Kein KavaliersdeliktIllegales Tuning bei Pedelecs und E-Bikes

Uli Frieß

 · 12.04.2021

Kein Kavaliersdelikt: illegales Tuning bei Pedelecs und E-BikesFoto: Skyshot/ Markus Greber
Besser legal! Tuning bei Pedelecs und E-Bikes

Nicht ohne Grund schieben Pedelec-Motoren nur maximal bis 25 km/h. Wer ihre gesetzlich verankerten Betriebsgrenzen mit E-Bike- oder Pedelec-Tuning außer Kraft setzt, gefährdet sich, andere und den privilegierten Status der Räder. Es drohen zudem empfindliche Strafen.

Pedelec-Tuning ist kein Kavaliersdelikt. Dennoch werden im Internet offen Tuning-Kits angeboten, mit denen sich die Räder deutlich schneller machen lassen als sie ohnehin schon sind. Kleine Elektronik-Boxen hebeln dafür die softwareseitige Motordrossel aus. Handwerkliche Fähigkeiten braucht’s für ihren Einbau kaum. Aber Vorsicht: Werden die gesetzlichen Grenzwerte überschritten (maximale Motor-Nennleistung 250 Watt, Höchstgeschwindigkeit 25 km/h), gelten Pedelecs nicht mehr als Fahrräder. Dann sind sie zulassungs- und versicherungspflichtige Kraftfahrzeuge. Wer mit einem frisierten Pedelec im öffentlichen Straßenverkehr erwischt wird, riskiert drastische Strafen.

Wer illegal Pedelec-Tuning betreibt, riskiert viel

Warum das so ist, erklärt ADFC-Rechtsexperte Roland Huhn: „Wer mit einem getunten Zweirad das private Grundstück verlässt, ist ohne Betriebserlaubnis unterwegs. Das ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 4 und § 48 Fahrzeug-Zulassungsverordnung. Weil der Fahrer die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung mit Versicherungskennzeichen nicht vorweisen kann, begeht er zudem eine Straftat nach § 6 Pflichtversicherungsgesetz und riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Ob dem Fahrer außerdem die notwendige Fahrerlaubnis fehlt (mindestens Klasse AM, ab 16 Jahren), ist eine Frage des Einzelfalls.“

Wer mit einem solchen Rad in einen Unfall verwickelt ist, kann sich zudem finanziell ruinieren. Denn nach § 7 Straßenverkehrsgesetz haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden beim Betrieb. „Das trifft auch den Halter eines getunten Pedelecs. Kraftfahrzeuge sind zum Ausgleich haftpflichtversichert, nicht jedoch getunte Pedelecs ohne Betriebserlaubnis“, so Roland Huhn. „Auch die Privathaftpflichtversicherung, die das Pedelec bis zum Umbau abgedeckt hat, zahlt nicht. Zur gesteigerten Haftung kommt also eine unbegrenzte, nicht versicherte Schadenersatzpflicht.“ Rechtlich aus dem Schneider sind nur die Anbieter der Tuning-Kits. Weil der Verkauf solcher Einrichtungen in Deutschland nicht generell verboten ist, reicht es, darauf hinzuweisen, dass die Geräte im öffentlichen Raum nicht in Betrieb gehen dürfen.

Neben rechtlichen Aspekten schwächt Pedelec Tuning die Fahrsicherheit von Pedelecs, weil ihre Betriebsgrenzen deutlich überschritten werden. Im schlimmsten Fall begünstigt Motortuning schwere Unfälle und gefährdet damit den privilegierten Status der Pedelecs. Alle Vorteile, die sie rechtlich als Fahrräder genießen, wären dann passé. Dabei können Bike-Tuner auch legal einiges tun: leichte Anbauteile, optimierte Schaltung, bessere Ergonomie - alles absolut legal.

Das sagen die Experten zu E-Bike- und Pedelec-Tuning

  Claus Fleischer, Geschäftsleiter Bosch eBike SystemsFoto: Skyshot/ Markus Greber
Claus Fleischer, Geschäftsleiter Bosch eBike Systems

»Tuning ist ein Katz-und-Maus-Spiel«

Anbieter von Tuning-Kits hebeln die Bemühungen, Tuning zu verhindern, immer wieder aus. Wir sprachen mit Claus Fleischer, Geschäftsleiter bei Bosch eBike Systems.

MYBIKE Nach DIN EN 15194 müssen Hersteller von Pedelec-Antrieben versuchen, Manipulationen an den Systemen zu unterbinden. Wie tritt Bosch eBike Systems Tuning-Versuchen an den Antriebssystemen entgegen?

Fleischer Außer einer intensiven Aufklärungs- und Präventionsarbeit in der Öffentlichkeit setzen wir auf technische Vorkehrungen gegen das Tuning unserer Antriebssysteme. Zusammen mit dem Zweirad-Industrie-Verband haben wir eine Selbstverpflichtung der Industrie auf den Weg gebracht, um gegen Tuning vorzugehen. Daraus resultierte die Anpassung der Pedelec-Norm EN 15194 mit dem Passus, dass E-Bike-Systeme selbst erkennen müssen, ob sie manipuliert werden, um sich davor zu schützen beziehungsweise geeignet darauf zu reagieren. An dieser Norm haben wir aktiv mitgewirkt, und auf ihrer Basis setzen wir unsere Anti-Tuning-Maßnahmen um.

Seit wann setzt Bosch eBike Systems diese Maßnahmen um?

Schon seit 2018/2019 beinhaltet die Software einen Algorithmus, der Tuning und Manipulationen am eBike-System erkennt. Mit dem Modelljahr 2020 haben wir den Schutz mit unserer Anti-Tuning-Software nochmals verstärkt: Sie erkennt während der Fahrt, ob das E-Bike getunt ist, und schaltet es in den Notlaufbetrieb. Der E-Biker kann den ursprünglichen Fahrzustand wiederherstellen, indem er 90 Minuten im Notlaufbetrieb ohne Tuning-Kit fährt. Sobald sich das System wieder im Normalbetrieb befindet, erfolgt die Manipulationsabfrage erneut. Nach der dritten Wiederherstellung kann der Notlaufbetrieb nur noch durch den Fachhändler aufgehoben werden.

E-Bike- und Pedelec Tuning zu verhindern ist ein kontinuierlicher Prozess. Wie stellt sich Bosch eBike Systems darauf ein?

Das ist tatsächlich ein Katz-und-Maus-Spiel, wie man es etwa auch von Computerviren und Antivirensoftware kennt: Wir haben eine technische Lösung, darauf reagieren dann die Tuning-Anbieter. Aber wir bleiben hartnäckig, beobachten den Markt und die verfügbaren Kits und entwickeln unsere Software permanent weiter. Darüber hinaus suchen wir den Austausch, wie seitens der Behörden rechtlich gegen Tuning-Anbieter vorgegangen werden kann.

  Dipl.-Ing. Dirk Zedler, FahrradsachverständigerFoto: Oliver Hees
Dipl.-Ing. Dirk Zedler, Fahrradsachverständiger

»Tuning bedroht das Pedelec als solches«

Pedelecs könnten ihren privilegierten Status als Fahrrad verlieren, wenn es zu oft zu Unfällen und Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben kommt. Wir sprachen mit dem Fahrradsachverständigen Dipl.-Ing. Dirk Zedler über E-Bike- und Pedelec-Tuning:

MYBIKE Warum ist es so einfach, Pedelecs zu frisieren?

Zedler In Deutschland ist der Verkauf von sogenannten Tuning-Kits nicht verboten. Die Anbieter müssen Käufer lediglich darauf hinweisen, dass solche Einrichtungen im öffentlichen Raum nicht betrieben werden dürfen. Ein Verkaufsverbot von Tuning-Sätzen, wie es beispielsweise in Frankreich existiert, würde das Tunen von Pedelecs deutlich erschweren.

Warum ist es gefährlich, ein getuntes Pedelec zu fahren?

Pedelecs sind auf eine Nenn-Motorleistung von 250 Watt und eine Motorunterstützung bis maximal 25 km/h ausgelegt. Werden diese Betriebsgrenzen überschritten, können sicherheitsrelevante Bauteile wie Rahmen, Laufräder, Vorbauten, Sattelstützen et cetera versagen. Das kann zu schweren Unfällen führen. Und: Je höher die Geschwindigkeit bei einem Sturz oder Zusammenstoß ist, desto schwerer sind normalerweise die Verletzungen.

Wie wirkt sich Tuning auf die Zukunft des Pedelecs aus?

Das Pedelec ist ein außergewöhnlich privilegiertes Fahrzeug. Es ist motorisiert, unterliegt aber weder einer Zulassungs- noch einer Versicherungspflicht. Gleichzeitig wird es vom Gesetzgeber als Fahrrad eingestuft – mit allen Vorteilen, die sich daraus ergeben. Werden die Räder manipuliert und ihre Betriebsgrenzen gesetzwidrig außer Kraft gesetzt, droht das Pedelec diesen einmaligen Status zu verlieren.

Tuning und seine rechtlichen Folgen

  • Der Betrieb im Straßenverkehr ist verboten
  • Betriebsgrenzen werden überschritten
  • Der Materialverschleiß erhöht sich
  • Die Reichweite verringert sich
  • Gewährleistung und Garantie erlöschen
  • Der Versicherungsschutz erlischt
  • Fachhändler verweigern Reparaturen
  • Tuning gefährdet die Einstufung des Pedelecs als Fahrrad