der BremszangeFoto: MYBIKE
Reinigen der Bremszange

Schritt 7: Gummidichtung schmieren

Befeuchten Sie ein Wattestäbchen mit der Bremsflüssigkeit, die in der Bremse benutzt wird (DOT-Bremsflüssigkeit oder Mineralöl). Schmieren Sie damit den Kolben-Dichtring. So gleiten die Kolben leichtgängiger und gleichmäßiger. Wichtig: Die Gummi-Dichtungen sind nur auf das jeweilige Bremsmedium abgestimmt. Bei Kontakt mit falscher Flüssigkeit kann die Funktion beeinträchtigt werden.

Schmieren der Gummidichtung von hydraulischen Scheibenbremsen.Foto: MYBIKE
Schmieren der Gummidichtung von hydraulischen Scheibenbremsen.

Schritt 8: Neue Beläge und Rückstellfeder zusammenführen

Fügen Sie nun beide neuen Bremsbeläge und deren Rückstellfeder zu einem Paket zusammen. Die Rückstellfeder sollte man beim Belagwechsel ebenfalls ersetzen. Durch hohe Temperaturen und Kompression verliert sie zunehmend an Spannung. Neuen Shimano-Belägen liegt immer eine neue Feder bei.

Paket aus Bremsbelägen und Rückstellfeder.Foto: MYBIKE
Paket aus Bremsbelägen und Rückstellfeder.

Schritt 9: Bremsbeläge einsetzen und sichern

Schieben Sie das neue Bremsbeläge-Paar inklusive Feder als Paket in die Bremszange. Achten Sie darauf, dass die Beläge nicht verkanten, korrekt und wackelfrei sitzen. Bringen Sie die Halteschraube und deren Sicherung wieder an. Achten Sie beim Einbau des Laufrads darauf, dass die neuen Beläge genügend Platz für die Bremsscheibe lassen. Stehen die neuen Beläge zu eng dafür, wiederholen Sie das Zurückdrücken der Kolben mit den Altbelägen nochmals.

So wie die alten Beläge entfernt wurden, werden die neuen Bremsbeläge eingesetzt. Sichern nicht vergessen.Foto: MYBIKE
So wie die alten Beläge entfernt wurden, werden die neuen Bremsbeläge eingesetzt. Sichern nicht vergessen.

Bremsbeläge identifizieren

Jeder Hersteller, ja sogar verschiedene Modelle derselben Marke setzen auf eine eigene Form und Beschaffenheit des jeweiligen Bremsbelags. Eine korrekte Identifizierung ist also enorm wichtig für den Kauf passender Ersatzbeläge.

Beim Austausch von Bremsbelägen ist es unabdingbar, die richtigen, exakt passenden Ersatzbeläge zu verwenden. Nicht nur in der Form, auch nach Bauart, Materialien und Qualität unterscheiden sich Bremsbeläge teils extrem. „Passt für Shimano XT“ sagt da leider nicht viel aus. Bremsen aller Hersteller verändern sich im Lauf der Jahre oft mehrfach, und meist gibt es zudem noch mehrere Modellvarianten (z. B. XT Trekking, Mountain, ICE-Tech etc). Shimano-Beläge tragen auf ihrer Rückseite einen Buchstaben-Zahlen-Code. Unter www.paul-lange.de (deutscher Shimano-Importeur) führt ein Eintrag dieses Codes im Suchfeld der Seite direkt zum passenden Bremsbelag.

Andere Hersteller handhaben das ähnlich, es gibt aber auch schwierigere Fälle. Wichtig ist immer, zunächst Bremsenmodell und -hersteller zu identifizieren. Dazu finden sich die zuverlässigsten Informationen auf den jeweiligen Hersteller-Websites. Meist findet man dort auch ältere Bremsen, die nicht mehr aktuell sind. Auch Ersatzbelag-Spezialisten wie Trickstuff oder SwissStop können selbst in problematischen Fällen weiterhelfen und passende Beläge liefern. Bei Zweifeln oder in aussichtslosen Fällen ist der Fachhändler, unter Umständen der Bike-Hersteller selbst, die beste Anlaufadresse. Auch dort hat man das nötige Know-how, was die Frage nach Ersatzbelägen auch von Bremsen älterer Baujahre betrifft.

Jeder ist anders: An Form, Farbe und Code kann man Hersteller, Modell und Baujahr erkennen.Foto: MYBIKE
Jeder ist anders: An Form, Farbe und Code kann man Hersteller, Modell und Baujahr erkennen.

Neue Bremsbeläge einbremsen

Bevor man eine neue Bremse, getauschte Beläge oder Scheibe sicher benutzen kann, muss man die Bremse sorgfältig einfahren. Beschleunigen Sie Ihr Bike auf etwa 30 km/h (auf einem verkehrsarmen Platz oder Weg, optimal mit längerem Gefälle). Bremsen Sie dann beherzt, kräftig und in einem Mal bis kurz vor Stillstand ab. Wiederholen Sie das mindestens fünfmal hintereinander, besser öfter. Die gesamte Bremsanlage soll richtig heiß werden. Mit jeder dieser aufeinanderfolgenden Bremsungen passen sich die Oberflächen von Bremsbelägen und -scheibe auf molekularer Ebene besser aneinander an. Der Reibwert nimmt zu, und die Bremse arbeitet umso effizienter, je sorgfältiger diese erste Anpassung geschieht.

Einfahren bedeutet, mehrmals hintereinander aus hoher Geschwindigkeit kontrolliert stark abzubremsen. So wird das gesamte Bremssystem erwärmt, die Oberflächen von Belägen und Disc entwickeln ihre optimalen Reibwerte.Foto: Skyshot/Greber
Einfahren bedeutet, mehrmals hintereinander aus hoher Geschwindigkeit kontrolliert stark abzubremsen. So wird das gesamte Bremssystem erwärmt, die Oberflächen von Belägen und Disc entwickeln ihre optimalen Reibwerte.

Resin- oder Metall-Bremsbeläge?

Bremsbeläge werden in zwei Belag-Qualitäten angeboten: Resin, organisch oder Kunststoff sind Begriffe für in Kunstharz gebundene Bremspartikel. Bei Sinter- oder Metallbelägen werden die Bremspartikel dagegen unter hohem Druck und Temperatur gepresst und zum Bremskuchen gebacken. Als Richtschnur gilt: Resinbeläge sind etwas weicher, bremsen geringfügig schlechter bei Nässe und verschleißen etwas früher. Dafür sind sie feinfühliger do­sierbar und deutlich weniger quietsch­anfällig. Metallbeläge greifen stärker zu und entwickeln höhere Reibung, besonders unter nassen, schmutzigen Bedingungen. Sie halten insgesamt etwas länger. Dafür entsteht mehr Verschleiß an der Scheibe. Oft ist jedoch diesen Belägen das Quietschen nicht auszutreiben, gerade bei Nässe.

Beläge aus Resin und MetallFoto: MYBIKE
Beläge aus Resin und Metall

Oberfläche der Bremsbeläge anschmirgeln

Im Fahrbetrieb reißen die Löcher der Disc die Oberfläche der Bremsbeläge stets aufs Neue auf. So bleibt immer ein hoher Reibwert erhalten. Bremst man jedoch zu zaghaft oder längere Zeit schleifend, kann die Oberfläche verglasen. Sie wird dann hart, glatt und entwickelt kaum noch Reibung. Ziehen Sie solche Beläge mehrfach auf gröberem Schleifpapier ab (ca. 100er-Körnung). Die Oberfläche wird wieder matt und porös, die nötige Reibung kehrt zurück. Das hilft auch, wenn Riefen oder Schrägen auf noch nutzbaren Belägen entstanden sind. Sind die Beläge jedoch mit Fett oder Öl in Berührung gekommen, hilft kein Schmirgeln. Diese Beläge gehören in den Müll.

Oberfläche der Bremsbeläge am besten mit grobem Schleifpapier abziehen.Foto: MYBIKE
Oberfläche der Bremsbeläge am besten mit grobem Schleifpapier abziehen.

Disc-Verschleiß kontrollieren

Behalten Sie den Verschleiß Ihrer Bremsscheiben im Auge: Auch sie verlieren an Dicke und müssen, schon aus Sicherheitsgründen, rechtzeitig ersetzt werden. Messen Sie die Dicke bei jedem Belagwechsel, um den Verschleiß im Blick zu behalten. Meist ist die Mindestdicke aufgedruckt. Bei Shimano gilt eine Mindestdicke von 1,5 Millimetern. Informieren Sie sich dazu immer auch auf der Hersteller-Website! Auch neue Bremsscheiben muss man vor einer ersten Benutzung sorgfältig einfahren.

Den Verschleiß an der Bremsscheibe sollte man im Auge behalten.Foto: MYBIKE
Den Verschleiß an der Bremsscheibe sollte man im Auge behalten.

TIPP: Nothilfe unterwegs

Belagverschleiß geschieht nicht unbedingt linear, sondern ist stark abhängig von Fahrweise, Systemgewicht und der aktuellen Belastung durch Schmutz und Nässe. Unter starker Belastung kann ein Bremsbelag überraschend schnell wegschmelzen. Auf längeren Touren sollte man daher immer ein Paar Ersatzbeläge mitführen. Im Notfall kann man unterwegs die Beläge von hinten nach vorne tauschen und umgekehrt. Denn rund 70 % der gesamten Bremsleistung laufen an der Vorderrad-Bremse auf. Deren Beläge verschleißen deshalb meist schneller. Das gilt auch besonders für die schwereren E-Bikes.